Interview

Interview zur Lage nach Jobs-Rücktritt "Apple hat keine Anwender, sondern Fans"

Stand: 25.08.2011 17:59 Uhr

Neue Ära bei einem der wertvollsten Konzerne der Welt: Steve Jobs ist gegangen, Tim Cook an die Spitze gerückt. Aber was bedeutet dieser spektakuläre Wechsel für Apple? tagesschau.de sprach mit dem Apple-Experten Johannes Schuster über satte Margen, nachsichtige Kunden und juristische Scharmützel.

tagesschau.de: Wie geht es jetzt mit Apple nach Steve Jobs weiter?

Johannes Schuster: Die kommenden Monate wird es wohl so weitergehen wie gehabt. Wenn dann die neuen Produkte kommen, die jetzt noch nicht in der Pipeline sind, wird sich zeigen, ob das Händchen von Tim Cook so gut ist wie das von Steve Jobs in der Vergangenheit.

tagesschau.de: Was ist Ihre Prognose?

Schuster: Jobs zieht sich ja nur langsam zurück, also wird das ein schrittweiser Übergang. Das Innovationstempo von Apple, das ja ähnlich wie das eines Start-Up-Unternehmens wahnsinnig hoch war, wird sich dann irgendwann normalisieren. Aber die Konkurrenz ist auch nicht schneller.

Zur Person

Johannes Schuster ist Redakteur bei "Mac & I", einem vierteljährlichen Sonderheft der Computerzeitschrift "c't". Er beschäftigt sich seit 18 Jahren beruflich mit Apple.

tagesschau.de: Welche Rolle hat Jobs für Apple gespielt? Man hatte ja den Eindruck, dass ihm innerhalb und außerhalb des Unternehmens quasi religiös gehuldigt wurde.

Schuster: Ich glaube, im Unternehmen war das gar nicht so. Aber es gibt natürlich die Fangemeinde, die ihn teilweise wie einen Sektenführer verehrt. Wenn man mal auf einer seiner Keynotes war - das war schon teilweise gespenstisch.

Jobs hat die Sachen nicht erfunden. Aber er war derjenige, der gesagt hat: Das nehmen wir, das braucht der Markt, damit können wir Geschäfte machen. Diese Verbesserung sind noch notwendig und dann bringen wir das auf den Markt. Das ist ihm sehr gut gelungen: Er hat wenig Fehlschläge produziert.

Er hatte einfach Mumm und das durchgesetzt, was er wollte. Als er 1996 zu Apple zurückkam, schlugen viele die Hände über dem Kopf zusammen und sagten: Das kann man doch so nicht machen. Aber Jobs war konsequent. Damit hat er es geschafft, den Konzern zu retten.

tagesschau.de: Wie groß ist die Lücke, die Jobs im Unternehmen hinterlässt?

Schuster: Ein Fehler Apples war es, alle Entscheidungsprozesse auf ihn zuzuschneiden. Das hat ihnen zwar auch geholfen, aus der Krise herauszukommen, ohne Jobs wird es jedoch Schwierigkeiten geben. Sie müssen ihren Konzern umbauen, aber das werden sie schaffen.

Einen Fehler hat Jobs nämlich nicht gemacht - auch, wenn ihm das viele Beobachter vorwerfen: Er hat durchaus Persönlichkeiten neben sich geduldet, die jetzt aus der zweiten Reihe in die erste hervortreten. Ihnen fehlt zwar seine visionäre Kraft. Aber sie werden wahrscheinlich einen etwas kooperativeren Führungsstil pflegen und die Arbeit wird auf mehrere Schultern verteilt.

"Cook ist der Vater des wirtschaftlichen Erfolgs"

tagesschau.de: Zwei dieser Schultern gehören zu Jobs Nachfolger Tim Cook. Ist er der Aufgabe gewachsen?

Schuster: Ich denke, Cook ist als Apple-Eigengewächs die richtige Wahl. Er kann mit den anderen im Team arbeiten. Und er hat vieles, was Apple jetzt braucht: Cook ist der Vater des wirtschaftlichen Apple-Erfolgs. Er hat dafür gesorgt, dass Apple profitabel wird, dass die Prozesse gestrafft werden, dass Apple nicht mehr selber fertigt. Das hat dazu geführt, dass die Apple-Margen bei 30 Prozent und aufwärts liegen – das schafft kein anderer Computerhersteller. 

tagesschau.de: Ist das das wichtigste Erfolgsrezept des weltweit wertvollsten Unternehmens? 

