Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Mäßige Verluste Wall Street ohne klare Richtung

Stand: 31.05.2022 22:16 Uhr

Die US-Börsen haben sich nach schwachem Start im Verlauf zwar etwas erholt, zu mehr fehlte aber die Kraft. Im Fokus steht weiter die Diskussion über Ausmaß und Tempo der Zinswende.

Am ersten Handelstag nach dem langen Wochenende konnten die US-Börsen nicht an die kräftigen Gewinne der Vorwochen anknüpfen und schlossen letztlich moderat im Minus. Der Leitindex Dow Jones ging bei 32.990 Punkten aus dem Handel, ein Tagesverlust von 0,67 Prozent. Auch der marktbreite S&P-500-Index gab um 0,63 Prozent nach auf 4132 Zähler.

Die Technologiebörse Nasdaq hielt sich mit einem Minus von 0,41 Prozent auf 12.081 Punkte besser, ebenso wie der Auswahlindex Nasdaq 100, der 0,31 Prozent abgab auf 12.642 Punkte.

Allen großen Indizes war heute gemeinsam, dass sie keine klare Richtung fanden und dabei auch mehrfach das Vorzeichen wechselten. Nach schwachem Start erholten sie sich zunächst, nachdem das private Forschungsinstitut Conference Board für den Mai gegenüber dem Vormonat einen Rückgang des Verbrauchervertrauens um 2,2 Punkte auf 106,4 Zähler bekannt gab. Das war besser, als von Analysten im Vorfeld prognostiziert wurde.

Dem Dow war erst in der vergangenen Woche das größte Wochenplus seit 2020 gelungen. Schnäppchenjäger hatten zugegriffen und die vermeintlich günstigeren Kurse nach dem Rutsch von Ende April bis Mitte Mai zum Einstieg genutzt. Hier halfen zuletzt auch Signale der US-Notenbank Fed, die die Anleger als Beleg für eine nur graduelle Straffung der US-Geldpolitik gewertet hatten.

Apropos Geldpolitik: Thema des Tages bleibt natürlich die Zinsdiskussion, die gestern neue Nahrung erhalten hat. Sie zeigt, dass auch innerhalb der Notenbank Federal Reserve die Meinungen geteilt sind zwischen denjenigen, die stärkere Zinserhöhungen fordern und denen, die behutsamer vorgehen wollen.

Aussagen des Fed-Gouverneurs Christopher Waller vom Montagnachmittag hallten an den Märkten noch nach. Waller sprach sich für weitere größere Leitzinsanhebungen aus: "Ich unterstütze eine Straffung der Politik um weitere 0,50 Prozentpunkte auf mehreren Sitzungen."

Die US-Notenbank Fed solle Zinsschritte in diesem Tempo fortsetzen, bis sich die Inflation wieder dem Zielwert von zwei Prozent annähere. Waller sitzt im Führungsgremium der Fed und entscheidet über die Geldpolitik mit. Die Aussagen belasteten heute im Verlauf auch den Euro, der zwischenzeitlich unter die Marke von 1,07 Dollar fiel.

Vor diesem Hintergrund blickten Börsianer gespannt auf das Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Fed-Chef Jerome Powell, das für den Abend (Mitteleuropäische Zeit) terminiert war. Biden hat Notenbankchef Jerome Powell angesichts einer hohen Inflation versichert, dass seine Regierung sich nicht in die Geldpolitik der Fed einmischen wird. Es war ihre erste Zusammenkunft, seit der Senat mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit Powells gestimmt hatte.

"Der Präsident hat gegenüber dem Vorsitzenden Powell unterstrichen, (...) dass er die Unabhängigkeit der Federal Reserve respektiert", sagte der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats der US-Regierung, Brian Deese, am Dienstag.

Deese wies auf die Übergangsphase hin, die der US-Wirtschaft bevorstehe, wenn die Fed die Zinssätze anhebe. Die Notenbank will damit die Nachfrage dämpfen und den Preisdruck verringern. Dadurch wird jedoch das Wirtschaftswachstum verlangsamt. Biden hat den Kampf gegen die hohe Inflation von zuletzt 8,3 Prozent zu seiner innenpolitischen Top-Priorität erklärt.

