Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Wall Street wenig bewegt Hoffen auf die Fed

Stand: 23.08.2022 22:16 Uhr

In New York stand mal wieder die Zinspolitik der Notenbank Federal Reserve (Fed) im Fokus. Die Anleger hoffen dabei auf eine etwas moderatere Gangart. Die Märkte bewegten sich wenig.

Nach dem heftigen Kursrutsch vom Vortag fanden die US-Börsen heute keine klare Richtung, die Schwankungen waren überschaubar. Während der Leitindex Dow Jones stärker um 0,47 Prozent auf 32.909 Zähler nachgab, hielt sich die Technologiebörse Nasdaq etwas besser und schloss nahezu unverändert bei 12.381 Punkten.

Schwache Konjunkturdaten vom Hausmarkt, wo sich die höheren Zinsen derzeit bei den Neuverkäufen bemerkbar machen und die Aktivitäten der Käufer bremsen, ließen Tech-Anleger zwischenzeitlich etwas aufatmen. "Schwächere Konjunkturdaten haben eine Erholung am Aktienmarkt angekurbelt, vor allem an der Nasdaq", sagte Robert Pavlik, Portfoliomanager bei Dakota Wealth Management. "Sie lassen Investoren, vor allem Algorithmen, glauben, dass die Fed nicht ganz so aggressiv vorgehen wird."

Der Auswahlindex Nasdaq 100 erreichte im Tageshoch 13.000 Punkte, fiel danach aber wieder zurück und ging bei 12.881 Punkten um 0,1 Prozent noch etwas leichter aus dem Handel. Der marktbreite S&P-500-Index schloss 0,2 Prozent schwächer.

Aufschluss über den geldpolitischen Kurs der Fed erwarten die Anleger vom am Donnerstag beginnenden Notenbanker-Treffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming. Allgemein erwartet wird allerdings, dass die Fed weiter einen strikten Straffungskurs verfolgen wird, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Der Markt dürfte dabei vor allem die Rede von Bankchef Jerome Powell am Freitag mit Spannung verfolgen, hieß es von der schweizerischen Bank Credit Suisse.

Mit einem weiteren Zinsschritt von 75 Basispunkten im September wird mittlerweile mehrheitlich gerechnet. Die Zinsdiskussion dürfte so lange auf den Märkten lasten, bis sich messbare Erfolge im Kampf gegen die Inflation einstellen. Wie sehr die Marktteilnehmer derzeit nach solchen Hinweisen förmlich dürsten, zeigte heute die Reaktion auf die Entwicklung bei den Neubauverkäufen, eine Konjunkturzahl, die üblicherweise nicht in der ersten Reihe der Daten zu finden ist.

Unter den US-Einzelwerten fielen Aktien des Kurznachrichtendienstes auf, die deutlich um 7,3 Prozent nachgaben. Denn der ehemalige Twitter-Sicherheitschef Peiter Zatko hat dem Unternehmen Medienberichten zufolge gravierende Mängel beim Datenschutz vorgeworfen. Twitter habe gegenüber den Regulierungsbehörden irreführende Angaben über Nutzerkonten und Maßnahmen gegen Hackerangriffe gemacht, zitierten am Dienstag CNN und "Washington Post" aus einem 84-seitigen Bericht Zatkos.

Das US-Unternehmen habe seine Schutzmaßnahmen übertrieben dargestellt. Zatko habe seine Kollegen davor gewarnt, dass die Hälfte der Server veraltet und anfällig gegen Angriffe sei. Twitter-Chef Parag Agrawal habe die Vorwürfe gegenüber Mitarbeitern zurückgewiesen, berichtete ein CNN-Reporter auf dem Dienst unter Berufung auf ein Memo.

Die Vorwürfe spielen sich ab vor dem Hintergrund des Rechtsstreits um die gescheiterte Twitter-Übernahme durch Tesla-Chef Elon Musk. Dieser hatte im Juli seine 44 Milliarden Dollar schwere Übernahme-Offerte zurückgezogen. Musk begründete dies mit angeblichen Verstößen Twitters gegen Vereinbarungen des Deals. Das Gerichtsverfahren soll am 17. Oktober beginnen.

Es ist ein nicht seltenes Phänomen, dass die Börse nach einem schwachen Wochenstart am Dienstag wieder Boden gut macht. Schnäppchenjäger wollen dann von möglichen negativen Übertreibungen profitieren, Börsenbeobachterinnen und Börsenbeobachter sprechen vom "turn-around-tuesday".

Wer heute auf einen solchen Dienstag gewartet hat, wurde enttäuscht. Der DAX bewegte sich am Ende wenig und schloss bei 13.194 Punkten 0,27 Prozent leichter. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, ging bei 25.964 Punkten aus dem Handel, ebenfalls ein leichter Tagesverlust von 0,17 Prozent.

