Händler an der New Yorker Börse
marktbericht

Erneute Verluste Zinssorgen bremsen die Wall Street aus

Stand: 17.08.2023 22:26 Uhr

Wie schon zuvor in Europa dominierten heute auch an der Wall Street Zinssorgen den Handel. Die Aktienindizes drehten ins Minus, auch die Rentenrenditen zogen weiter an.

Auch nach zwei Verlusttagen in Folge ging es an der Wall Street heute weiter bergab. Zwar startete die New Yorker Aktienbörse zunächst etwas höher, fiel aber im Verlauf zurück. Die großen Aktienindizes rutschten am Ende unisono ins Minus.

Auch der Leitindex Dow Jones, der 0,84 Prozent verlor auf 34.474 Punkte. Die zinssensitive Technologiebörse Nasdaq verlor am stärksten und gab erneut 1,1 Prozent ab, eine Größenordnung, in der sie auch in den vergangenen Handelstagen verloren hatte. Gleiches galt für den Auswahlindex Nasdaq 100, der auf 14.715 Zähler abgab. Auch der S&P-500-Index ging 0,77 Prozent leichter aus dem Handel bei 4370 Punkten.

Auch der Rentenmarkt tendierte nach neuen Daten vom Arbeitsmarkt erneut schwächer. Die zehnjährigen US-Bonds rentierten mit 4,316 Prozent nach 4,258 Prozent am Mittwoch auf dem höchsten Niveau seit Oktober 2022. Sollten sie über den damaligen Stand von 4,338 Prozent ansteigen, wären sie auf einem 16-Jahres-Hoch.

Im Nachgang zum gestrigen Protokoll der jüngsten Zinssitzung der Notenbank Federal Reserve (Fed) wollte keine Aufbruchstimmung aufkommen. Denn der Kurs der Fed bleibt unklar, entschieden werden soll weiterhin nach Datenlage, also auf Sicht. Eine Aussicht, die für Unsicherheit sorgt und an der Börse nicht gut ankommt.

Laut den Mitschriften der Fed-Zinssitzung im Juli, die am Mittwoch nach Börsenschluss in Europa veröffentlicht wurden, räumten die meisten Entscheidungsträger der Inflationsbekämpfung weiterhin Priorität ein. Einige Teilnehmer wiesen aber auch auf die Risiken für die Wirtschaft hin. Die Fed versucht, mit Zinserhöhungen die Teuerungsrate zu bremsen, ohne die Konjunktur abzuwürgen.

"Das Protokoll wirkt sehr veraltet. Es ist von einer allmählichen Verlangsamung der US-Wirtschaft die Rede, aber wenn man sich die Daten ansieht, befinden wir uns noch nicht einmal in einer Verlangsamung", sagte Samy Chaar, Chefökonom der Schweizer Privatbank Lombard Odier.

Dass die US-Wirtschaft weiter rund läuft, zeigen die jüngsten Konjunkturzahlen, zuletzt am vergangenen Dienstag Daten vom Einzelhandel. Heute setzte sich diese Tendenz mit den wöchentlichen Daten vom Arbeitsmarkt fort. Denn die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA sank und signalisiert eine weiterhin robuste Lage am Arbeitsmarkt.

In der vergangenen Woche stellten 239.000 US-Bürger einen Antrag auf staatliche Hilfe, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Ökonomen hatten mit 240.000 gerechnet, nach aufwärts revidiert 250.000 in der vorangegangenen Woche. Die als kritische Marke gewertete Zahl von 270.000 Erstanträgen ist damit allerdings noch weit entfernt. Diese gilt als starkes Abwärtssignal für den Arbeitsmarkt.

Der Jobmotor läuft trotz der Zinserhöhungen der US-Notenbank damit weiter rund. Die Federal Reserve bekämpft die hohe Inflation in den USA mit einer straffen geldpolitischen Linie und will damit zugleich den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abkühlen. Dies ist ihr bisher nicht wirklich gelungen, was Zinssorgen immer wieder schürt. Auch der Philly-Fed-Konjunkturindikator für den Großraum Philadelphia legte überraschend zu und unterstreicht die derzeit robuste US-Wirtschaftsentwicklung.

Unternehmensseitig stand vor allem der Einzelhandelsriese Walmart im Fokus, dessen Quartalsbilanz deutlich macht, dass die US-Verbraucher weiterhin bereit sind, Geld auszugeben, wie Marktanalyst Edward Moya vom Broker Oanda resümiert. Die im Leitindex Dow Jones enthaltene Aktie stieg zunächst gegen den Trend, rutschte dann aber mit dem Gesamtmarkt ab und verlor letztlich 2,2 Prozent.

Dabei war das, was Walmart zu berichten hatte, nicht schlecht. Denn der US-Einzelhandelsriese profitiert besonders von der starken Nachfrage nach billigen Lebensmittel und hat seine Prognose erneut angehoben. "Lebensmittel sind unsere Stärke, aber wir sind auch durch die Ergebnisse der anderen Warenbereiche ermutigt", sagte Walmart-Chef Doug McMillon vor Börsenstart bei der Vorlage der Zahlen zum zweiten Quartal. Auch die Entwicklung der Lagerbestände sei zufriedenstellend.

