Eine Baustelle mit mehreren neuen Häusern
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Vor Wohnungsbaugipfel Regierung weitet Bauförderung aus

Stand: 25.09.2023 06:00 Uhr

Wie kann schnell neuer Wohnraum entstehen? Darüber soll heute im Kanzleramt beim Wohnungsbaugipfel diskutiert werden. Das Bauministerium will laut ARD-Hauptstadtstudio neue Anreize für Häuslebauer präsentieren.

Von Oliver Neuroth, ARD Berlin

Der Kanzler hat Bauen und Wohnen am Wochenende zum Wahlkampfthema in Bayern gemacht. Auf einer SPD-Veranstaltung in Nürnberg forderte Olaf Scholz die Kommunen auf, mehr Bauland auszuweisen. "Aber wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass man billiger bauen kann", rief der Kanzler in die Menge. Billiger bauen - das ist zurzeit leichter gesagt als getan. Die Preise für Baumaterialien liegen auf Rekordniveau, die Zinsen für Immobilienkredite sind ebenfalls hoch.

"Förderungen deutlich verbessert," Klara Geywitz, SPD, Bundesbauministerin, zu Krise beim Wohnungsbau

Morgenmagazin, 25.09.2023 08:00 Uhr

Zumindest an diesem Punkt sieht das Bundesbauministerium eine Möglichkeit für Entlastungen. Es stockt ein Förderprogramm für Familien auf, die ein Eigenheim nach strengen Energiestandards bauen oder eine entsprechende Wohnung kaufen wollen: die sogenannte Wohneigentumsförderung. Dabei geht es um vergünstigte Baukredite über die staatliche Förderbank KfW. Künftig können mehr Familien von dem Programm profitieren, indem die Höchstgrenze des Jahreseinkommens steigt.

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios wird sie von 60.000 Euro bei einer dreiköpfigen Familie auf 90.000 Euro heraufgesetzt. Das Bauministerium setzt auch die Kreditsumme hoch: Die Beispielfamilie bekommt maximal 170.000 Euro bei der KfW, 30.000 Euro mehr als bisher. Der effektive Jahreszins soll bei 0,5 Prozent liegen.

Mehr Familien sollen von Förderprogramm profitieren

Bundesbauministerin Klara Geywitz hofft, dass unter diesen Konditionen mehr Familien als bisher die Wohneigentumsförderung beantragen. Bisher kommt das Programm nämlich kaum bei den Menschen an. Für Familien mit kleinen und mittleren Einkommen sind Bauprojekte nach dem Energiestandard EH40 kaum finanzierbar. Entsprechend sind seit Start des Programms im Juni gerade einmal 245 Anträge eingegangen. "Wir verbessern deshalb die Förderbedingungen und machen damit das Programm attraktiver", erklärt Geywitz.

Zumindest koalitionsintern bekommt die Ministerin Unterstützung. Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang sagt im Interview mit dem SWR: "Grundsätzlich ist es in Zeiten der Inflation gut, mehr Menschen das Bauen zu ermöglichen." Doch Lang stellt auch klar: Es müsse noch deutlich mehr passieren, damit es beim Haus- und Wohnungsbau wieder voran geht. Sie bringt ein Investitionsprogramm ins Spiel: Der Bund solle 30 Milliarden Euro bereitstellen, die direkt an die Baubranche gehen. Nach ihren Worten profitieren davon alle, wenn Deutschland stärker auf Wachstumskurs käme und mehr Wohnraum zur Verfügung stehe.

Forderungen nach Bau-Konjunkturprogramm

Gegen staatliche Subventionsprogramme hätte auch die Bauindustrie nichts einzuwenden. Die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fordert gar ein 50 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket. Die Immobilienbranche schraubt ihre Erwartungen an das heutige Spitzentreffen nicht ganz so hoch. Auf der Wunschliste des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA), einem Dachverband der Branche, stehen weitere staatliche Kreditprogramme über die Förderbank KfW. Ohne solche Angebote zu niedrigen Zinsen würden Großinvestoren keine neuen Projekte starten, sagt ZIA-Präsident Andreas Mattner.

Er macht eine einfache Rechnung auf: Die Rendite beim Bau von Mietwohnungen liege aktuell bei etwa zwei Prozent, die Kreditzinsen aber bei vier bis fünf Prozent. "Da müssen sie also noch Geld mitbringen. Dass das nicht zum Ergebnis führt, kann sich jeder ausrechnen." Dabei ist es gerade jetzt nötig, dass Wohnungen in großer Zahl entstehen.

Dirk Salewski, Bundesverband Freier Immobilienunternehmen, zu Bauförderung

tagesschau24, 25.09.2023 10:00 Uhr

Mehrere Institute gehen davon aus, dass bald schon 700.000 Wohnungen in Deutschland fehlen werden. "Das sind der gesamte Bestand von Bremen und dem Saarland zusammengenommen", gibt Mattner zu Bedenken. Der Bedarf steige weiter, weil immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kämen. "Das läuft in ein gigantisches Chaos."

Verbände boykottieren das Spitzentreffen

ZIA-Präsident Mattner wird am heutigen Treffen im Kanzleramt teilnehmen - anders als seine Kollegen des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GDW und des Eigentümerverbandes Haus&Grund. Sie boykottieren die Veranstaltung. Ihr Argument: Die Regierung unternehme zu wenig, um den Bau zu fördern und habe laute Warnsignale von Experten bewusst ignoriert. Stattdessen erhöhe die Ampelkoalition nur die Anforderungen ans Bauen, beispielsweise beim Klimaschutz.

Axel Gedaschko vom GDW ärgert sich vor allem über das Gebäudeenergiegesetz. Die Fördersätze für den Heizungsumbau seien fatal für Vermieter. "Eine totale Benachteiligung. Was wir auch nicht verstehen, weil jeder Cent, der an einen Vermieter geht, indirekt dem Mieter zugutekommt. Das muss weitergegeben werden."

Der GDW vertritt nach eigenen Angaben gemeinsam mit Haus&Grund mehr als 95 Prozent des Immobilienbestandes in Deutschland. Beide Verbände stellen klar, dass sie aus dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen nicht aussteigen wollen, aber mit dem Boykott des Treffens heute ein Zeichen setzen möchten. Und sie geben dem Kanzler eine Empfehlung mit einer Vokabel mit, die der Kanzler selbst geprägt hat: Die Bau- und Immobilienbranche brauche nichts weniger als eine Förderung mit "Wumms".

Oliver Neuroth, ARD Berlin, tagesschau, 25.09.2023 06:02 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD Morgenmagazin am 25. September 2023 um 08:00 Uhr.