Fragen und Antworten Wie geht es weiter mit Griechenland?

Stand: 01.07.2015 17:12 Uhr

Das Hilfsprogramm für Griechenland ist abgelaufen. Die fällige Rate an den IWF hat die Regierung in Athen nicht überwiesen. Ist das bereits der Bankrott? Wie geht es jetzt weiter mit Griechenland? Ein Überblick von tagesschau.de.

Ist Griechenland jetzt pleite?

Nein. Formal gilt ein Land in der Regel nur dann als bankrott, wenn die großen Ratingagenturen das so sehen und von einem Zahlungsausfall sprechen. Das geschieht aber normalerweise erst dann, wenn ein Land die Forderungen privater Gläubiger nicht mehr bedient. Das ist bei Griechenland bislang nicht der Fall. Dass Griechenland die am 30. Juni fällige Rückzahlung an den IWF nicht fristgerecht überwiesen hat, sehen die Ratingagenturen nach eigenen Angaben bislang nicht als Grund an, das Land für bankrott zu erklären. Die Regierung in Athen könnte sich übrigens selbst für bankrott erklären - etwa wenn sie auch Löhne und Gehälter nicht mehr zahlen kann.

Was unternimmt der IWF?

Die Regierung in Athen hat zwar die am 30. Juni um Mitternacht fällige Rate von rund 1,5 Milliarden Euro nicht an den Internationalen Währungsfonds (IWF) überwiesen. Der IWF erklärte aber lediglich, dass Griechenland damit in Zahlungsverzug sei. Der Währungsfonds wird das Land nun spätestens nach einem Monat als zahlungsunfähig einstufen. Allerdings prüft der IWF noch einen Antrag auf nachträgliche Fristverlängerung. Aber auch wenn der IWF von einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands spricht, ist das Land damit noch nicht automatisch pleite. Der Währungsfonds wird zunächst ein Standardverfahren einleiten, das über Monate hinweg eine Abfolge von Aufforderungen, Beschwerden und Strafen vorsieht. Das Vorgehen ist vergleichbar mit Kunden, die ihre Rechnung nicht sofort bezahlen - auch dann wird erst einmal ein Mahnverfahren eingeleitet. Durch den Zahlungsrückstand hat Griechenland aber keinen Anspruch mehr auf finanzielle Mittel des IWF.

Welche Folgen hat das Ende des Euro-Hilfsprogramms?

Ohne die Hilfskredite der Euro-Staaten dürfte Griechenland jetzt sehr schnell das Geld ausgehen. Die Euro-Gruppe lehnte eine Verlängerung des Hilfsprogramms des europäischen Rettungsfonds EFSF über den 30. Juni hinaus ab. Dadurch verfielen die verbliebenen Mittel von 12,7 Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungsprogramm der Europäer. Damit könnte der EFSF jetzt theoretisch sofort alle Hilfskredite – insgesamt rund 131 Milliarden Euro – zurückfordern. Das wird aber wohl nicht passieren.

Kann das Referendum das Ruder noch einmal herumreißen?

Das ist unklar. Im Prinzip stimmen die Griechen über einen Spar- und Reformkurs ab, der gar nicht mehr zur Debatte steht: Es geht um das letzte Angebot der Geldgeber an die Regierung Tsipras, unter welchen Bedingungen das zweiten Hilfsprogramm abgeschlossen werden könnte. Dieses Programm ist aber am 30. Juni ausgelaufen – eine nachträgliche Verlängerung ist aus rechtlichen Gründen wahrscheinlich nicht möglich. Es könnte aber die Grundlage für ein neues Hilfsprogramm sein, das nach derzeitigem Stand komplett neu verhandelt werden müsste. Für den Fall eines überwältigenden Votums zugunsten des Angebots der Geldgeber signalisierten unter anderem bereits der IWF und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich Verhandlungsbereitschaft.