Im Zeitraum Mai bis Juli legten die Erlöse um 6,4 Prozent auf 161,6 Milliarden Dollar zu. Rückenwind verlieh der Online-Handel in den USA, der um fast ein Viertel wuchs. Das operative Ergebnis stieg um 6,7 Prozent auf 7,3 Milliarden Dollar.

Für gute Stimmung sorgte unter anderem auch Cisco. Die Aktie des Netzwerkausrüsters gewannen 3,3 Prozent. Konzernchef Chuck Robbins wies trotz einer enttäuschenden Umsatzprognose auf große Marktanteilgewinne im vergangenen Quartal hin.

"Wir denken, die Ergebnisse sehen gut aus", schrieben die Experten von Jefferies. "Die Bestellungen gehen zwar zurück, da sich die Lieferkette normalisiert. Glücklicherweise verfügt Cisco über einen großen Auftragsbestand, der ihm helfen sollte, diese Zeit zu überstehen." In einer ersten Reaktion auf die gestern nachbörslich veröffentlichten Ergebnisse war das Papier noch gefallen, auf den zweiten Blick griffen die Anleger nun aber zu.

Wer nach dem gestrigen Protokoll der US-Notenbank Federal Reserve auf mehr Klarheit für die Kapitalmärkte gehofft hatte, wurde auch heute wieder enttäuscht. Da die US-Währungshüter (wie auch die EZB) die Märkte über ihre weitere Zinspolitik weiter im Unklaren lassen und auf Sicht fahren wollen, herrscht global viel Unsicherheit bei den Anlegern. Was bleibt, ist das Warten auf weitere Wirtschaftsdaten, die das geldpolitische Bild schärfen könnten - und die nächste Zinssitzung der Fed am 20. September. Zinsfantasie sieht jedenfalls anders aus.

"Die Erwartungen hinsichtlich weiterer Details zur künftigen Zinspolitik in den USA waren gestern hoch", sagte Christian Henke, Analyst beim Broker IG. "Doch die Tür für weitere Zinsschritte wurde zum Leidwesen der Anleger noch nicht fest verschlossen."

Entsprechend hangelt sich der DAX ohne nennenswerte Impulse derzeit durch die Tage. Zuletzt bewegte er sich dabei in einer Bandbreite zwischen 15.700 und 16.000 Punkten. Heute nun hat der deutsche Leitindex mit einem Tagesverlust von 0,71 Prozent auf 15.676 Punkte die untere Begrenzung dieser Bandbreite verletzt - was charttechnisch nichts Gutes bedeutet, auch wenn der Bruch der Unterstützung zunächst nur leicht ausgefallen ist. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, verlor 1,07 Prozent auf 27.518 Punkte.

Wie zuletzt des Öfteren schon folgte der Markt dabei einer im Verlauf bröckelnden Wall Street nach unten. Auch in New York, der Weltleitbörse, herrscht viel Unsicherheit angesichts der unklaren Zinspolitik der Fed. Dem können sich der DAX und die europäischen Märkte nicht entziehen, ebenso die asiatischen Märkte, wo zudem noch eine drohende chinesische Wachstumsschwäche quasi vor der Haustür steht.

Klaus-Rainer Jackisch, HR, mit Informationen zur Börse

Das Papier der Münchener Rück stieg gegen den Trend knapp 1,3 Prozent und war damit bester DAX-Wert. Asssekuranzen als große Kapitalsammelstellen gelten als Profiteure steigender Zinsen, sind doch die Erträge der angelegten Kundengelder ihre wichtigste Ertragsquelle. Zuletzt hat die Branche auch solide Quartalszahlen und Ausblicke vorgelegt. Das MüRü-Papier steht bei knapp 360 Euro so hoch wie seit fünf Jahren nicht mehr und hat in den vergangenen sechs Monaten rund 20 Prozent zugelegt.

Schlusslicht waren SAP und Infineon, die der schwachen Nasdaq-Tendenz nach unten folgten. Gewinnmitnahmen drückten auch die Fresenius-Aktie wieder unter 30 Euro. Für die Aktie des sich im Umbau befindlichen Bad Homburger Gesundheitskonzerns war zuletzt wieder Fantasie aufgekommen, auch weil eine Produktionsstätte von US-Konkurrent Pfizer durch ein Unwetter beschädigt worden war.

Es gab aber auch gute Nachrichten heute für die Eurozone gab es positive Nachrichten. So hat die Eurozone im Juni wegen gesunkener Importe einen deutlich höheren Handelsbilanz-Überschuss ausgewiesen als erwartet. Saisonbereinigt ergab sich ein Plus von 12,5 Milliarden Euro. Volkswirte hatten lediglich mit einem Überschuss von 4,0 Milliarden Euro gerechnet.

