Debatte über griechischen Austritt Brüssel bereitet sich auf den Notfall vor

Stand: 12.06.2012 20:35 Uhr

Arbeitet Brüssel an einem Notfallplan, wenn Griechenland aus der Eurozone austritt? Das wird von allen Seiten dementiert - aber offenbar auch diskutiert: Kommissionssprecher Bailly räumte erstmals ein, dass es Debatten darüber gebe, welche Maßnahmen die EU im Notfall ergreifen könnte.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

Kommissionssprecher Olivier Bailly hatte beim täglichen Brüsseler Pressebriefing einen schweren Stand. Eine Nachrichten-Agentur war mal wieder unter Berufung auf eine anonyme Quelle vorgeprescht und hatte ausgeplaudert, was keiner wissen soll: Für den Fall, dass in Griechenland demnächst die Lichter ausgehen, wird in Brüssel hinter den Kulissen kräftig an einem Notfallplan gearbeitet.

Natürlich musste Bailly da dementieren: "Wir haben in der Kommission keinen Plan, der den Austritt Griechenlands aus der Eurozone vorsieht", sagte er. Im Gegenteil: Man arbeite nur an einem einzigen Plan, nämlich das Land im Euro zu halten. Nur war das aber gar nicht die Frage. Die Frage war: Wird an einem Szenario gearbeitet, um die Schäden einzugrenzen, falls Griechenland sich selbst aus dem Euro schießt?

Martin Bohne, M. Bohne, MDR Brüssel, 12.06.2012 20:18 Uhr

Kein Plan, aber Planspiele

In der Kommission sei man über solche Pläne nicht informiert, so Bailly. Aber dann wollte er doch nicht ganz so blauäugig dastehen: "Ich habe nicht gesagt, dass mir keine Diskussionen bekannt sind. Ich habe gesagt, ich weiß nichts von Plänen."

Aha, es gibt also noch keinen festen Plan, aber immerhin Planspiele. Das hatte so deutlich noch niemand in Brüssel zugegeben. Und Bailly wurde noch deutlicher: "Es gibt in der Tat Diskussionen, und wir in der Kommission wurden gebeten, klarzustellen, was es in den EU-Verträgen für Möglichkeiten gibt." Und in der Tat, so der Kommissionssprecher, lasse es das EU-Recht zu, im Notfall, den freien Kapitalverkehr zu beschränken und an den Grenzen wieder Personenkontrollen durchzuführen - nämlich dann, wenn die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit gefährdet sind.

Und das dürfte im Worst-Case-Szenario ja wohl der Fall sein. Denn was alle befürchten ist ja Folgendes: Die Griechen räumen aus Angst vor der Rückkehr zu Drachme ihre Konten vollends leer und wollen das Geld schnell noch über die Grenze in Sicherheit bringen; die Banken brechen zusammen und dann auch die öffentliche Ordnung.

Ein Tag ohne Bankgeschäfte - europaweit?

Da bleibt eigentlich gar keine andere Wahl, als den Online-Kapitalverkehr mit dem Ausland zu kappen, die Barabhebungen an den Geldautomaten auf Kleinbeträge zu beschränken und die Taschen der Ausreisenden auf Bargeld zu untersuchen. Und weil auch die Menschen in anderen Krisenländern massiv verunsichert wären, ein europaweiter Bank Run also nicht auszuschließen wäre, müsste man vielleicht sogar europaweit für ein paar Tage die Bankgeschäfte aussetzen.

Das alles sagt Kommissionssprecher Bailly natürlich nicht. Eigentlich will er gar nichts sagen: "Ich kann keine weiteren Einzelheiten nennen, welcher Mitgliedsstaat oder welche Institution im Brüsseler Europa-Viertel an solchen Szenarien arbeitet." Aber irgendwie ist sie doch aus dem Sack, die Katze: Brüssel bereitet sich auf den Notfall vor.