Welche Folgen hätte ein "Ja" beim Referendum?

Bei einem Ja im Referendum – also einem Ja zum Spar- und Reformkurs, den die Gläubiger fordern - müsste die linksgeführte Regierung eine Lösung umsetzen, die sie zuvor abgelehnt hatte. Die Folge könnten Turbulenzen in der Koalition sein. Regierungschef Alexis Tsipras rief die Bevölkerung zu einem Nein auf und deutete andernfalls bereits einen Rücktritt an. Eine neu zu bildende Regierung müsste dann erneut Verhandlungen mit den Geldgebern aufnehmen und weitere Hilfen im Rahmen eines neuen Programms beantragen, das den Griechen weitere Einschnitte abverlangen würde. Auch Neuwahlen scheinen nicht ausgeschlossen.

Welche Folgen hätte ein "Nein" beim Referendum?

Bei einem Nein würde sich nichts am derzeitigen Verhandlungsstand ändern. Die Fronten blieben verhärtet und Griechenland dürfte bald das Geld ausgehen.

Worüber genau stimmen die Griechen ab?

Auf dem Wahlzettel für die von der griechischen Regierung geplante Volksabstimmung wird ohne weitere Erläuterung auf das Angebot der Geldgeber verwiesen. Die Frage lautet: "Muss der Entwurf einer Vereinbarung von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds akzeptiert werden, der am 25.06.2015 eingereicht wurde und aus zwei Teilen besteht, die in einem einzigen Vorschlag zusammengefasst sind?" Es gibt zwei mögliche Antworten: Nein und Ja.

Der erste der beiden angesprochenen Teile ist das Dokument namens "Reforms for the Completion of the Current Program and Beyond", und das zweite heißt "Preliminary Debt Sustainability Analysis".

Was passiert mit den Bankenhilfen der EZB?

Seit Monaten können sich die griechischen Banken allein durch die ELA-Notkredite des europäischen Zentralbankensystems mit frischem Geld versorgen. Die EZB erhöhte die Obergrenze dieser Notkredite bis zum 26. Juni auf rund 89 Milliarden Euro. Nach der Ankündigung des Referendums beschloss die EZB, die ELA-Kredite an griechische Geldhäuser weiterhin zu gewähren, aber nicht mehr zu erhöhen. Die griechische Regierung ordnete daraufhin an, dass die Filialen für mehrere Tage geschlossen bleiben – Ausnahmen gibt es seit dem 1. Juli nur für die Auszahlung von Renten. Zu den ebenfalls verhängten Kapitalverkehrskontrollen zählt die Beschränkung, dass Griechen nur noch 60 Euro pro Tag am Geldautomaten abheben dürfen. Dennoch verschärfte sich die Lage der griechischen Banken in den vergangenen Tagen. Die EZB bestätigte am 1. Juli die weitere Gewährung der ELA-Notkredite, allerdings in unveränderter Höhe. Ohne Unterstützung der Zentralbank droht den griechischen Banken in Kürze das Geld auszugehen.

Was passiert, wenn griechische Banken kein Geld mehr haben?

Wenn die griechischen Banken kein Geld mehr haben, können sie Unternehmen keine Kredite für Investitionen gewähren. Die Wirtschaft in Griechenland stünde also mit einem Schlag still. Ein denkbarer Ausweg aus dieser Situation wäre die Einführung einer Parallelwährung zum Euro. Dies ist allerdings rechtlich nicht zulässig ist, so lange Griechenland formal noch zur Eurozone gehört. Für den Übergang bietet sich die Ausgabe von Schuldscheinen an, durch die ein Mindestmaß an Handel aufrecht erhalten werden könnte. Auch die Löhne und Pensionen für Beamte und Rentner könnten übergangsweise mit Schuldscheinen bezahlt werden. Ob sie auch als Parallelwährung gelten und somit unzulässig wären, ist umstritten.

Was schuldet Griechenland Deutschland?

