Händler an der NYSE
Marktbericht

Deutliche Gewinne Wall Street auf der Überholspur

Stand: 19.07.2022 22:13 Uhr

Die gute Stimmung aus Europa beflügelte heute auch die US-Märkte. Im Mittelpunkt steht aber weiter die Spekulation, wie stark die Notenbank kommende Woche an der Zinsschraube drehen wird.

An der New Yorker Weltleitbörse ging es heute wie schon zuvor in Europa kräftig bergauf. Die großen Aktienindizes bauten dabei ihre Gewinne im Verlauf aus. Der Leitindex Dow Jones legte am Ende 2,43 Prozent zu auf 31.827 Zähler. Die Technologiebörse Nasdaq rückte noch stärker um 3,11 Prozent vor auf 11.713 Zähler, ebenso wie der Auswahlindex Nasdaq 100, der um 3,13 Prozent stieg. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 3936 Zählern aus dem Handel, ein deutlicher Tagesgewinn von 2,76 Prozent.

Mehr und mehr rückt die laufende Berichtssaison der Unternehmen in den Blick der Anleger. Dabei wurde heute klar, dass der starke Dollar seinen Tribut fordert. Eher schwache Unternehmenszahlen setzten heute der Kaufbereitschaft aber nur vereinzelt Grenzen und bremsten den Gesamtmarkt nicht. Börsianer vermuten als Grund, dass generell schon viel Negatives eingepreist worden sei, indem sich der Dow vor ein paar Tagen noch dem Juni-Tief genähert hatte.

Am Nachmittag wurden auch schwache Signale vom US-Immobilienmarkt von den Anlegern gut verdaut. Positiv aufgenommen wurden hingegen auch in New York die Hoffnungen auf die Wiederaufnahme der Gaslieferungen nach Europa durch Russland.

Darüber hinaus rätselt der Markt weiter darüber, in welchem Tempo die Notenbank Federal Reserve (Fed) noch an der Zinsschraube drehen wird. Zuletzt hatte die Wall Street ihre Erwartungen auf 75 Basispunkte etwas nach unten revidiert. Der FOMC-Zinsausschuss tagt in der kommenden Woche. Zuletzt hatten die Märkte befürchtet, dass die Fed durch zu starke Erhöhungen die Konjunktur abwürgen könnte. Diese Ängste haben etwas nachgelassen, zumal unmittelbar keine entsprechenden Anzeichen einer Rezession zu erkennen sind.

Der stärkere Dollar bremst den Gesundheitskonzern Johnson & Johnson aus dem Leitindex Dow Jones. Für das Gesamtjahr senkte das Unternehmen seine Prognose bereits zum zweiten Mal. Das bereinigte Ergebnis je Aktie soll bei 10 bis 10,10 Dollar liegen, wie Johnson & Johnson heute mitteilte. Zuvor hatte der Konzern 10,15 bis 10,35 Dollar in Aussicht gestellt. Der Umsatz soll 93,3 Milliarden bis 94,3 Milliarden Dollar betragen, jeweils 1,5 Milliarden weniger als zuletzt geplant.

Im zweiten Quartal stiegen die Umsätze um insgesamt drei Prozent auf rund 24 Milliarden Dollar, wie der Konzern weiter mitteilte. Dabei verzeichnete das Auslandsgeschäft allein wegen der Dollarstärke Rückgänge. Währungsbereinigt legte der Konzern getragen vom Pharma- und Medizintechnikgeschäft um acht Prozent zu. Höhere Steuerrückstellungen und steigende Kosten drückten den Nettogewinn hingegen um knapp ein Viertel auf 4,8 Milliarden Dollar. Der Konzern steht vor einer Aufspaltung in zwei Teile. Die Abtrennung des Geschäfts mit rezeptfreien Produkten wird Unternehmensangaben zufolge weiter für das kommende Jahr erwartet.

Die J&J-Aktie gab gegen den Trend nach. Der Konzern gehört außerhalb des Technologiesektors mit einer Börsenbewertung von fast 460 Milliarden Dollar zu den größten Schwergewichten auf dem US-Kurszettel.

Deutlicher unter Druck geriet die IBM-Aktie. Auch ein gutes zweites Quartal hat dabei den Anlegern keine Freude bereitet. Viel mehr Aufmerksamkeit lag auf dem Ausblick des IT-Riesen, der die Erwartungen verfehlte und so die Aktien auf Talfahrt schickte.

