Die deutsche Haltung in der Euro-Krise Eine Kanzlerin auf Zickzackkurs

Stand: 21.07.2011 08:23 Uhr

Die Euro-Krise kommt teuer. Auf der einen Seite werden milliardenschwere Rettungspakete für Griechenland geschnürt. Auf der anderen Seite wächst die Unzufriedenheit in Parlament und Bevölkerung über die widersprüchlichen Politik der Bundesregierung. Das kostet politisches Kapital.

Von Jens Borchers, HR, ARD-Hauptstadtstudio Berlin

März 2010: Griechenland wankt schon am Abgrund, als Bundeskanzlerin Angela Merkel jedwede deutsche Beteiligung an einem Rettungspaket für das hochverschuldete Land ablehnt. Griechenland habe nicht um finanzielle Hilfe gebeten, so die Kanzlerin. Die Stabilität des Euro-Raumes am heutigen Tag sei gegeben. Die Frage nach einem Rettungspaket stelle sich absolut nicht. Auch drei Wochen später insistiert Merkel: "Die beste Lösung für den Euro ist, wenn Griechenland seine Probleme alleine löst, mit der politischen Unterstützung der europäischen Staats- und Regierungschefs."

Schäuble verspricht ein gutes Geschäft

Wiederum drei Tage später reicht die ausschließlich "politische" Unterstützung nicht mehr. Und bald darauf muss Merkel genau das tun, was sie anfangs partout nicht tun wollte. Deutschland gibt – wie der Rest der EU auch – Kredite für das Not leidende Griechenland. Finanzminister Wolfgang Schäuble meint da noch, dass könne am Ende doch ein gutes Geschäft werden: "Worüber wir jetzt reden, sind ja Kredite, die die KfW Griechenland gegebenfalls zur Verfügung stellt. Zu einem zu einem Zins, der sehr viel höher liegt als der Zins, zu dem sich die KfW refinanziert. Und zum anderen: Wenn wir das erfolgreich machen, wird es ja auch gelingen."

Die Worte des deutschen Finanzministers von Ende April 2010 überholen sich schnell. Vier Wochen später beschließt die Europäische Union ein 120-Milliarden-Euro-Notprogramm. Die These vom guten Geschäft taucht nicht mehr auf.

Der Deutsche Bundestag, das Parlament, muss all dem ziemlich ohnmächtig zusehen. Mal ruft die Kanzlerin, mal der Finanzminister aus, wie schlimm die Lage sei. Und wie "alternativlos" ihre Lösungsvorschläge sind. Die Abgeordneten murren und meckern, manche bocken und stöhnen. Aber sie sagen "Ja" zum ersten Hilfspaket. Sie stimmen zu, weil der Finanzminister die privaten Banken drängt, auch etwas zu tun. Schließlich kann Schäuble verkünden, dass die Politik in der Erfüllung einer schwierigen Aufgabe von den Vertretern der Finanzwirtschaft nicht allein gelassen werde. "Vielen Dank!", fügt Wolfgang Schäuble hinzu. Wie viel private Gläubiger zum Rettungspaket beitragen, bleibt im Dunkeln.

Der Euro hat kein Problem?!?

Längst hat der Wirbel um den Euro, die Schulden und die sinkende Kreditwürdigkeit Griechenlands andere Staaten erfasst. Irland, Portugal. Neue Rettungsschirme müssen finanziert, neue Finanzzusagen gemacht werden. Ein zweites Hilfspaket für Griechenland wird notwendig. Die Bundestagsabgeordneten sollen ihren Wählern erklären, dass die Griechen zwar brutal sparen, Deutschland aber dennoch zusätzliche Kredite geben müsse. Dann werde es besser. Die Bundeskanzlerin vertritt noch im Sommerinterview des Berichts aus Berlin die Ansicht, der Euro an sich habe gar kein Problem: "Der Euro hat ja keine Krise als Währung, sondern wir haben eine Schulden-Krise in einigen Mitgliedsstaaten."

Der "Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung gesamtwirtschaftlicher Fragen", besser bekannt als die "fünf Wirtschaftsweisen", sieht das anders und schreibt drei Tage nach dieser Kanzlerinnen-Äußerung das Folgende: "Was als Schuldenkrise einzelner Länder begann, hat sich zu einer ernsthaften Bedrohung der Stabilität des gesamten Währungsraums ausgewachsen." Und deshalb müsse jetzt ein "Plan B" her. Eine weiche Umschuldung. Die wollte Merkel bisher nie. Ihr Finanzminister schon. Die Bundesregierung ist eben auch nicht immer ihrer Meinung.