Bootswerft von Lürssen in Bremen Vegesack
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Bundeswehr Spionageschiffe werden 1,2 Milliarden Euro teurer

Stand: 28.06.2023 13:26 Uhr

Drei neue Spionageschiffe für die Bundeswehr werden wohl noch teurer als gedacht. Nach Recherchen von NDR, WDR und SZ soll der Preis um mehr als 1,2 Milliarden Euro steigen - auf insgesamt mehr als drei Milliarden Euro.

Von Massimo Bognanni, Martin Kaul, WDR, Nils Naber und Benedikt Strunz, NDR

Die Anschaffung von drei neuen Spionageschiffen für die Bundeswehr wird deutlich teurer als bisher bekannt. Das zeigen Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Demnach fordert das Bundesverteidigungsministerium für die Fortführung der Verträge weitere Mittel in Höhe von mehr als 1,2 Milliarden Euro vom Deutschen Bundestag ein, um das Rüstungsprojekt fortsetzen zu können.

Das ergibt sich aus vertraulichen Dokumenten. Bislang waren die drei Schiffe mit einem Gesamtpreis von etwas mehr als zwei Milliarden Euro veranschlagt worden.

Teuerungen hatten sich abgezeichnet

Die sogenannten Flottendienstboote sollen vor allem für Spionage und Aufklärung eingesetzt werden. Vor zwei Jahren, kurz vor der Bundestagswahl 2021, hatte der Bundestag die Beschaffung der Schiffe beschlossen - damals unter der Maßgabe, dass sich der Preis im Rahmen von etwa zwei Milliarden Euro bewegen würde.

Der Hintergrund: Schon damals hatten Prüfer des Bundesrechnungshofes "erhebliche Bedenken" formuliert. Die vorliegende Vertragskonstruktion mit der Bremer Werft "Naval-Vessels-Lürssen" (NVL) sei so aufgesetzt, dass erst nach Vertragsschluss eine "Bauspezifikation" erarbeitet werden solle. Mit anderen Worten: Erst nachdem der Auftrag schon erteilt war, wollte der Bund gemeinsam mit der Werft erarbeiten, wie genau die Schiffe gebaut werden sollen.

Eine Milliardenvergabe im Blindflug, hieß es damals von Kritikern. Der Bundesrechnungshof befürchtete "mittelfristig zusätzliche Ausgaben". Zuletzt hatten NDR, WDR und SZ berichtet, dass sich eine massive Kostensteigerung von rund 800 Millionen Euro abzeichnen würde. Nun soll es also noch teurer werden.

Abgeordnete sollen schnell abnicken

In einer Vorlage für den Haushaltsausschuss ist dokumentiert, dass das Bundesverteidigungsministerium "mit einem zusätzlichen Finanzbedarf in Höhe von rund 1.231,2 Mio. Euro" plant. Damit, so heißt es in dem Schreiben, "erhöht sich der Gesamtauftragswert neu auf 3.216,8 Mio. Euro".

Den Abgeordneten, die in der kommenden Woche darüber entscheiden sollen, lässt die Bundesregierung nur wenig Spielraum. Das Verteidigungsministerium argumentiert, dass der neue Änderungsvertrag bis zum 1. August abgeschlossen werden müsse. Sonst sei der Auftragnehmer, also die Werft, auch nicht an die zuvor vereinbarten Änderungen gebunden.

Und dann, so argumentiert das Verteidigungsministerium, wären "die Folgen für den dann zu vereinbarenden Preis sowie die daraus resultierenden Zeitlinien heute noch nicht abschätzbar".

Die Opposition kritisiert den massiven Zeitdruck sowie die Kostensteigerungen. "Der atemberaubende Kostensprung ist für mich nicht nachvollziehbar und auch nicht mit der Inflation zu begründen", sagt die Obfrau der Linksfraktion im Haushaltsausschuss, Gesine Lötzsch. "Es entsteht bei mir der Eindruck, dass Rüstungskonzerne jeden Preis aufrufen können und die Bundesregierung auch jeden Preis bereitwillig abnickt."

Das Bundesverteidigungsministerium argumentiert in der Tat gegenüber den Abgeordneten vor allem mit Kostensteigerungen etwa durch die Inflation und die angespannte Lage durch den Krieg in der Ukraine. Auch seien aufgrund der "Änderung der sicherheitspolitischen Lage" technische Anpassungen nötig geworden. Worin genau diese Änderungen bestehen, dazu äußerte sich das Ministerium nicht.

"Unstrittig, dass wir diese Schiffe brauchen"

Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz, zuständig für die Ausgaben im Rüstungsbereich, sagt, er habe kommen sehen, dass sich das Preisgefüge so entwickele. "Aber es ist unstrittig, dass wir diese Schiffe brauchen. Und wenn wir im Rüstungsbereich die heimische Wirtschaft stärken wollen, dann müssen wir auch in Kauf nehmen, dass das zu entsprechenden Mehrkosten führt."

Die Schiffe werden von der Rüstungssparte der Bremer Lürssen-Werft gebaut, Naval Vessels Lürssen (NVL). Auf Nachfrage wollte sich ein Sprecher zu den Kostensteigerungen nicht äußern und verwies auf Geheimhaltungspflichten.

Der Haushaltsausschuss im Bundestag muss sich nun kommende Woche mit den massiven Preissteigerungen befassen. Erwartet wird, dass die Ampelkoalition dann ihre Zustimmung zu den Mehrkosten gibt.

Benedikt Strunz, NDR, tagesschau, 28.06.2023 13:34 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der NDR in der Sendung NDR Info am 25. April 2023 um 21:45 Uhr.