Dabei hat ein starkes Cloud-Geschäft dem US-Computerkonzern im zweiten Quartal einen Umsatz über Expertenerwartungen beschert. Während der Gesamtumsatz etwas stärker als erwartet um neun Prozent auf 15,5 Milliarden Dollar stieg, verbuchte das Segment mit der Datenwolke ein Plus von 18 Prozent. Der Nettogewinn lag bei 1,392 Milliarden Dollar und damit etwas höher als im Vorjahreszeitraum mit 1,325 Milliarden Dollar.

Allerdings wurde klar, dass der starke Dollar dem Konzern zusetzt, weil er die Auslandseinnahmen nach Umrechnung in US-Währung verringert. Entsprechend verhalten fiel der Geschäftsausblick für das Gesamtjahr 2022 aus - was bei den Anlegern dann gar nicht gut ankam.

Netflix hat im zweiten Quartal dank Serienhits wie "Stranger Things" nicht so schlecht wie befürchtet abgeschnitten. Die Nutzerzahlen sanken in den drei Monaten bis Ende Juni um 970.000 Bezahlabos, wie der Streaming-Marktführer nach Börsenschluss mitteilte. Damit hielt der Kundenschwund zwar an, blieb aber unter dem von Netflix selbst erwarteten Minus von zwei Millionen Abos. Die Aktie stieg nachbörslich um acht Prozent.

Der Ausblick bleibt jedoch verhalten. Für das laufende Vierteljahr rechnet Netflix lediglich mit rund einer Million neuen Nutzern. Hier hatten Analysten mehr erwartet. Der Umsatz legte im abgelaufenen Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 8,6 Prozent auf 8,0 Milliarden Dollar zu. Unter dem Strich verdiente Netflix 1,44 Milliarden Dollar, vor einem Jahr waren es 1,35 Milliarden gewesen. Das Betriebsergebnis sank jedoch um 15 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar.

Wie sehr das Thema Gasversorgung derzeit die Nerven der Anleger strapaziert, hat der heutige Tag sehr deutlich gemacht. Der erst schwach gestartet DAX startete am Nachmittag kräftig durch und schloss letztlich deutlich um 2,69 Prozent höher bei 13.308 Punkten. Das Tagestief lag am Morgen noch bei 12.827 Punkten deutlich darunter.

Hintergrund der Hausse war eine Insidermeldung zur Gaspipeline Nord Stream 1, die am Nachmittag die Runde machte. Danach will Russland seine Gaslieferungen durch die Pipeline am Donnerstag nach einer Wartungsunterbrechung wieder aufnehmen - wenn auch in reduziertem Umfang. Die Pipeline solle ihren Dienst wieder beginnen, werde dies aber nicht in voller Auslastung tun, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur "Reuters".

Der russische Gasmonopolist Gazprom hatte die Kapazität der Lieferungen durch Nord Stream 1 bereits im vergangenen Monat auf 40 Prozent beschnitten und dies auf die Wartung einer Turbine zurückgeführt. "Sie (Gazprom) werden zu dem vor dem 11. Juli gesehenen Niveau zurückkehren", sagte nun einer der Insider. Durch Nord Stream 1 war in der Vergangenheit mehr als ein Drittel der russischen Gasexporte in die Europäische Union geleitet worden.

Sollten sich die Gerüchte bestätigen, wäre dies eine große Erleichterung für die Börse. Denn neben dem überragenden Sorgenthema Gasversorgung erwartet der Markt auch die Zinswende der EZB. Zudem kommt nun auch in Europa die Berichtssaison für das zweite Quartal langsam in Fahrt - von der sich sich die Anleger Aufklärung darüber erwarten, wie sich die politischen und ökonomischen Turbulenzen in den Firmenbilanzen niedergeschlagen haben.

Bettina Seidl, HR, mit Informationen zur Börse

tagesschau 12:00 Uhr

Bereits angekündigt hat die EZB einen Zinsschritt von 25 Basispunkten in dieser Woche. In Anbetracht der hohen Inflationsrate von rund acht Prozent in der Eurozone wird dieser Schritt aber unisono als zu gering erachtet, um der Geldentwertung wirklich glaubhaft Paroli bieten zu können. Immerhin hat die EZB als einzige große westliche Notenbank noch gar keine Zinserhöhung vorgenommen.

Nun scheint aber Bewegung in die Diskussion zu kommen. Neben einer Erhöhung des Leitzinses um einen Viertel Prozentpunkt soll auch eine mögliche Anhebung um einen halben Punkt zur Sprache kommen, wie die Nachrichtenagentur Reuters von mit der Sache vertrauten Personen erfuhr.

