Menschen demonstrieren vor dem Beginn der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst.
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Öffentlicher Dienst Worum in den Tarifverhandlungen gestritten wird

Stand: 26.10.2023 12:20 Uhr

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder beginnen. Was fordern die Gewerkschaften? Was sind die Positionen der Länder? Und sind Warnstreiks zu erwarten?

Für wen wird verhandelt?

Für die Tarifbeschäftigten der Länder, laut Gewerkschaft ver.di 1,2 Millionen Menschen. Rechnet man die Beamtinnen und Beamten dazu, auf die ein Abschluss üblicherweise übertragen wird, kommt man auf mehr als drei Millionen Betroffene. Verhandelt wird etwa für Lehrkräfte an Schulen, Lehrende an Hochschulen oder Pflegerinnen und Pfleger. Strafvollzug und Justizwesen sind genauso betroffen wie die Kitas in Berlin. Hessen ist außen vor, da das Land nicht in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ist, mit der ver.di und der Beamtenbund dbb am Tisch sitzen.

Tarifrunden für die Beschäftigten der Länder beginnen

A. Kartschall, M. Küper, RBB, tagesschau, 26.10.2023 12:00 Uhr

Was fordern die Gewerkschaften?

Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr. Nachwuchskräfte sollen 200 Euro mehr erhalten. Die Tariflaufzeit soll zwölf Monate betragen. Für Berlin, Hamburg und Bremen verlangen die Gewerkschaften eine Stadtstaatenzulage von 300 Euro. Bereits in die jüngste Tarifrunde für Bund und Kommunen waren die Gewerkschaften mit der Forderung von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr gezogen.

Die Gewerkschaften begründen ihre Forderungen mit der hohen Inflation. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke sagte, der Nachholbedarf sei "riesig". Die "Belastungsgrenze" sieht er in vielen öffentlichen Einrichtungen überschritten. 300.000 Stellen seien im gesamten öffentlichen Dienst unbesetzt, die Landesbeschäftigten bildeten das Schlusslicht bei der Bezahlung, so Werneke.

Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, sagte, die Länder müssten schon aus schierem Eigeninteresse sofort ein konsensfähiges Angebot vorlegen. "Denn sie drohen auf dem Arbeitsmarkt bei Bezahlung und Wettbewerbsfähigkeit in einen ruinösen Rückstand zu geraten."

Wie ist die Position der Länder?

Der TdL-Vorsitzende, Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), entgegnete, die Forderungen überstiegen die Leistungsfähigkeit der Länder. Zwar gebe es "erheblichen Fachkräftebedarf", und die Länder sollten auch nicht hinter Bund und Kommunen herhinken. Aber: Die Steuereinnahmen bröckelten gerade. Die Haushalte seien knapp bemessen, die Aufgaben aber groß. Die Länder stünden überdies in harten finanziellen Auseinandersetzungen mit dem Bund.

"Die Forderung blendet die dramatische, sich gerade jetzt zuspitzende Haushaltslage vieler Länder leider aus. Die Länder müssen gerade in diesen Krisenzeiten weiter handlungsfähig bleiben. Angesichts dieser besonders herausfordernden Ausgangslage erwarte ich äußerst schwierige Verhandlungen“, erklärte Dressel.

19 Milliarden Euro mindestens würde eine Umsetzung der Forderungen laut TdL die Länder kosten. Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) verwies auf den Anteil von 34 Prozent Personalkosten bei den Länderhaushalten. Käme es hier zu "überproportional hohen Steigerungen", würde es schwierig für den Rest - etwa bei der Unterstützung der ebenfalls hochbelasteten Kommunen.

Sind neue Warnstreiks zu erwarten?

Mit Warnstreiks ist zu rechnen. Wie bei Tarifrunden für den öffentlichen Dienst üblich, müssen sich die Bürgerinnen und Bürger also wieder auf Ausstände einstellen. Werneke sagt: "Da ist richtig Druck auf dem Kessel." Man bereite sich auf Warnstreiks und Aktionen vor. "Die Beschäftigten der Länder wollen und werden sich nicht abhängen lassen." Das Ausmaß von Ausständen ist aber noch offen. Dressel gibt sich unbeeindruckt: "Das gehört alles zum Geschäft."

Welche Rolle spielt der Abschluss von Bund und Kommunen?

Im Tarifstreit stand nach monatelangem Ringen und einer Schlichtung für Bund und Kommunen im April ein Ergebnis fest. Demnach wurden unter anderem steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen von insgesamt 3000 Euro, ein Sockelbetrag von 200 Euro sowie anschließend 5,5 Prozent mehr vereinbart. Eine Übernahme ist möglich, aber nicht zwingend: "Natürlich wird das eine Orientierungsmarke sein", gesteht TdL-Chef Dressel zu. Werneke begründet die gleichlautende Forderung der Länder mit dem Ziel "möglichst einheitlicher Bedingungen" im gesamten öffentlichen Dienst.

Um eine Übernahme der Vereinbarung dürfte hart gerungen werden. Werneke sagt: "Ich befürchte, dass die TdL an allen Stellen Abweichungen nach unten haben will." Dressel meint, die Gewerkschaftsseite werde ein "TVöD-Plus" anstreben - also auf den Abschluss für den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für Bund und Kommunen noch etwas obendrauf haben wollen. Die Arbeitgeber wollten darunter bleiben. Laut TdL schlüge eine Übertragung mit rund 17 Milliarden Euro zu Buche. Auch das ist den Ländern zu viel.

Wo sind weitere Knackpunkte in den Verhandlungen?

Sehr strittig ist bei den Gewerkschaftsforderungen unter anderem die Forderung nach einem Mindestbetrag für untere Einkommensgruppen und einer Stadtstaatenzulage. Unterm Strich könnte nach Rechnung der Arbeitgeber so ein Einkommensplus von bis zu 38,2 Prozent in Berlin, Bremen und Hamburg herauskommen. "Wir verstehen, dass wir Elemente brauchen, die untere Entgeltgruppen stärker berücksichtigen", sagt Dressel. Das würde seiner Meinung nach aber die Maßstäblichkeit des Tarifgefüges durcheinanderbringen.

Wie sind die Perspektiven für die Verhandlungen?

"Das Ziel ist es, dass wir vor Weihnachten durch sein wollen", sagt Dressel. Ein Ergebnis könnte es bei der dritten Verhandlungsrunde am 7. und 8. Dezember in Potsdam geben. Eine Schlichtung gäbe es bei einem Scheitern in dieser Runde nicht, denn eine entsprechende Vereinbarung beider Seiten fehlt. Werneke sagt: "Käme es zu keinem Ergebnis im Dezember, wären weitere Verhandlungstermine absolut notwendig."