Eine Frau geht mit einem Schirm an der Bank of England vorbei

Britische Notenbank Zinsanhebung nur bei sanftem Brexit

Stand: 20.06.2019 17:14 Uhr

Die Bank of England schien zuletzt entschlossen, in den kommenden Monaten den Leitzins weiter zu erhöhen. Das scheint sich nun zu ändern. Die Notenbank hält die Zinsen konstant und kündigt eine Straffung ausdrücklich nur bei einem sanften Brexit an. Wie geht es weiter, wenn Boris Johnson das Ruder übernimmt?

Die wichtigen Notenbanken dieser Welt bleiben locker: Die Fed bereitet die Märkte auf eine Zinssenkung vor, und EZB-Präsident Mario Draghi hat am vergangenen Dienstag weiteren geldpolitischen Anschub in Aussicht gestellt, sollte die Inflation nicht anziehen.

Die Schweizer Nationalbank hält am expansiven geldpolitischen Kurs fest, und Japan bleibt ebenfalls bei der extrem lockeren Zinspolitik. Nur in England schien die Tendenz in die andere Richtung zu zeigen - trotz der drohenden Brexit-Gefahren. Zuletzt gab es einige Signale, die darauf hindeuteten, dass die Bank of England die Zinsen noch in diesem Jahr erhöhen werde. Denn die ökonomischen Daten sehen komfortabel aus.

Die Wirtschaftsdaten böten Spielraum für Zinssteigerungen

Der Arbeitsmarkt brummt, die Arbeitslosenrate liegt bei nur 3,8 Prozent, die Beschäftigungsrate beträgt 76,1 Prozent – ein Rekord. Im April kletterten die Löhne im Jahresvergleich um 3,4 Prozent. Die aktuelle Inflationsrate liegt bei 2,0 Prozent und damit exakt im Zielbereich der Notenbanker. Aber der Druck vom Lohnsektor könnte sich natürlich auf die Verbraucherpreise auswirken.   

Unlängst hatte der Vizechef der Bank of England, Ben Broadbent, daran erinnert, dass die Notenbank ihre Absicht, die Zinsen zu heben, nicht geändert habe. Sie könnten schneller steigen als es die Märkte erwarten, so Broadbent. Und Notenbankchef Mark Carney hatte klargestellt, dass Investoren falsch liegen, die nur mit einer Zinserhöhung in den kommenden drei Jahren rechnen.

Leitzins bleibt unverändert

Am Donnerstag hat die Bank of England (BoE) den Leitzins unverändert auf 0,75 Prozent belassen. In ihrer Stellungnahme zum Zinsentscheid teilten die Notenbanker mit, dass sich der globale Konjunkturausblick wegen der Handelskonflikte eingetrübt habe. Die Abwärtsrisiken für das Wachstum auf der Insel hätten sich vergrößert. Deshalb schließt die BoE Zinserhöhungen zwar erneut nicht aus. Aber sie unterstreicht, dass eine schrittweise und begrenzte Straffung der Zinspolitik nur dann nötig werde, wenn der Brexit reibungslos verlaufe.

Wiederholt hatten die Notenbanker vor den Folgen eines ungeregelten Brexits gewarnt. Carney hatte bereits 2018 gesagt, dass ein No-Deal-Brexit so katastrophal wie die Finanzkrise 2008 sein könne. Nach Ansicht von Dave Ramsden, stellvertretender Chef der Bank of England sei es selbst bei einem reibungslosen Brexit unwahrscheinlich, dass die Unsicherheit der Unternehmen ausgeräumt werde.

Dadurch dürften laut Ramsden die Investitionen weniger zunehmen als von der Notenbank bislang angenommen. Das wiederum dämpfe kurzfristig das Wachstum und auf längere Sicht die Produktionskapazitäten der Wirtschaft. Die Frage ist nun, wie wahrscheinlich ein sanfter Brexit ist.

Was will Johnson?

Deshalb konzentrieren sich die Akteure auf den Finanzmärkten weiterhin auf das Brexit-Thema und beobachten mit großer Aufmerksamkeit die politische Entwicklung. Und nach allem was man bis dato weiß, sieht es danach aus, als habe Boris Johnson die besten Chancen, künftig konservativer Parteichef und Premierminister zu werden.     

Und Johnson will das Brexit-Abkommen nachverhandeln. Die EU lehnt das ab. Einziger Ausweg, um den Austritt trotzdem rechtzeitig zu vollziehen, wäre der "No-Deal-Brexit", auf den viele Johnson-Unterstützer trotz der wahrscheinlichen ökonomischen Härten hoffen. Bei einer TV-Debatte der BBC ließ Johnson zuletzt jedoch Zweifel daran aufkommen, ob er es ernst meint mit dem No-Deal. Auf die Frage, ob er einen Austritt am 31. Oktober garantieren könne, antwortete er ausweichend.

Notenbank-Chef Carney ist - was die Zukunft betrifft - wesentlich direkter: Der Brexit sei stressig, erklärte er. Er habe "absolut" nicht vor, seine Amtszeit als Zentralbankchef über Januar 2020 hinaus zu verlängern.

ts

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. Juni 2019 um 05:07 Uhr.