Unter den 40 Einzelaktien im DAX gab es keinen einzigen Verlierer. Die Gewinnerliste wurde von Adidas angeführt, aber auch die zuletzt besonders unter Druck geratenen Zykliker wie Covestro, Siemens oder BASF legten überdurchschnittlich zu. Schlusslicht waren Qiagen, die nur moderat vorrückten.

Im MDAX haussierten die Papiere von Versorger Uniper, des größten Importeurs russischen Erdgases. Auch nachbörslich setzte sich der Anstieg fort. Zuerst profitierten sie kurz vor Schluss des Xetra-Hauptgeschäft kräftig von Spekulationen über eine bevorstehende Wiederaufnahme der Gaslieferungen Russlands. Danach sorgte ein Bericht, wonach eine Einigung mit der Bundesregierung auf staatliche Hilfen näher rückt, auf der Handelsplattform Tradegate für zusätzliche Bewegung.

Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg in Berufung auf Kreise berichtete, könnte die Bundesrepublik Milliarden in den Versorger stecken, unter anderem mit einer direkten Beteiligung. Die Regierung könnte am Ende eine Sperrbeteiligung von bis zu 30 Prozent an Uniper erlangen, hieß es.

Der Energieversorger war wegen der Drosselung russischer Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 unter Druck geraten. Am Vortag wurde daher eine milliardenschwere Kreditlinie der staatlichen Förderbank KfW ganz ausgeschöpft und zudem weitere Mittel beantragt. Der MDAX legte 2,29 Prozent zu auf 26.515 Punkte.

Die Aussicht auf eine Zinserhöhung um möglicherweise 50 Basispunkte trieb heute auch den Euro an. Die Gemeinschaftswährung legt im US-Handel wie zuvor schon in Europa knapp ein Prozent auf 1,0225 Dollar zu. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme mit Verweis auf die Ruhephase der Bank ab. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0245 (Montag: 1,0131) Dollar fest.

Höhere Zinsen sollten den Euro tendenziell zwar stützen. "Der Rückgang des Euro auf etwa Parität zum US-Dollar stärkt die Argumente für aggressivere Zinserhöhungen", kommentiert Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Allerdings ist auch die europäische Gaskrise ein wesentlicher Faktor für die Währungsschwäche.

Die US-Bauwirtschaft hat sich auch im Juni schwach entwickelt. Die Zahl neu begonnener Häuser und die Anzahl der Baugenehmigungen gingen jeweils zurück. Die Baubeginne sanken zum Vormonat um 2,0 Prozent, wie das Handelsministerium am frühen Nachmittag in Washington mitteilte. Analysten hatten dagegen im Schnitt mit einem Anstieg um 2,0 Prozent gerechnet.

Die Zahl der Baugenehmigungen fiel um 0,6 Prozent. Hier war ein stärkerer Rückgang um 2,7 Prozent erwartet worden. Bereits im Vormonat waren die Zahlen jeweils gefallen. Die Baugenehmigungen laufen den Baubeginnen zeitlich voraus und geben einen Hinweis auf die zu erwartende Bautätigkeit. Der US-Immobilienmarkt leidet seit einiger Zeit unter mehreren Entwicklungen, darunter die steigenden Hypothekenzinsen, Lieferengpässe und stark gestiegene Baukosten.

Der Chef des Frankfurter Flughafens (Fraport), Stefan Schulte, rechnet auch in den kommenden Wochen mit Problemen an den deutschen Flughäfen. "Der Sommer wird schwierig bleiben", sagte Schulte der Zeitung "Mannheimer Morgen". Man habe unterschätzt, wie hoch das Nachholbedürfnis der Menschen sei, wieder reisen zu wollen. "Wir wussten, dass es ein starkes Jahr wird und das haben wir in unseren Planungen auch berücksichtigt. Aber jede Prognose wurde deutlich überholt und es fliegen viel mehr Menschen als erwartet. Dafür haben die Flughäfen und Airlines zu wenig Personal auf allen Ebenen."

Die kräftig steigenden Zinsen haben das Wachstum des Finanzdienstleisters Hypoport im zweiten Quartal gebremst. Auf der hauseigenen Kreditplattform Europace legte das Transaktionsvolumen in den Monaten April bis Juni um nur noch knapp fünf Prozent auf 26,4 Milliarden Euro zu. Zum Jahresauftakt hatte das Wachstum noch 26 Prozent auf 33,8 Milliarden Euro betragen. Damals hatten noch viele Kunden wegen der Erwartung steigender Zinsen viele Kredite abgeschlossen. Inzwischen ist die Nachfrage wegen der inzwischen höheren Zinsen und der Unsicherheiten infolge des Ukraine-Kriegs deutlich zurückgegangen.

