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Organisierte Kriminalität Die Geldwaschmaschine der Clans

Stand: 25.11.2019 11:00 Uhr

Wie läuft Geldwäsche? Wenn Clans durch Raubüberfälle Geld erbeutet haben, versuchen sie, es in "saubere" Anlagen umzumünzen. WDR und rbb haben die Masche der Geldwäscher recherchiert.

Von René Althammer und Olaf Sundermeyer, rbb

Clans haben ihre kriminellen Gewinne in Unternehmen und Immobilien gesteckt und machen auf dem legalen Markt Geschäfte und Gewinne. Dabei geht es nicht um einzelne Familienangehörige, sondern um gut organisierte und international agierende Gruppierungen, deren Basis die weitverzweigten Familien sind. Beim Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) ist deshalb von "kriminellen Wirtschaftsunternehmen" die Rede.

Das sieht auch Petra Leister, Oberstaatsanwältin für Organisierte Kriminalität in Berlin, so. Sie ermittelt bei der größten Staatsanwaltschaft Deutschlands seit Mitte der 1990er-Jahre immer wieder gegen Mitglieder derselben Großfamilien. "Es gibt so eine Art übergeordnetes Familienvermögen. Jeder hilft jedem und ist an vielem beteiligt", stellt Leister fest. "Jeder, der zur Familie gehört, kann daran partizipieren", also auch diejenigen Mitglieder, die selbst keine Straftaten begehen. Konkret beschreibt sie das Geschäftsmodell eines Berliner Großclans.

Sparkassenbeute in Immobilien umgemünzt

Nach dem spektakulären Einbruch in eine Sparkassenfiliale im Jahr 2014 versuchte sie, den Verbleib der Beute im Wert von knapp zehn Millionen Euro aufzuklären. In der Folge ließ ihre Behörde 2018 dann 77 Immobilien der Familie beschlagnahmen. Der Vorwurf: Mitglieder des Clans hätten die Beute "gewaschen" und in Immobilien angelegt. Ob sich am Ende beweisen lässt, dass das Geld für die Immobilien wirklich aus dem Einbruch in die Sparkasse stammt, darüber müssen die Gerichte noch entscheiden.

Grundlage für die Beschlagnahme war eine Gesetzesänderung, die es der Justiz ermöglicht, Vermögenswerte einzuziehen, wenn nicht klar ist, woher das Geld für den Erwerb stammt. Das gilt auch für die Beschlagnahme der Immobilien eines Berliner Großclans.

Noch ist nicht sicher, ob das neue Gesetz verfassungskonform ist. BKA-Präsident Holger Münch spricht deshalb von einem "Pilotverfahren" und dass die Berliner Strafverfolger Mut bewiesen hätten, die Möglichkeiten des Gesetzes auszuloten.

Ermittlerglück

Im Fall des Sparkassenüberfalls hatten Polizei und Justiz Glück bei ihren Ermittlungen. Um ihre Spuren zu vernichten, legten die Täter einen Brand. Dabei kam es zu einer Explosion, bei der der Tresorraum verwüstet und einer der Täter von einer Glasscheibe am Kopf getroffen wurde. Die Analyse der Blutspur führte zu Toufic R. - damals schon polizeibekannt. Er wurde verurteilt, aber die Beute blieb verschwunden.

Nach dem Einbruch ließ Staatsanwältin Leister durch die LKA-Ermittler die Telefone einiger Clan-Mitglieder abhören. "Wir staunten nicht schlecht, als wir feststellten, dass ein Familienmitglied sich von dem Bezug öffentlicher Gelder abmeldete. Und dann plötzlich als Immobilienmakler auftrat." Es war Karim R., ein Bruder des verurteilten Einbrechers Toufic R..

Plötzlicher Reichtum

Karim R., der lange von staatlicher Hilfe lebte, kaufte plötzlich selbst und im Auftrag anderer Immobilien in Berlin. Als die Ermittler sich die handelnden Personen näher ansahen, stellten sie fest, dass alle mehr oder weniger zur Familie gehörten und dass auch weitere Familienmitglieder seit 2010 zu Immobilienbesitzern wurden. Einige lebten in Berlin - andere in Beirut im Libanon.