Es war der dritte Verlusttag in Folge. Die Anlegerinnen und Anleger, die so manche Belastungsfaktoren zuvor ignoriert hatten, seien nun auf Schadensbegrenzung aus, hieß es heute am Markt.

Spätestens seit der Ankündigung des russischen Gasmonopolisten Gazprom in der vergangenen Woche, die Ostseepipeline Nord Stream 1 zum Monatsende für drei Tage wegen angeblicher Wartungsarbeiten zu schließen, werden Rezessionsängste wieder lauter. Unternehmen und privaten Haushalte fürchten angesichts der explodierenden Gaspreise schwere Zeiten.

Vor dem Winter nehme wieder die Furcht vor einer Energiekrise zu, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG: "Moskau hat die Hände am Gashahn und entscheidet somit über die weitere Entwicklung an den Aktienmärkten."

Stoppt Russland womöglich sogar die Lieferungen noch ganz? Dann könnte das Ende der Entwicklung noch gar nicht erreicht sein, obwohl der Anteil russischen Gases an den heimischen Importen mittlerweile drastisch gesunken ist. Zu unberechenbar hat sich Russland bisher in seinem Lieferverhalten gezeigt. Hinzu kommt die Unsicherheit über den weiteren Zinskurs der Notenbanken angesichts der nicht zuletzt durch die hohen Energiepreise ausgelösten hohen Inflationsraten.

"Natürlich ist der gestrige Anstieg der Gaspreise eine rundum schlechte Nachricht", sagte Kenneth Broux, Währungsstratege bei Société Générale. Die Furcht vor Engpässen hatte den Gaspreis zum Wochenstart weiter nach oben getrieben. Der europäische Future erreichte den Rekordwert von 292,50 Euro je Megawattstunde. Am Dienstag gab er fünf Prozent auf 263,50 Euro nach.

Bettina Seidl, HR, zu den aktuellen Börsendaten

Aktuelle Wirtschaftsdaten zeigen derweil, dass sich die konjunkturelle Lage weiter eintrübt. Gebremst von der Gaskrise und der hohen Inflation steuert die Wirtschaft der Eurozone auf eine Rezession zu. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Privatwirtschaft, die den Industrie- und Servicesektor umfasst, fiel um 0,7 auf 49,2 Zähler, wie der Finanzdienstleister S&P Global mitteilte.

Das an den Finanzmärkten viel beachtete Barometer rutschte damit auf ein 18-Monats-Tief. Es liegt nun merklich unter der Wachstumsschwelle von 50 Stellen. Dass die Talfahrt anhielt, lässt nach Ansicht vieler Experten eine Rezession im Winterhalbjahr immer wahrscheinlicher erscheinen.

Update Wirtschaft vom 23.08.2022

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau24

Der traurige Abgesang auf den Euro setzte sich derweil fort. Die Gemeinschaftswährung fiel zeitweise auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren und richtet sich unter der Parität zum Dollar ein. Mit 0,9901 Dollar erreichte die Gemeinschaftswährung heute den niedrigsten Wert seit Ende 2002. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 0,9927 (Montag: 1,0001) Dollar fest. Im US-Handel werden 0,9965 Dollar für einen Euro bezahlt.

Im Juli hatten die drohende Rezession in der Eurozone und der wachsende Zinsabstand zu den USA den Kurs des Euro erstmals seit 2002 unter einen Dollar rutschen lassen. Im September des Vorjahres mussten noch 1,15 US-Dollar für einen Euro bezahlt werden.

"Angesichts der hohen Energiepreise, des Lohndrucks, der Materialengpässe, der Lieferkettenproblematik, dem Facharbeitermangel und einer schwächeren Weltwirtschaft weht den Unternehmen viel Gegenwind entgegen", sagte Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. Hinzu kommen die jüngsten Signale für eine weitere kräftige Zinserhöhung der US-Notenbank. Diese Entschlossenheit der Fed ist einer der wichtigsten Treiber für den Greenback.

Die Verbraucherstimmung in der Eurozone hat sich im August derweil überraschend etwas verbessert. Der Indikator stieg gegenüber dem Vormonat um 2,1 Punkte auf minus 24,9 Punkte, wie die EU-Kommission am Nachmittag in Brüssel mitteilte. Volkswirte hatten mit einem weiteren Rückgang auf minus 28,0 Punkte gerechnet. Im Juli war der Indikator mit 27,0 Punkte auf den niedrigsten jemals erreichten Stand gefallen.

Die Preise für ein Barrel (159 Liter) der Sorten Brent und WTI legten heute deutlich über vier Prozent zu. Marktbeobachter verwiesen als Begründung auf Aussagen des saudi-arabischen Energieministers Abdulaziz bin Salman, der eine mögliche Verringerung der Ölförderung durch das Ölkartell OPEC+ angedeutet hatte.