Schuster: Genau. Apple wollte nie unbedingt 100 Prozent Marktanteil haben - sondern es war wichtig, dass das, was man verkauft, Gewinn abwirft. Deswegen war ihnen ein Produkt mit 30 Prozent Marge lieber als eines mit riesigem Marktanteil und nur einem Prozent Marge.

Außerdem hat sich die Firma gegen interne Konkurrenz abgeschottet, indem sie Software und Hardware zusammen entwickelt und allein vermarktet haben. Wer mit dem MacOS-Betriebssystem arbeiten will, muss auch einen Apple-Computer kaufen. Und viele, die einmal damit gearbeitet haben, wollen nicht mehr an einem Windows-Rechner sitzen. Die Produkte sind eben sehr gut und haben Charme.

"Einzigartige Produkte"

tagesschau.de: Es ist also nicht nur ein Lifestyle-Erfolg?

Schuster: Mit Lifestyle verkauft sich natürlich manches besser. Aber es gibt eben auch Produkte, die sind in der Form einzigartig: Es geht eben nicht nur darum, was die Geräte alles technisch können, welche Standards und Formate sie beherrschen.

Es reicht beispielsweise nicht, einfach nur einen mp3-Player auf den Markt zu bringen. Apple hat auch die Musiklabels in Boot geholt, ein vernünftiges Angebot aufgestellt, eine Oberfläche, auf der man blättern kann wie in einem Plattenladen. Das ganze Erlebnis - zu kaufen, es zu benutzen - macht Spaß. So ähnlich gilt das für die anderen Apple-Produkte auch.

tagesschau.de: Das Image von Apple ist trotz Kritik nahezu makellos - gerade im Vergleich zur Konkurrenz wie Microsoft oder immer mehr auch Google. Warum?

Schuster: Tatsächlich geht Apple zum Beispiel mit seinen Kunden auch nicht immer gut um und mauert, wenn es Reklamationen gibt. Doch irgendwann setzen sie sich dann an die Spitze der Bewegung und sagen: Ja, wir meinen natürlich, dass das ein Fehler war und bügeln das jetzt sofort aus!

Die Firma hat zu Unrecht einen so guten Ruf: Sie ist beim Service, bei Reklamationen oder Sicherheitsfragen nicht viel besser als andere Firmen. Das geht auch kaum. Aber Apple hat eben nicht nur Anwender - Apple hat Fans. Die verzeihen solche "Kleinigkeiten" eher. Apple hat zum Beispiel auch schon Reihen wie das weiße G3-iBook herausgebracht, bei denen massenhaft die Motherboards ausgetauscht werden mussten. Das haben die Anwender ihrem Lieblingshersteller alles verziehen.

Irgendwann Einigung zwischen Apple und Samsung?

tagesschau.de: Apple streitet sich momentan vor mehreren Gerichten um Markenrechte - zum Beispiel mit Samsungs wegen dessen Tablet Galaxy vor dem Düsseldorfer Landgericht. Wie beurteilen sie die Prozesse?

Schuster: Apple lässt sich natürlich auch von anderen Unternehmen inspirieren, so wie andere Unternehmen sich von Apple inspirieren lassen - oder beide von früheren Produkten. Es ist immer schwierig zu sagen, wo die Dinge letztendlich herkommen. Wichtig ist, wer das als erster eintragen lässt.

Ich denke, das ist jetzt ein juristisches Geplänkel. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind zwar nicht zu unterschätzen - aber letztlich wird man sich einigen. Samsung ist ein großer Apple-Zulieferer, bei Speichern, Displays und Prozessoren. Die beiden werden sich nicht bis zum letzten streiten. Möglicherweise kommt dann bei den Modellen noch ein zweiter Knopf dazu oder ein dritter weg.

Der Tablet-Markt wird weiter umstritten sein, weil es da große Wachstumsmöglichkeiten gibt. Aber das wird künftig marktwirtschaftlich und mit guten Produkten ausgetragen werden, nicht juristisch.

tagesschau.de: Wie geht es Apple in fünf Jahren?

Schuster: Ich bin leider auch kein Visionär wie Jobs. Aber letztes Mal hat Apple auch zwölf Jahre ohne ihn existiert. Dieses Mal wird Apple auch sehr lange durchhalten können. Die haben noch sehr viele Sachen in der Pipeline und sehr gute Entwickler. Vor allem haben sie einen großen Vorsprung vor der Konkurrenz. Apples Stellung wird stark bleiben.

Das Interview führte Fabian Grabowsky, tagesschau.de.