Eine alte Kupfermine steht an der Küste von Cornwall in der Abendsonne.
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Begehrte Rohstoffe Cornwalls Bergbau erlebt Comeback

Stand: 15.10.2023 05:13 Uhr

Kritische Mineralien sind heute gefragter denn je. Ausgerechnet im beschaulichen Rosamunde-Pilcher-Land Cornwall gibt es große Vorkommen. Auch die britische Regierung hat Interesse am Revival der Minen.

Von Valerie Krall, ARD-Studio London

50 Meter unter der Erde untersucht Richard Williams einen alten Minenschacht. Er will herausfinden, wie viel Zinn im Gestein steckt. Mehr als vierhundert Jahre lang wurde im Bergwerk South Crofty in Cornwall Zinn gefördert. Die Mine war das Herzstück der lokalen Wirtschaft. Ende der 1990er-Jahre aber war Schluss, weil sich die Produktion finanziell nicht mehr lohnte. Geschäftsführer Williams will das Bergwerk jetzt wiederbeleben. Es wäre die einzige aktive Zinnmine in Europa.

South Crofty ist kein Einzelfall. Die Minenindustrie in Cornwall, vor Jahrzehnten in Vergessenheit geraten, ist heute wieder relevant. Ob bei der Produktion von Solarpanelen und E-Auto-Batterien oder dem Bau von Geothermie-Kraftwerken: Überall werden sogenannte kritische Mineralien und seltene Erden gebraucht. Cornwalls Geologie ist reich an solchen Rohstoffen.

Abbau von seltenen Erden - Minen in Cornwall

Valerie Krall, ARD London, Europamagazin, 08.10.2023 12:45 Uhr

Umdenken wegen neuer Konflikte

Aber es geht auch um Geopolitik: Die britische Regierung will mit der Reaktivierung des eigenen Bergbaus unabhängig von Ländern wie China werden. "Der Fokus liegt heute mehr auf Versorgungssicherheit und heimischer Produktion", sagt Williams. Vor allem die Invasion Russlands in der Ukraine und Spannungen zwischen China und Taiwan hätten zu diesem Umdenken geführt. Er plant, die alte Zinnmine in drei Jahren wiederzueröffnen und etwa 5.000 Tonnen Zinn pro Jahr zu fördern. Das könne fast den gesamten Bedarf Großbritanniens abdecken, so Williams.

Sendungsbild

Richard Williams, Chef des Bergbau-Unternehmens Cornish Metals.

Ähnliche Ambitionen hat Andrew Smith, aber ihm geht es um einen anderen Rohstoff: Lithium. Er ist elementar für den Bau von Batterien in Elektroautos. In Cornwall wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Vorkommen entdeckt. Auf der Testanlage von British Lithium in Saint Austell holt ein Diamantbohrer Granit-Stangen aus 700 Metern Tiefe, die das "weiße Gold" enthalten. Laut Smith ein treffender Name, denn der Ansturm auf Lithium sei wie der "neue Goldrausch".

Bis zur massenhaften Förderung ist es zwar noch ein weiter Weg; zurzeit plant British Lithium 2028 in Produktion zu gehen. Die Lithium-Vorkommen sind laut Smith aber von ausgezeichneter Qualität - und so groß, dass die Firma bis zu einem Drittel des britischen Marktes bedienen können wird. "Wenn wir einen produktiven E-Mobilität-Markt in Großbritannien haben wollen, müssen wir selbst für die Hauptzutaten sorgen", sagt er.

Britische Regierung gibt Richtung vor

Das sieht auch die britische Regierung so. Im Sommer 2022 hat Großbritannien eine "Critical Minerals Strategy" vorgelegt, mit der die heimische Förderung gestärkt und Lieferketten diversifiziert werden sollen. "Wir müssen den Zugang zu wichtigen Mineralien sicherstellen, auch um zu garantieren, dass unser Produktionssektor läuft", sagt Nusrat Ghani, Staatssekretärin für Handel und Industrie.

Viele der Projekte in Cornwall heißen die Initiative zwar willkommen, wünschen sich aber mehr konkrete Maßnahmen seitens der Regierung. Trotzdem habe allein die Veröffentlichung der Strategie zu deutlich mehr Interesse von Investoren an Cornwall gesorgt, sagt Frances Wall, Professorin von der Camborne School of Mine in Exeter. "Es war bis jetzt sehr einfach, sich auf ein paar wenige Minen in ein paar wenigen Ländern zu verlassen", sagt sie. Diese Abhängigkeit aber berge das Risiko, dass auf einen Schlag die Lieferketten unterbrochen werden könnten.

Lücken in der komplexen Lieferkette

Komplexe Lieferketten sind der wunde Punkt des Plans zu mehr Unabhängigkeit. Denn selbst wenn die Bergbauprojekte in den nächsten Jahren erfolgreich an den Start gehen werden, ist das erst der Anfang. Um Metalle wie Zinn und Lithium in Fabriken einzusetzen, müssen beide Stoffe noch weiterverarbeitet werden. Dieser Zwischenschritt kann bis jetzt noch nicht in Großbritannien stattfinden. Richard Williams plant, sein Zinn an Schmelzhütten in Südostasien zu schicken, Andrew Smith wir das Lithiumkarbonat voraussichtlich nach Europa exportieren, damit es dort in Kathodenaktivmaterial umgewandelt wird.

Und auch der hintere Teil der Lieferkette ist längst noch nicht gesichert. E-Auto-Batterien werden größtenteils in Asien gefertigt. In Großbritannien ist zurzeit immerhin eine große Akku-Fabrik in Planung. Der Mutterkonzern des Autobauers Jaguar Land Rover will ab 2026 in Somerset produzieren. Zinn, in der Form von Lötzinn, erreicht Konsumenten in Großbritannien meist erst im Endprodukt, wie zum Beispiel in einem Smartphone, das im Ausland gefertigt wird.

"Die Begeisterung wächst"

"Wir werden wohl nie komplett unabhängig sein", sagt die Bergbau-Expertin Wall. "Aber bei der Förderung von eigenen Rohstoffen können wir uns trotzdem verbessern." Neben der Geopolitik seien auch die Kontrolle über Arbeitsbedingungen und Umweltfaktoren wichtige Argumente für die heimische Produktion.

Die Abhängigkeit von anderen Ländern wird Großbritannien wohl nicht so schnell loswerden. Bei den Bergbau-Projektleitern in Cornwall überwiegt aber der Ausblick auf lukrative Mineral-Förderung und entsprechende Erträge. "Die Begeisterung wächst stetig", sagt Williams, und das nicht nur bei seinen Kollegen. Auch den Menschen in Cornwall würde es viel bedeuten, die alten Minen schon bald wieder in Betrieb zu sehen.

Karte: Cornwall und Sommerset

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Europamagazin der ARD am 08. Oktober 2023 um 12:45 Uhr.