"Möglicherweise will Saudi-Arabien für den Fall vorbauen, dass die USA einer Wiederauflage des Atomabkommens dem Iran zustimmen und diesem damit die Rückkehr an den Ölmarkt erlaubt wird. Dass Saudi-Arabien ein Ölpreis von rund 90 Dollar offenbar als zu niedrig erscheint, könnte von Spekulanten als Einladung verstanden werden", schreiben die Fachleute der Commerzbank in ihrem Kommentar zum Rohstoffmarkt.

Der Volkswagen-Konzern will zur Sicherung von Elektroauto-Batterierohstoffen künftig in Kanada in Minen investieren. "Wir eröffnen keine eigenen Minen, wir wollen uns aber an kanadischen Minen und Minenbetreibern beteiligen", sagte der für Technik und Batterien zuständige Konzernvorstand Thomas Schmall dem "Handelsblatt". VW will sich damit über langfristige Lieferabkommen Mengen und Preise sichern, etwa im Rahmen einer Gemeinschaftsfirma mit der VW-Batterietochter PowerCo.

Während der Kanada-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben das deutsche Energieunternehmen Uniper und der kanadische Wasserstoff-Spezialist Everwind eine Absichtserklärung über den Kauf von 500.000 Tonnen grünem Ammoniak pro Jahr unterschrieben.

Die Absichtserklärung wurde demnach wenige Stunden vor der für Dienstagabend geplanten Unterzeichnung eines Wasserstoffabkommens zwischen Deutschland und Kanada unterzeichnet. Das Ammoniak soll den Unternehmen zufolge ab 2025 in der ersten Produktionsanlage von Everwind in der kanadischen Atlantik-Provinz Nova Scotia unter Einsatz von Windenergie sowie Strom aus anderen erneuerbaren Quellen hergestellt werden. 

Ammoniak wird derzeit vor allem als Düngemittel in der Landwirtschaft verwendet, könnte aber in Zukunft vermehrt als klimafreundlicher Treibstoff für Schiffe oder als Speicher und Transportmittel für Wasserstoff eingesetzt werden. Wasserstoff soll künftig in Fabriken oder auch als Treibstoff im Verkehrssektor zunehmend fossile Energieträger ersetzen. Von grünem Wasserstoff oder Ammoniak wird gesprochen, wenn die Stoffe unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien produziert werden.

Lufthansa-Großaktionär Klaus-Michael Kühne will seinen Anteil von 15 Prozent nicht weiter aufstocken. Im Prinzip hätte er zwar Interesse, sagte der Logistikunternehmer der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Der neben Kühne einzige Großaktionär, die Bundesrepublik Deutschland, muss ihren Anteil von zehn Prozent spätestens im kommenden Jahr verkaufen. "Wir kämen dann auf eine Sperrminorität von 25 Prozent. Das ist politisch wohl nicht durchsetzbar", sagte Kühne.

Das Arzneimittelunternehmen Dermapharm hat im ersten Halbjahr dank einer guten Nachfrage vor allem bei den Schmerz- und Entzündungspräparaten mehr umgesetzt und auch das Ergebnis weiter gesteigert. Der Erlös zog nach vorläufigen Berechnungen im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 471 Millionen Euro an. Dabei profitierte Dermapharm weiterhin von der Impfstoffkooperation mit der Mainzer Firma BioNTech und der Übernahme der C3 Cannabinoid Compound Company. Das um Einmalkosten bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) kletterte um neun Prozent auf 149 Millionen Euro.

Mit Indien hat Apple einem Medienbericht zufolge einen alternativen Produktionsstandort zu China gefunden, wo Corona-Lockdowns die Herstellung lahmlegten. Der US-Technologiekonzern plane sein iPhone 14 in Indien zu fertigen, berichtete Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Dem Bericht zufolge hat der Apple-Zulieferer Foxconn bereits den Prozess des Versands von Artikeln aus China und der Montage des iPhone 14 in einem Werk außerhalb der südindischen Stadt Chennai untersucht.

Das deutsche Pharmaunternehmen BioNTech und sein US-Partner Pfizer haben bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eine Notfallzulassung für einen an die derzeit kursierenden Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 angepassten Corona-Impfstoff beantragt.

In den kommenden Tagen solle auch ein Antrag für die Europäische Arzneimittelbehörde EMA abgeschlossen werden, teilten die beiden Unternehmen mit. Bei entsprechenden Zulassungen könne schon im September mit der Auslieferung begonnen werden, hieß es weiter.

Die Fluggesellschaft British Airways will zwischen Oktober und März rund 10.000 Kurzstreckenflüge von und nach London Heathrow streichen. Bis Ende Oktober sollen zudem jeweils einige Dutzend Hin- und Rückflüge pro Tag - insgesamt 629 - gestrichen werden, teilte das Unternehmen mit. Auch einige Langstreckenflüge sollen entfallen. Damit soll es im Winter weniger Ausfälle und Verspätungen geben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. August 2022 um 09:00 Uhr.