Borussia Dortmund steht unter Schock. Die Nachricht über die schwere Erkrankung von Neuzugang Sébastien Haller sorgte bei allen Beteiligten für tiefe Bestürzung. Nur wenige Stunden nach dem morgendlichen Training, bei dem der 28 Jahre alte Nationalspieler der Elfenbeinküste über Unwohlsein geklagt hatte, diagnostizierten die Mediziner einen Tumor im Hoden.

Der Stürmer, der den abgewanderten Norweger Erling Haaland ersetzen soll, fällt bis auf weiteres aus. Der BVB investierte 31 Millionen Euro für Haller, so viel wie noch nie für einen Neuzugang.

Der französische Staat nimmt für die vollständige Übernahme des Versorgers EDF fast zehn Milliarden Euro in die Hand. Den EDF-Aktionären werden zwölf Euro je Anteilsschein geboten. Der Preis liege 53 Prozent über dem Schlusskurs vom 5. Juli, dem Tag bevor die Regierung ihre Absicht zur vollständigen Verstaatlichung bekannt gab. Europas größter Kernkraftwerksbetreiber würde damit für 9,7 Milliarden Euro unter die vollständige Kontrolle des Staates gelangen, der bereits 84 Prozent an EDF hält.

Der australische Rohstoffkonzern BHP hat nach einem Rückgang seiner Eisenerzexporte vor weiteren Marktturbulenzen aufgrund einer schwankenden Stahlnachfrage aus China gewarnt. "Die allgemeine Marktvolatilität hält an, und wir erwarten, dass sich der Nachlaufeffekt des Inflationsdrucks in den nächsten zwölf Monaten fortsetzen wird", sagte Unternehmenschef Mike Henry. Zu den Herausforderungen für den kommenden Zeitraum gehörten unter anderem die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt, die Energiekrise in Europa und eine strengere Geldpolitik.

Der Prozess gegen Tesla-Chef Elon Musk wegen des Rückzugs von der geplanten milliardenschweren Twitter-Übernahme ist für Oktober angesetzt. Die zuständige Richterin Kathaleen McCormick im US-Bundesstaat Delaware gab den Termin heute bekannt. Twitter verdiene eine schnelle Lösung angesichts der Unsicherheit, erklärte McCormick. Der Termin ist ein Schlag für Musk, der den Rechtsstreit bis Februar hinauszögern wollte. Musks Anwälte wollten bis dahin noch Informationen sammeln. Twitter hatte dagegen bereits für September plädiert. Der Prozess soll laut Gericht insgesamt fünf Tage dauern.

Twitter hatte Musk in der vergangenen Woche wegen des Rückzugs von der geplanten milliardenschweren Fusion verklagt. Der US-Kurznachrichtendienst bat das Gericht darum, den Milliardär dazu zu zwingen, die Übernahme zum vereinbarten Preis von 54,20 Dollar je Twitter-Aktie durchzuziehen. Musk hatte davor erklärt, die eigentlich bereits vereinbarte Twitter-Übernahme im Volumen von 44 Milliarden Dollar platzen zu lassen. Über einen solchen Schritt war bereits seit Wochen spekuliert worden. Zur Begründung sagte Musk, Twitter habe mehrere Punkte der Übernahme-Vereinbarung gebrochen.

Der weltgrößte Luftfahrt- und Rüstungskonzern Lockheed Martin blickt zurückhaltender auf das laufende Jahr. Das zweite Quartal sei nicht zuletzt von Problemen in den Lieferketten beeinflusst gewesen, erklärte Firmenchef James Taiclet heute in Bethesda (US-Bundesstaat Maryland). Dies habe auf den Umsatz gedrückt.

Für das Gesamtjahr erwartet das Management beim Umsatz nun statt 66 Milliarden nur noch 65,25 Milliarden US-Dollar (64 Mrd Euro). Außerdem soll der Gewinn je Aktie nur noch 21,55 US-Dollar betragen. Das ist fast ein Fünftel weniger als bislang prognostiziert und zudem weniger, als Analysten erwartet hatten. Die Aktie tendiert gegen den Trend schwächer.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 19. Juli 2022 um 17:00 Uhr.