Griechenland schuldet Deutschland nach Expertenmeinung aktuell zwischen 80 und 90 Milliarden Euro. Diese Summe setzt sich demnach aus folgenden Posten zusammen:

  • 15,2 Milliarden Euro aus dem ersten Rettungspaket (direkte Kredite Deutschlands, über die KfW-Bankengruppe abgewickelt);
  • 38 Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungspaket (deutscher Anteil an den Bürgschaften für die vom EFSF ausbezahlten 130,9 Milliarden Euro)
  • ca. 5,1 Milliarden Euro für den Ankauf von griechischen Staatsanleihen durch die EZB (deutscher Anteil gemäß EZB-Kapitalschlüssel - Ende 2014 hatte die EZB griechische Anleihen im Wert von 19,8 Milliarden Euro in ihrem Bestand);
  • ca. 22,9 Milliarden Euro für die Notkredite der EZB (deutscher Anteil gemäß EZB-Kapitalschlüssel - Anfang Juli lag die Notkreditobergrenze der EZB für Griechenland bei 89 Milliarden Euro).

Ist dieses Geld im Falle einer Staatspleite vollständig weg?

Nein, das Geld wäre nicht automatisch verloren. Zunächst einmal gilt: Geht Griechenland bankrott, wird es Konkursverhandlungen geben, in denen ausgelotet wird, wie viel Geld noch an die Gläubiger zurückgezahlt werden kann. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Rückzahlung der Kredite aus den Rettungspaketen laut Vertrag erst in fünf beziehungsweise acht Jahren beginnen soll. Wenn die Gläubiger nicht auf eine vorzeitige Rückzahlung bestehen - was durch den Zahlungsrückstand Griechenlands beim IWF möglich wäre - könnte das die Situation entspannen.

Dennoch gibt es einige Gelder, die als besonders gefährdet gelten. So rechnen Experten damit, dass Deutschland im Falle einer Staatspleite Griechenlands die 15,2 Milliarden aus dem ersten Rettungspaket nicht mehr wiedersehen wird. Denn diese Summe wurde von Deutschland als Direktkredit an Griechenland überwiesen. Anders sieht es bei den Milliarden aus dem zweiten Rettungspaket aus. Hier bürgt Deutschland nur für 38,5 Milliarden Euro der Gesamtsumme. Experten sehen hier eine Chance, zumindest einen Teil des Geldes zu retten.

Die Milliarden, die von der EZB in griechische Staatsanleihen gesteckt wurden, wären im Falle einer Staatspleite höchstwahrscheinlich verloren, weil Griechenland diese nicht mehr bedienen könnte. Anteilig müsste Deutschland diese Verluste auffangen.

Höchst unwahrscheinlich ist auch die Rückzahlung der ELA-Notkredite. Denn für diese Kredite haftet die Euro-Notenbank und damit auch der Steuerzahler. Erschwerend kommt hinzu, dass das Geld, das über die ELA-Kredite nach Griechenland geflossen ist, größtenteils von den Griechen abgehoben wurde. Das Geld liegt nun bei den Menschen zu Hause oder im Ausland. Auf dieses Geld gibt es also de facto keinen Zugriff mehr.

Führt eine Staatspleite automatisch zum "Grexit"?

Nein. Egal, wie es um die griechischen Finanzen steht: Das Land kann nicht zum Grexit, also dem Ausscheiden aus der Eurozone gezwungen werden. Das sehen die Verträge schlicht nicht vor. Eine Änderung der Verträge wäre zwar möglich, müsste aber von allen Mitgliedsländern beschlossen werden, also auch von Griechenland. Der Druck auf die Regierung in Athen könnte im Fall der Zahlungsunfähigkeit aber letztlich so groß werden, dass das Land selbst entscheidet, die Währungsunion faktisch zu verlassen, indem es eine andere Währung oder eine Parallelwährung einführt.