Besonders auffällig war eine in Beirut wohnende Frau namens Zainab F. Ihr Mann ist der Schwager von Toufic R., dem verurteilten Bankeinbrecher. Inzwischen gehören Zainab F. in Berlin mehrere Wohnungen in der Neuköllner Sonnenallee und ein 6000-Quadratmeter-Grundstück. Der Wert geht in die Millionen.

Eine Struktur wird sichtbar

Für die Ermittler wurde nach und nach eine Struktur sichtbar: Sie sind sich sicher, dass in diesem Familiengeflecht über Jahre Geld gewaschen wurde. Der Clan soll einen Teil seiner kriminelle Beute zuerst aus Deutschland in den Libanon gebracht haben, in die alte Heimat, aus der einige Familienmitglieder in den Wirren des libanesischen Bürgerkrieges nach Berlin geflohen waren.

Im Libanon soll das Geld schließlich mithilfe von Familienangehörigen in den legalen Wirtschaftskreislauf gelangt sein. Ein Teil sei auf unverdächtigen Konten gelandet, von denen es wieder nach Deutschland überwiesen wurde. Und hier wurden damit Immobilien gekauft.

Fehlender Kampf gegen Korruption

Ein Weg, den der Wirtschaftswissenschaftler Mounir Rashed von der "American University Beirut" als gut nachvollziehbar einschätzt. Jahrelang hat er sich beim Internationalen Währungsfonds mit dem Kampf gegen Geldwäsche beschäftigt. Bei der im Libanon weit verbreiteten Korruption gebe es keine verlässlichen Mechanismen, um zu kontrollieren, woher jemand sein Geld habe.

"Wenn ich der Bank hier sage, ich will eine Million Dollar nach Deutschland überweisen, um Immobilien zu kaufen, dann sagen die, 'ist gut', denn die wissen ja, dass ich die Million habe. Unser System sagt nichts über die Herkunft des Geldes." Man müsse deshalb in Deutschland kontrollieren, aus welcher Quelle das Geld kommt.

Geldwäsche, wie aus dem Handbuch

Doch obwohl der Libanon als Hochrisikoland in Sachen Geldwäsche galt, haben weder die an den Grundstückskäufen beteiligten Notare noch die Banken die Überweisungen aus dem Libanon für verdächtig gehalten und gemeldet. Auch dass in einigen Fällen die Absender des Geldes nicht identisch waren mit den Käufern hat niemanden gestört. Bei Fachleuten heißt das "third party payment", wenn der Käufer nicht selbst bezahlt. Ein klassischer Fall von Geldwäsche, wie aus dem Handbuch.

Die Tatverdächtigen aus dem betreffenden Clan in Berlin und Beirut schweigen oder bestreiten auf Anfrage den Vorwurf der Geldwäsche. Auch das Berliner Familienoberhaupt, der durch seine medialen Auftritte bekannte Issa R., wiegelt ab. Auf Nachfrage sagt er, dass er nicht wisse, woher das Geld für die Immobilien der anderen Familienmitglieder stamme.

Mittel zur Aufklärung fehlen

Bis heute ist überdies unklar, ob die Behörden inzwischen alle Immobilien des Clans aufgespürt haben. In Deutschland gibt es noch immer kein zentral abfragbares Immobilienregister, Nachforschungen sind deshalb personal- und zeitintensiv.

Für den BDK-Vorsitzenden Sebastian Fiedler liegt im fehlenden Überblick über die Besitzverhältnisse bei Immobilien eine zentrale Schwachstelle, die von den Clans wie anderen kriminellen Gruppierungen bewusst ausgenutzt wird. "Man kann ganz sicher sein, dass diese Strukturen der Organisierten Kriminalität sehr präzise wissen, an welchen Stellen Geldwäsche außerordentlich gut funktioniert, also nicht auffällt."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD in der WDR/RBB- Reportage "Beuteland" am 25. November 2019 um 20.15 Uhr.