Belastend auf die Märkte wirken sich insbesondere die gestiegenen Ölpreise aus. Sie erreichten heute im Verlauf den höchsten Stand seit gut zwei Monaten. Die Aussicht auf ein vermindertes Angebot aus Russland infolge neuer Sanktionen der Europäischen Union wegen des Ukraine-Kriegs wirkt als Preistreiber und heizt die Inflation an. "Eine Preisexplosion in den Bereich von 140 oder 150 US-Dollar wäre das Letzte, was der Aktienmarkt jetzt gebrauchen kann", kommentiert Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst bei CMC Markets.

Im Handelsverlauf beruhigten sich die Preise allerdings, nachdem ein Fass der Nordseesorte Brent in der Spitze rund 124 Dollar gekostet hatte. Die Notierungen der US-Leichtölsorte WTI fielen sogar ins Minus. Insgesamt bleiben die Preise aber auf hohem Niveau und gelten als Haupttreiber für die hohe Inflation. Auch die Gaspreise zogen heute wieder an.

Rückenwind erhielten die Notierungen zuletzt auch durch die in Aussicht gestellten Lockerungen von Corona-Beschränkungen in China. Zudem hat das Förderkartell Opec +, zu dem auch Russland gehört, klar gemacht, dass es fehlende Mengen nicht durch höhere Produktionen ersetzen kann und will. Das Angebot dürfte also knapp bleiben, was die Preise stützt.

Nach zuletzt vier Gewinntagen in Folge ging es heute am Frankfurter Aktienmarkt wieder bergab. Der Leitindex DAX weitete am Nachmittag seine Verluste aus und fiel letztlich um 1,29 Prozent auf 14.388 Punkte. Das Tagestief lag dabei bei 14.359 Punkten, das Hoch bei 14.547 Punkten. Im Mai hat der Index damit zwei Prozent zugelegt.

Nachdem Konjunkturhoffnungen zuletzt den DAX angeschoben hatten, kehrte heute mit hohen Inflationszahlen aus der Eurozone der Alltag wieder zurück. Vor allem die sich weiter auf Klettertour befindlichen Energiepreise heizen die Inflationsängste der Anleger immer wieder an.

Die Rückkehr der Inflationssorgen sorgte bei den Börsenbullen für Ernüchterung. Denn die Inflation liegt in der Eurozone im Mai bei hohen 8,1 Prozent. Eine Marke, die die Märkte und vor allem die EZB nicht ignorieren können. Schon die deutsche Inflation lag im Mai nach der gestern veröffentlichten Schätzung des Statistischen Bundesamts bei 7,9 Prozent in ähnlich schwindelerregender Höhe.

Vor allem die hohen Energiepreise wirken weiter wie ein Treibsatz. "Der jüngste Anstieg im Ölpreis bringt die Inflationsangst durch steigende Energiepreise wieder zurück auf die Agenda", konstatierte Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets. Die Ölpreise sind am Dienstag auf den höchsten Stand seit gut zwei Monaten geklettert, befeuert auch durch die Embargo-Pläne der EU gegen Russland.

Experten sind sich einig, dass in Sachen Inflationsbekämpfung nun schnell etwas geschehen muss. "Der rasche Energiepreisanstieg führt zu steigenden Kosten für die Unternehmen, die diese an ihre Kunden weitergeben", sagte Volkswirt Bert Colijn von der ING Bank. Größere Zinsschritte der EZB von einem halben Prozentpunkt schienen nicht mehr unmöglich, sagte Commerzbank-Analystin You-Na Park-Heger. Allerdings sei dies nicht ihr Basis-Szenario.

"Ich verstehe nicht, warum die EZB mit der Abschaffung ihrer Negativzinsen bis Ende des dritten Quartals warten möchte. Jede neue Inflationszahl zeigt, wie riskant dieses Zögern ist", meint Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank.

Allzu lange wird das Zögern vielleicht nicht mehr andauern. Der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte, die Inflationszahlen für Mai bestärkten die Europäische Zentralbank in ihren Plänen für einen Ausstieg aus der sehr lockeren Geldpolitik. Es sei "eine fortschreitende und konsequente geldpolitische Normalisierung" nötig, sagte er.

Die Firmenzentralen der Deutschen Bank und ihrer Tochter DWS werden durchsucht. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt bestätigte entsprechende Medienberichte. Dem "Handelsblatt" zufolge stehen die Durchsuchungen im Zusammenhang mit den sogenannten "Greenwashing"-Vorwürfen gegen den Vermögensverwalter DWS. "Wir haben in dieser Angelegenheit kontinuierlich und umfassend mit allen relevanten Regulierungsbehörden zusammengearbeitet und werden dies auch weiterhin tun", erklärte ein DWS-Sprecher. Die Deutsche Bank verwies auf die Stellungnahme der DWS und teilte mit: "Die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft richten sich gegen Unbekannt im Zusammenhang mit Greenwashing-Vorwürfen, die gegen die DWS erhoben wurden."

