EU-Gipfel in Brüssel Solidarität, Stabilität und Streit um Euro-Bonds

Stand: 16.12.2010 13:30 Uhr

Deutschland gegen Luxemburg - das war vor dem heutigen EU-Gipfel einer der Konflikte. Streitthema ist die Einführung von Euro-Bonds. Doch vor Beginn des Treffens setzten beide Seiten auf solidarische Töne. Denn im Ziel, der Stabilisierung der Eurozone, sind sich alle einig.

Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel

Kurz vor dem Gipfel überwiegen die versöhnlichen Töne. Grundsätzlich gebe es gar keinen Konflikt zwischen ihm und Bundeskanzlerin Angela Merkel, so der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker. Er setzt sich massiv für die sogenannten Euro-Bonds ein. Die Kanzlerin ist bisher strikt gegen gemeinsame Staatsanleihen in der Eurozone.

Aber die gemeinsame Richtung sei klar, sagte Juncker am Morgen der ARD. In dieser Frage gebe es "gar keinen Dissens zwischen den Mitgliedsstaaten der Eurozone oder zwischen Frau Merkel und mir". Er sei sehr dafür, in Europa und in der Eurozone "Solidität mit Solidarität in Einklang zu bringen".

Vorbereitung für neuen Krisenmechanismus

Erreichen will das die EU durch einen langfristigen Krisenfonds, den die Regierungschefs auf ihrem Gipfel absegnen wollen. Auf die Hilfen sollen Euroländer in Finanznot zurückgreifen können - auch nach 2013, wenn der jetzt geltende Rettungsschirm endet. Solidarität in der Eurozone ist auch für Merkel ein hohes Gut, machte sie in ihrer gestrigen Regierungserklärung deutlich. "Niemand in Europa wird fallen gelassen", betonte sie. "Europa gelingt gemeinsam und ich füge hinzu, Europa gelingt nur gemeinsam."

Andererseits pocht die Bundesregierung darauf, dass die Hilfen nur dann fließen, wenn gar nichts mehr geht. Und nur unter harten Sparauflagen. Außerdem haben die Deutschen durchgesetzt, dass der Vertrag von Lissabon ergänzt wird. "Die Gewährung finanzieller Hilfe unter dem Mechanismus unterliegt strikter Konditionalität", soll es laut Entwurf der Gipfelerklärung im entsprechenden Artikel heißen.

Politik der Mitgliedsstaaten wird stärker überwacht

Brüssel soll künftig schärfer überwachen, dass die Stabilitätsregeln der Währung eingehalten werden. Und die Mitgliedsstaaten müssten ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik besser koordinieren. Dafür seien Euro-Bonds aber nicht notwendig, meint die Kanzlerin. Es sei wichtig, über weitere politische Integration zu sprechen. Aber sie warnte vor dem Fehler der "Vergemeinschaftung der Risiken, wie es bei Euro-Bonds zum Beispiel geschieht". Das sei keine Lösung.

Laut Bundesregierung würden Euro-Bonds eine höhere Belastung für den Bundeshaushalt bedeuten, weil die Deutschen dann auch für die Schulden der anderen Euroländer mithaften würden. Die Befürworter bestreiten das. Schließlich könnten die Staaten nur einen bestimmten Anteil ihrer Staatsschulden über Euro-Bonds finanzieren. Für den Rest müssten sie entsprechend höhere Zinsen zahlen. Und das bedeute, so Eurogruppenchef Juncker. "Der Vorschlag Euro-Bonds ist kein Freibrief für Benehmen, das nicht im Einklang stünde mit den Regeln des Stabilitätspaktes."

"Euro in einer Systemkrise"

Der Euro stecke in einer Systemkrise, argumentiert der luxemburgische Ministerpräsident. Deswegen müsse auch ein neues System her, das die Spekulationen stoppt. Euro-Bonds, so die Idee, seien besser, als den Euro-Rettungsschirm ständig auszuweiten.

Auf dem EU-Gipfel sind Euro-Bonds aber kein offizielles Thema. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sieht im Moment keine Chance, gemeinsame Staatsanleihen in die Tat umzusetzen - auch wenn sie im Prinzip eine gute Sache seien. "Wir befinden uns in einer Krisensituation", sagte er. "Wir haben bereits finanzielle Mechanismen, um die Krise zu bewältigen, wie den Eurorettungsfonds. Diese sind noch lange nicht ausgeschöpft, sie können verbessert und angepasst werden - viel schneller als jede andere Alternative."

In der Runde der Staats- und Regierungschefs gibt es Stimmen, den 750-Milliarden-Euro-Schirm schon jetzt zu vergrößern. Irland ist der erste Euro-Staat, der Kredite in Anspruch genommen hat. Portugal gilt als nächster Kandidat. Aber wenn auch große Länder wie Spanien oder Italien Hilfe brauchen sollten, könnte der Rettungsfonds rasch am Limit sein, fürchten vor allem die Länder, die unter dem Beschuss der Finanzmärkte stehen.