KINA - Vier Tore, sechs Spieler, viel Spaß

Nordrhein-Westfalen Neue Kinderfußball-Regeln: Eine Diskussion ums Verlieren und den Spaß am Sport

Stand: 22.04.2024 06:00 Uhr

Ab der kommenden Saison gelten im Kinderfußball neue Regeln. Durch sie soll der Leistungsdruck für die Kinder sinken und der Spaß steigen. Doch es gibt auch Kritik an der Umstellung.

Rechnet man die Aufstiegsspiele mit, endet die aktuelle Fußballsaison der Junioren Ende Juni. Wenn die Spielerinnen und Spieler der Bambini-, F- und E-Jugend-Mannschaften dann nach den Sommerferien wieder auflaufen, beginnt nicht nur eine neue Saison - die Vier- bis Zehnjährigen spielen dann auch nach neuen Regeln.

Denn nach der zweijährigen Pilotphase gelten die neuen, vom DFB entwickelten Spielformen verbindlich - zum Ärger der Kritiker der Reform. Wir erklären, was sich ändert und warum darüber so leidenschaftlich diskutiert wird.

Ab der kommenden Saison stehen bei den Bambinis sowie in der F- und E-Jugend weniger Spieler auf dem Feld, dafür gibt es dann teilweise vier Tore. Zudem soll bei den Bambinis und in der F-Jugend aber nicht mehr um eine Meisterschaft gespielt werden.

Konkret sieht es so aus, dass bei den Bambinis (also den Vier-bis Sechsjährigen) künftig zwei Zweier-Mannschaften oder zwei Dreiermannschaften gegeneinander antreten, die auf insgesamt vier Mini-Tore (zwei pro Mannschaft) spielen. Torwarte gibt es nicht. Ein Spiel geht maximal sieben Minuten und nach jedem Tor wechselt jede Mannschaft einen der zwei Ersatzspieler ein.

Bambinis

Zwei gegen zwei oder drei gegen drei statt sieben gegen sieben

An den Spieltagen, an denen möglichst viele Teams teilnehmen sollen, wandert die Gewinner-Mannschaft nach jedem Spiel immer ein Feld weiter, während die Verlierer eines zurück gehen. So sollen möglichst ausgeglichene Partien entstehen.

In den zwei jüngsten Spielklassen sollen künftig zwar nach jedem Spiel Sieger und Verlierer feststehen, am Ende des Turniers wird aber kein Gesamtsieger gekürt. Und auch eine Tabelle, die über die gesamte Saison geführt wird, gibt es nicht mehr.

In der F-Jugend (Sieben- und Achtjährige) spielen Dreier-Teams nach demselben Spielmodus gegeneinander. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass zwei Fünfer-Mannschaften auf vier Mini-Tore (ohne Torwart) oder auf zwei große Tore (vier Feldspieler und ein Torwart) gegeneinander spielen. Dadurch vergrößert sich das Spielfeld und die Spielzeit liegt zwischen zehn und zwölf Minuten.

Fußball F-Jugend

In der F-Jugend kann künftig auf zwei oder auf vier Tore gespielt werden

In der E-Jugend (Neun- und Zehnjährige) ändern sich die Regeln am wenigsten. Hier kann entweder Fünf gegen Fünf nach denselben Regeln wie in der F-Jugend gespielt werden. Es ist aber auch die bisher für alle Jugendmannschaften gültige Variante des Sieben gegen Sieben möglich. Sie spielen mit Torwart auf zwei große Tore.

Fußball E-Jugend

In der E-Jugend darf auch weiterhin sieben gegen sieben gespielt werden

Der DFB begründet die Änderung der Spielformate vor allem damit, dass die Kinder mehr Spaß und mehr Erfolgserlebnisse beim Fußball haben sollen. Dadurch, dass weniger Spieler auf dem Platz stehen, ist die Zeit länger, in der die einzelnen Kinder den Ball haben. Durch die vier Tore, die zwar kleiner sind, aber nicht von einem Torwart bewacht werden, fallen zudem mehr Tore. "Die individuelle sportliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen wird damit gefördert, ihre Begeisterung für den Fußball verstärkt", schreibt der DFB dazu auf seiner Website.

Auch die zweite große Änderung, nämlich die Abschaffung der Meisterschaftsrunden bei den Bambinis und in der F-Jugend, sollen auf dieses Ziel einzahlen. Dadurch soll der Leistungsdruck minimiert werden und "die sportliche Entwicklung der Kinder stärker in den Vordergrund rücken", so der DFB.

Die Reform soll den gesamten Fußball und seine Vereine an der Basis langfristig stärken.

Deutscher Fußball-Bund

Vor allem das Abschaffen der Meisterschaft und des damit verbundenen Wettkampf-Charakters wird von mehreren prominenten Stimmen im Fußball kritisiert. So bezeichnete BVB-Geschäftsführer und DFL-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke die Reform als "unfassbar" und für ihn "nicht nachvollziehbar". Watzke befürchtet, dass die Kinder so nicht das Gefühl kennenlernen können, zu verlieren, und daher auch keinen Anreiz hätten zu gewinnen.

Auch der ehemalige Trainer des 1. FC Köln, Steffen Baumgart, hält nichts von der Umstellung. "Es ist doch nicht schlimm, wenn ein Kind verliert", so Baumgart im Gespräch mit WDR-Moderator Sven Pistor. "Es muss doch lernen, mit Niederlagen umzugehen. Ich muss doch lernen, Spaß an dem Sport zu haben, nicht nur wenn ich zehn Tore schieße."

Der DFB begründet die Reform auch damit, dass durch den geringeren Druck in den jüngeren Spielklassen die Kinder mehr Zeit haben, sich zu entwickeln. Dem Argument, es gebe keine Gewinner und Verlierer mehr, widerspricht der Verband. Es sei genau das Gegenteil der Fall: "Der neue Modus bringt mit sich, dass mehr Spiele verloren und gewonnen werden, sodass Kinder den Umgang mit Siegen und Niederlagen noch besser erlernen."

Kleinfeld-Tore stehen während des Trainings auf dem Platz im Stadion

Kleinfeld-Tore beim Fußballtraining

Die Sportpsychologin Frauke Wilhelm geht sogar noch weiter. "Es gibt im Fußball den Fehlglauben, dass die allerwichtigste Motivation sei: 'Ich will unbedingt gewinnen'", so Wilhelm im Gespräch mit dem NDR. Es gebe aber auch andere Dinge, die Kinder im Sport motivieren können.

Durch diesen Irrglauben laufe der deutsche Fußball Gefahr, immer mehr Kinder zu verlieren, weil sie über kurz oder lang den Spaß am Fußball verlieren. Dass schon in den jüngsten Ligen Meister ausgespielt würden, führe dazu, "dass die besten Kinder gefördert werden, die schlechteren nicht spielen", so Wilhelm.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Deutscher Fußball-Bund
  • Fußballverband Rheinland
  • Interview mit der Psychologin Frauke Wilhelm (NDR)

Was halten Sie von den neuen Regeln? Wir freuen uns über Kommentare.