Die DWS war im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten, nachdem Anschuldigungen laut wurden, der Vermögensverwalter sei zu lax mit den Kriterien für "grüne" Investments umgegangen und habe sogenanntes "Greenwashing" betrieben. Die DWS hatte die Vorwürfe stets bestritten.

Derweil ist die Deutsche Bank ist in ihrem wichtigen Investmentbank-Geschäft gut in das zweite Quartal gestartet. "Wenn wir auf das zweite Quartal blicken, sind wir eigentlich recht glücklich mit der Entwicklung", sagte Deutsche Bank-Vorstand Fabrizio Campelli auf einer Veranstaltung der Geldhauses.

Viele der Trends aus dem ersten Quartal hätten sich im zweiten Jahresviertel fortgesetzt. Das betreffe insbesondere die Anleihen- und Währungsseite des Geschäfts. In der Unternehmensbank sei "über alle Geschäftssegmente hinweg" eine starke Entwicklung zu sehen. Campelli ist im Deutsche-Bank-Vorstand für die Investmentbank und für die Unternehmensbank zuständig.

"Die Deutsche Bank ist klarerweise gut auf Kurs, um die Ziele für 2022 zu erreichen", sagte Campelli weiter. Deutschlands größtes Geldhaus strebt dieses Jahr unter anderem eine Nachsteuerrendite auf das materielle Eigenkapital (ROTE) von acht Prozent an.

Der Autozulieferer Vitesco stärkt sein Elektromobilitäts-Geschäft mit einer Kooperation mit dem Halbleiterhersteller Infineon. Dabei gehe es um Siliziumkarbid-Leistungshalbleiter, teilte Vitesco in Regensburg mit. Diese Halbleiter leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Effizienz von Elektroniken für bis zu 800 Volt und erhöhten so die Reichweite von Elektrofahrzeugen. Finanzielle Details der Kooperation wurden nicht genannt.

Der Apple-Zulieferer Foxconn erwartet für das zweite Halbjahr eine Entspannung der Lieferketten-Probleme. "Wir sind von der Stabilität unserer Lieferkette für die zweite Jahreshälfte ziemlich überzeugt", sagte Foxconn-Chef Liu Young-way. Foxconn solle der erste Hersteller von Elektrofahrzeugen (EV) werden, "der nicht knapp an Materiallieferungen ist", sagte Liu mit Blick auf die weltweite Knappheit bei Halbleitern. Der taiwanische Konzern strebt an, bis Ende 2025 rund fünf Prozent des weltweiten Elektrofahrzeugmarktes zu erobern und hofft, seine Kapazität zur Herstellung von EV-Chips zu steigern.

Der Spezialchemiekonzern Lanxess übernimmt zusammen mit dem Finanzinvestor Advent das Kunststoffgeschäft des niederländischen Chemieunternehmens DSM für rund 3,7 Milliarden Euro. Dieses soll in ein neues Gemeinschaftsunternehmen eingebracht werden, an dem Advent mindestens 60 Prozent und Lanxess bis zu 40 Prozent halten wird, wie der Kölner Konzern mitteilte. Lanxess wird auch sein Geschäft mit Hochleistungs-Polymeren, die vor allem in der Autoindustrie eingesetzt werden, in das Joint Venture überführen und erhält eine Zahlung von mindestens 1,1 Milliarden Euro.

Die krisengeplagte Credit Suisse prüft Insidern zufolge Maßnahmen zur Stärkung des Kapitals. Die Überlegungen befänden sich in einem frühen Stadium, wie zwei mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Eine Option sei dabei eine Kapitalerhöhung. Eine solche Transaktion würde voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte über die Bühne gehen. Mit einer Kapitalerhöhung wolle die Bank den Insidern zufolge nicht nur die Bilanz aufpolstern, sondern auch ein positives Signal nach außen senden. Denn wenn bekannte Investoren der Bank frisches Kapital zukommen ließen, könnte das als Vertrauensbeweis gewertet werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 31. Mai 2022 um 09:00 Uhr.