Achtung, Kalendereffekt! Warum die Aktienrenditen plötzlich so hoch sind
Wer sich aktuell die Renditen von Aktien, Indizes, Fonds oder ETFs anschaut, kommt aus dem Staunen nicht mehr raus: Die Zehn-Jahres-Renditen sind erstaunlich hoch. Anleger sollten sich davon besser nicht in die Irre führen lassen.
Lege langfristig an und schenke dem täglichen Auf und Ab an der Börse keine Beachtung. Das ist der Standard-Ratschlag an junge ebenso wie an erfahrene Anleger. Dabei handelt es sich bei Buy-and-Hold um eine Strategie mit großen Verdiensten, hat sie doch über die vergangenen Jahre hinweg den Anlegern beständig hohe Renditen beschert.
Wenn Buy-and-Hold zur Religion wird
In den USA hat die beschaulich schöne Entwicklung der Aktienindizes sogar eine ganze Welle von Frührentnern losgetreten: 30- oder 40-Jährige, die dank emsigen Sparens und der hervorragenden Entwicklung ihres – häufig mit ETFs auf den Dow Jones Industrial, S&P 500 oder den MSCI World bestückten – Portfolios ihren Job kündigen und ihre Freizeit in vollen Zügen genießen konnten.
Nicht zuletzt diese FIRE-Bewegung (Financial Independence, Retiring Early) hat den Glauben an die Buy-and-Hold-Strategie quasi zur Religion erhoben. Es ist aber auch zu verführerisch: Lege Dein Geld an, schenke ihm dann keine Beachtung mehr und Du endest als reicher Mann/reiche Frau.
Verdreifachung in zehn Jahren
Wer sich aktuell die Renditen von Aktien-Investments vor Augen führt, wie sie auch in Wertpapierprospekten und von Anlageberatern gerne zitiert werden, dürfte sich in dieser Lesart bestätigt sehen.
So konnten Anleger mit einem Investment in den US-Leitindex Dow Jones Industrial Average in den vergangenen fünf Jahren eine Rendite von 55 Prozent einfahren. In der Zehn-Jahres-Perspektive waren es bereits 210 Prozent. Das ursprüngliche Investment hatte sich damit mehr als verdreifacht.
Mit oder ohne Bärenmarkt – das ist die Frage
Doch hinter der tollen Zehn-Jahres-Rendite steckt ein kleiner, aber feiner Kalendereffekt, den Anleger besser kennen sollten. So finden in der aktuellen Zehn-Jahres-Rendite die massiven Kurseinbrüche nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA keinerlei Berücksichtigung mehr. Am 6. März 2009 markierte der Dow Jones sein Finanzkrisen-Tief.
Die Wahl des Zeitraums ist damit entscheidend! Zum Vergleich: In den zehn Jahren vom 21. Mai 1997 bis 21. Mai 2007 betrug die Dow-Jones-Rendite gerade einmal 55 Prozent. Und zwischen dem 21. Mai 1999 und 21. Mai 2009 belief sich die 10-Jahres-Rendite sogar auf minus 23 Prozent!
Denn dieser Zeitraum beinhaltet gleich zwei Bärenmärkte: erstens den Bärenmarkt nach dem Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des neuen Jahrtausends, zweitens den im Zuge der Finanzkrise Ende 2007 bis Anfang 2009.
Zehn Jahre sind einfach zu wenig
Anleger sind somit gut beraten, ihre Perspektive über den üblichen Zehn-Jahres-Zeitraum hinaus zu öffnen und mindestens 20 bis 30 Jahre zu betrachten. Das gilt vor allem für Anleger, die ihr Geld in Einzelaktien oder Fonds stecken möchten: Denn nur, wenn man auch schwierige Zeiten in die Betrachtung mit einbezieht, zeigt sich, wie krisensicher ein Investment tatsächlich ist.
Aber auch für ETF-Anleger lohnt es sich, über den Zehn-Jahres-Tellerrand hinauszuschauen. So kletterte etwa der Dow Jones in den vergangenen 20 Jahren um 134 Prozent. Eine Verdopplung binnen 20 Jahren - das scheint näher dran zu sein an dem, was Anleger vielleicht auch künftig erwarten können, als die extraordinären Renditen des extraordinären Bullenmarktes der vergangenen zehn Jahre.