Der Euro blieb unter Druck und handelt zuletzt im US-Handel bei 1,0867 Dollar am Tagestief. Spekulationen auf eine länger anhaltende Phase hoher Zinsen in den USA nach dem gestrigen Fed-Protokoll hatten zuvor den Dollar stärker angeschoben. Der Dollar-Index stieg auf den höchsten Stand seit neun Wochen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0900 (Mittwoch: 1,0916) Dollar fest.

Die norwegische Krone verbucht gegenüber dem Euro leichte Kursgewinne. Zuvor hatte Norwegens Notenbank den Leitzins weiter erhöht. Die Währungshüter in Oslo hoben den geldpolitischen Schlüsselsatz um einen viertel Punkt auf 4,0 Prozent an. "Wenn sich die Wirtschaft wie derzeit erwartet entwickelt, wird der Leitzins im September weiter angehoben", sagte Notenbankchefin Ida Wolden Bache.

Die Ölpreise sind am Donnerstag gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Oktober kostete zuletzt 83,85 Dollar. Das war knapp ein halbes Prozent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur September-Lieferung stieg um knapp ein Prozent auf 80,08 Dollar.

Händler sprachen von einer Gegenbewegung nach den jüngsten Verlusten. Denn trotz der heutigen Gewinne sind die Ölpreise seit Beginn der Woche gefallen. Ausschlaggebend waren zuletzt schwache Konjunkturdaten aus China, die am Markt Sorgen vor einer längeren Konjunkturflaute in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt schürten.

Der Energiekonzern RWE hält Investitionen in grüne Wasserstoff-Technologie nur für vertretbar, wenn die Regierung dafür auch Subventionen zur Verfügung stellt. Ohne Subventionen gehe es einfach nicht, das sei wie in den Anfangsjahren von Wind- und Solarstrom, sagte die für das Wasserstoffgeschäft zuständige Vorständin Sopna Sury der "Süddeutschen Zeitung".

Weiter Qualitätsprobleme bei Deutsche Post DHL

Im Juli waren rund 3200 Beschwerden über Postdienstleister eingegangen, wie die Bundesnetzagentur auf dpa-Anfrage mitteilte. Das waren etwa 200 mehr als im Vormonat Juni und 100 mehr als im Vorjahresmonat. In den allermeisten Fällen geht es um den Marktführer Deutsche Post AG beziehungsweise dessen Paket-Pendant DHL Paket GmbH, der Frust richtet sich aber auch gegen Wettbewerber.

Generative Künstliche Intelligenz (KI) wird nach Einschätzung des TUI-Managers Pieter Jordaan einen großen Einfluss auf die Tourismus-Branche haben. "Diejenigen, die die Technologie nutzen, werden schneller und produktiver sein als jene, die darauf verzichten", sagte der CIO des Reisekonzerns. Auch für die Endnutzer habe das Folgen. "Die Art und Weise, wie Menschen ihre Reisen zukünftig planen und buchen, wird das grundlegend verändern."

Papiere des niederländischen Zahlungsdiensleiters Adyen brachen nach Halbjahreszahlen an der Euronext Börse in Amsterdam dramatisch um fast 40 Prozent ein. Die Aktie fiel auf den tiefsten Stand seit Juni 2020. Bei Anlegerinnen und Anlegern machten sich Wachstumssorgen breit. Der Konkurrenzdruck scheine sich zu erhöhen, hieß es von der Citigroup. Hohe Investitionen, um dem Wettbewerb zu begegnen, dürften die operative Gewinnmarge auf längere Sicht belasten.

Die anhaltend schwache Nachfrage nach PCs hat dem chinesischen Technologiekonzern Lenovo Rückgänge bei Umsatz und Gewinn eingebrockt. Der Umsatz fiel im Quartal von April bis Juni um 24 Prozent auf 12,9 Milliarden Dollar. Das war das vierte Quartal in Folge mit sinkenden Umsätzen. Der den Aktionären zurechenbare Nettogewinn brach um 66 Prozent ein auf 177 Millionen Dollar.

Der Stahlkonzern ArcelorMittal könnte Insidern zufolge in das milliardenschwere Bieterrennen um den amerikanischen Stahlkonzern US Steel einsteigen. Der weltweit zweitgrößte Stahlkonzern bespreche mit Investmentbankern eine mögliche Offerte, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Eine neue Batterie aus China soll Elektroautos in nur zehn Minuten auf eine Reichweite von 400 Kilometern bringen. Die "Shenxing"-Zelle werde eine "Ära des superschnellen Ladens von Elektrofahrzeugen" einläuten, teilte der größte chinesische Batteriehersteller CATL mit. Zum Vergleich: Tesla gibt an, mit seinem Supercharger innerhalb von 15 Minuten bis zu 275 Kilometer Reichweite beim Model 3 laden zu können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 17. August 2023 um 12:00 Uhr.