Kritik aus Athen und Berlin an Rösler-Äußerungen "Sie tun alles, damit Griechenland scheitert"

Stand: 24.07.2012 15:43 Uhr

Heftige Kritik an Wirtschaftsminister Rösler wegen seiner skeptischen Griechenland-Äußerungen: Der griechische Premier Samaras nannte die Aussgagen "unverantwortlich", die SPD legte Kanzlerin Merkel Röslers Entlassung nahe. Koalitionspolitiker lehnten derweil Zugeständnisse an Athen ab.

Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras hat die Äußerungen einiger europäischer Politiker zum möglichen Euro-Austritt Griechenlands heftig kritisiert. "Es handelt sich um Untergraber unserer nationalen Bemühungen", sagte er in einer vom griechischen TV übertragenen Rede. Griechenland tue, was es könne, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können - "und sie tun alles, was in ihrer Macht steht, damit wir scheitern".

Samaras sagte weiter, er wisse nicht, ob dies bewusst oder aus Dummheit geschehe:  "Ich weiß nur, dass sie unverantwortlich sind". Der konservative Politiker ergänzte: "Sie werden es nicht schaffen."

Der griechische Premier betonte erneut, dass Griechenland dringend Investitionen und Wachstum brauche. Die Wirtschaft seines Landes werde dieses Jahr um mehr als sieben Prozent schrumpfen. Allerdings sei eine Rückkehr zu Wachstum innerhalb von 18 Monaten möglich. Er hoffe auch, die Arbeitslosigkeit bis zum Ende seiner vierjährigen Amtszeit von ihrem Rekordhoch von fast 24 Prozent auf zehn Prozent zu reduzieren.

Rösler: Griechischer Euro-Austritt "hat den Schrecken verloren"

Samaras' Kritik zielte nach Einschätzungen von Beobachtern vor allem auf die Bemerkungen von Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler. Dieser hatte sich am Sonntag im Sommerinterview des ARD-"Bericht aus Berlin" skeptisch über die griechischen Aussichten geäußert. Für ihn habe ein Austritt Griechenlands aber auch längst seinen Schrecken verloren.

Röslers Aussage stieß auch in griechischen Medien auf Kritik. Die "kontinuierlichen Drohungen" machten die Reformen schwieriger und trügen nicht zur Problemlösung bei, schrieb die konservative Zeitung "Kathimerini". Im griechischen Rundfunk hieß es, Rösler scheine sich nicht für Europa zu interessieren: "Er kümmert sich nur um sein politisches Überleben in seiner ins Wanken geratenen Partei. Die Boulevardzeitung "Avriani" schrieb: "Rösler drängt uns aus dem Euro". Auch die Zeitungen "Ethnos" und "Ta Nea" kommentierten, hier verstehe jemand nichts von Europa.

SPD legt Merkel Rösler-Entlassung nahe

Die SPD führte die Zweifel der Ratingagentur Moody's an Deutschlands Top-Rating auch auf das "unverantwortliche Gequatsche des Vizekanzlers" zurück. SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider legte Kanzlerin Angela Merkel deshalb den Rausschmiss Röslers nahe: "Wenn der vereidigte Wirtschaftsminister Deutschlands Steuergelder so unverantwortlich gefährdet, müsste die Kanzlerin ihn entlassen."

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte der Nachrichtenagentur dapd, Rösler und einige andere Koalitionspolitiker zeigten bei diesem Thema eine "eklatante Inkompetenz" im Umgang mit schwierigen wirtschafts- und währungspolitischen Situationen. Wenn Rösler mit einem Euro-Austritt Athens liebäugele, müsse er wissen, dass er damit die Risiken für die Eurozone vergrößere: "Der Bundeswirtschaftsminister trägt zur Destabilisierung bei."

Der EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis von der FDP, erklärte im griechischen Fernsehen, er "schäme sich" für das, was sein Parteichef gesagt habe. Wenn der Vizekanzler des den Euro tragenden wichtigsten Wirtschaftspartners Deutschland das sage, habe es Gewicht. "Was wir erlebt haben, ist ja, dass der Daumen gesenkt wurde, bevor überhaupt die Troika in Athen angekommen ist", kritisierte Chatzimarkakis.

Koalitionspolitiker gegen neue Zugeständnisse an Athen

Unterdessen lehnten Koalitionspolitiker Zugeständnisse an Griechenland ab. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der "Bild"-Zeitung, es werde weder ein drittes Hilfspaket noch mehr Zeit für die Umsetzung von Reformen geben.

Auch in der FDP wurde der Widerstand gegen weitere Griechenland-Hilfen bekräftigt. Fraktionschef Rainer Brüderle sagte dem "Südkurier", es könne nicht angehen, "dass Griechenland, nachdem es seine Verträge nicht erfüllt hat, jetzt noch einmal zwei Jahre Zeit fordert, um seine Zusagen einzuhalten". Denkbar seien allenfalls einige Wochen Aufschub.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring geht nach eigenen Worten ebenfalls davon aus, dass es kein weiteres Hilfspaket geben wird. Dafür sehe er keine Mehrheit im Bundestag, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Die Folgen einer möglichen griechischen Staatspleite halte er für beherrschbar.

Troika prüft, Barroso kommt auch

Unterdessen begannen Vertreter der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission in Athen mit der eingehenden Prüfung des griechischen Spar- und Reformprogramms.

Auch EU-Kommissionschef José Manuel Barroso wird am Donnerstag nach Athen reisen, um mit Samaras über die wirtschaftliche Lage zu sprechen. Es wird Barrosos erster Griechenland-Besuch seit Beginn der Krise sein.