Handelskonzern Arcandor vor der Insolvenz Mahnwachen sollen staatliche Gelder lockern

Stand: 06.06.2009 22:41 Uhr

Mit Mahnwachen wollen Karstadt-Mitarbeiter heute für Staatshilfen für den Arcandor-Konzern werben. Ohne Zusage des Staates müsse man am Montag Insolvenz anmelden, sagte Arcandor-Sprecher Koslowski der ARD. Eine Fusion von Karstadt und Kaufhof ist zudem Thema eines Spitzentreffens.

Die Angst bei den Beschäftigen des Arcandor-Unternehmens Karstadt ist groß: Beinahe täglich wurden zuletzt schlechte Nachrichten aus dem Mutterkonzern bekannt. Arcandor-Sprecher Koslowski sagte in der ARD: "Wenn wir keine alternative Finanzierung und Zusage des Staates erhalten, dann müssen wir noch am Montag die Insolvenz anmelden."

Karstadt-Mitarbeiter wollen heute mit Mahnwachen und anderen Aktionen auf die dramatische finanzielle Lage ihres Arbeitgebers aufmerksam machen. An allen Standorten sind Aktionen geplant.

Konzernchefs beraten über "Warenhaus AG"

Auch auf Chefebene sollen heute die Bemühungen um einen Ausweg aus der Krise weitergehen. Die Chefs der Handelskonzerne Arcandor und Metro wollen Berichten zufolge zusammenkommen, um erneut über eine Fusion der Kaufhausketten Karstadt und Kaufhof zu beraten. Ziel ist eine gemeinsame "Warenhaus AG".

Teilnehmer des Treffens sind nach übereinstimmenden Informationen von Nachrichtenagenturen Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick und Metro-Chef Eckhard Cordes, Arcandor-Aufsichtsratschef Friedrich Carl Janssen sowie der Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs, Alexander Dibelius, für die Fragen der Immobilien. Metro hatte sein Angebot für Karstadt bereits in der vergangenen Woche präzisiert und sich bereit erklärt, 60 von 90 Filialen zu übernehmen.

Mietzahlungen für Karstadtfilialen eingestellt

Wie gestern bekannt wurde, ist die Lage des Handels- und Reiseunternehmens Arcandor dramatischer als zuvor angenommen. "Bild am Sonntag" und die "Süddeutsche Zeitung" hatten übereinstimmend berichtet, dass Karstadt die Zahlungen an seine Vermietungsgesellschaft Highstreet zumindest vorläufig eingestellt hat.

Dies hätten Arcandor-Vorstandschef Eick und Vertreter von Highstreet bei einem Spitzentreffen über die Zukunft von Karstadt im Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilt. Highstreet habe deshalb juristische Schritte gegen Karstadt angekündigt, berichtete die "Bild am Sonntag". Eick habe dargelegt, dass nun ein 30-tägiges Mahnverfahren einsetze, an dessen Ende die Vermieter berechtigt seien, einzelne Karstadt-Filialen zu verkaufen, um ihre Ansprüche zu befriedigen.

Eigentümer ist Immobiliengesellschaft

Seit dem Verkauf seiner Warenhäuser vor zwei Jahren ist der Karstadt-Mutterkonzern an allen seinen Standorten nur noch Mieter. Eigentümer nahezu sämtlicher Häuser ist seit zwei Jahren die Immobiliengesellschaft Highstreet.

Die Mietverträge haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Die Mietzahlungen summieren sich auf 280 Millionen Euro. Zudem zahlt Arcandor in jedem Jahr 42,6 Millionen Euro Miete für fünf Standorte, die Eigentum eines vom Bankhaus Sal. Oppenheim aufgelegten Fonds sind.

Merkel weiter gegen Staatshilfen für Arcandor

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich unterdessen erneut gegen staatliche Hilfen für den Arcandor-Konzern aus: "Wir können nicht zulassen, das der Steuerzahler dafür eintritt, dass andere eine Misswirtschaft betrieben haben, zweifelhafte Mietverträge abgeschlossen haben und heute nicht für diesen Schaden eintreten wollen. Das kann nicht Aufgabe des Staates sein", sagte Merkel bei einem Wahlkampfauftritt zur Europawahl. Für eine Lösung der Krise seien zuerst die Haupteigentümer des Unternehmens gefragt: die Familie Schickedanz und die Privatbank Sal. Oppenheim. Beide zusammen halten etwa 60 Prozent der Anteile.

Neben einer geforderten Bürgschaft in Höhe von 650 Millionen Euro hatte Arcandor noch am Freitag bei der Bundesregierung eine Rettungsbeihilfe in Höhe von 437 Millionen Euro beantragt. Der Kredit solle eine Laufzeit über sechs Monate haben, teilte das Unternehmen mit. Dies verschaffe Arcandor für diesen Zeitraum die für den Geschäftsbetrieb erforderliche Liquidität.

Eine Rettungsbeihilfe muss von der EU-Kommission genehmigt werden und ist an strenge Auflagen geknüpft. Arcandor hatte bereits einen Antrag auf eine Sonder-Bürgschaft aus dem Deutschlandfonds gestellt. In der Bundesregierung gibt es aber große Zweifel, ob die Bedingungen dafür erfüllt sind. Auch die EU betonte, der Konzern sei bereits vor dem 1. Juli 2008 in Schwierigkeiten gewesen - und nur Unternehmen, die nach diesem Stichtag Probleme bekamen, gelten als Opfer der Wirtschaftskrise. Und das ist Voraussetzung für Hilfen aus dem Deutschlandsfonds.