Schweinehälften hängen aufgereiht in einem Schlachthof.
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Razzia in Schlachthof Vorwurf der wiederholten Tierquälerei

Stand: 21.07.2023 16:32 Uhr

Ein Schlachthof in Bayern ist aufgrund des Verdachts der Tierquälerei durchsucht und geschlossen worden. Dem ARD-Magazin Fakt liegen Videos vor, die den Schluss zulassen, dass Tiere mutmaßlich ohne ordentliche Betäubung geschlachtet wurden.

Von Von Matthias Pöls und Knud Vetten, MDR

Wegen des Verdachts der Tierquälerei ist ein Schlachthof in Bayern am Donnerstag bis auf Weiteres geschlossen worden. Einen Tag zuvor hatte die zuständige Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) den Betrieb in Aschaffenburg durchsucht. Zu den genauen Gründen wollte sich die KBLV nicht äußern.

Dem ARD-Magazin Fakt liegt umfangreiches Videomaterial aus dem Schlachthof vor, das auch die Kontrollbehörde von Tierschützern am Dienstag bekommen hatte. Die Bilder lassen den Schluss zu, dass die darauf abgebildeten Tiere vermutlich ohne ordentliche Betäubung getötet worden sind. Hinzu kommt, dass offenbar auch Mitarbeiter des Schlachthofs vor Kontrollen gewarnt worden sind.

Auf den Videos werden Rinder in eine Metall-Box getrieben. "Der Kopf der Tiere ist überhaupt nicht fixiert. Die können sich rechts links verwinden", beschreibt Friedrich Mülln vom Verein "Soko Tierschutz" seinen Eindruck vom Kampf der Rinder auf dem Videomaterial. So könne die Betäubung kaum ordentlich angesetzt werden.

Außerdem ist zu sehen, wie Mitarbeiter des Schlachthofs die Tiere mit Stromschlägen in bestimmte Positionen zu bewegen versuchen. "Die Bilder zeigen Schweine und Rinder, die noch bei Bewusstsein sind, wenn sie den so genannten Kehlschnitt erleiden", so Mülln. Eine solche Praxis sei illegal, weil Tieren laut Gesetz keine unnötigen Schmerzen zugefügt werden dürfen. Tierschützer hatten die Bilder in den vergangenen vier Wochen aufgenommen. Das Material liegt Fakt ungeschnitten vor.

Experte: unprofessionell und rechtswidrig

"Es waren Rinder dabei, die bis zu dreimal betäubt werden mussten", erkennt Kai Braunmiller auf den Bildern, die Fakt dem Fachtierarzt und Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz (BAG) vorgelegt hat. "Auch hier muss doch aufgefallen sein, dass das Gerät ein Defizit hat. Ein guter Betäuber sieht das und tauscht es aus." Hinzu komme, dass die Mitarbeiter offenbar nicht ausreichend sachkundig waren. "Sie haben die Betäubungseffektivität am Tier nicht entsprechend geprüft. Das geht ganz einfach am Auge mit Lid- und Pupillenreflex", so Braunmiller.

Der Experte verweist auch auf den Umgang mit den Schweinen im Schlachthof: Auf den Videos seien etliche Tiere, die mit den Gliedmaßen gerudert und dabei Bauch- und Schnappatmung gezeigt hätten. "Man hat dann nicht gleich darauf reagiert, sondern den Entblutevorgang fortgesetzt, um dann später doch noch nachzubetäuben", erklärt Braunmiller. Dabei müssten Leid und Schmerzen der Tiere so kurz wie möglich gehalten werden. Seine Schlussfolgerung aufgrund der Bilder: "Das sieht man hier nicht. Hier wird unprofessionell und rechtswidrig gehandelt. Das fällt scheinbar dem Betrieb nicht auf, der zu Eigenkontrollen verpflichtet ist."

Offenbar Warnung vor Kontrollen per WhatsApp

Schlachtbetriebe sind nicht nur zur Eigenkontrolle verpflichtet, sie werden auch durch staatliche Behörden kontrolliert. Der Fachtierarzt fragt deshalb: "Wie kann es sein, dass so ein System - und wir haben ja viele Mitarbeiter gesehen, die dort zugange waren - über einen längeren Zeitraum laufen kann, ohne dass es der Behörde auffällt? So geht es definitiv nicht."

Hinzu kommt, dass das Schlachthofpersonal offenbar vor Kontrollen gewarnt wurde, die durch die Landesbehörde durchgeführt werden sollten. Fakt liegen Kopien einer WhatsApp-Gruppe aus dem Schlachthof vor, die dies nahelegen.

Der Schlachthof stand bereits vor Jahren in den Schlagzeilen - aufgrund von Tierquälerei. Bildmaterial aus dem Jahr 2013 dokumentierte Übergriffe auf Schweine. Die damaligen Täter wurden abgemahnt. Der Betrieb lief weiter.

Nun hat die Staatsanwaltschaft ein umfangreiches Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt. Vielen Mitarbeitern wurde das Betäuben und Töten von Schlachttieren untersagt. Der Schlachthof ist bis auf Weiteres geschlossen worden. Der Betreiber des Schlachthofs wollte sich am Telefon nicht zu den Vorwürfen äußern. Der Hinweis auf die aktuellen Missstände kam laut "Soko Tierschutz" von einem Landwirt aus der Region.