Lehrerin sitzt erschöpft mit Schülern am Tisch

Nordrhein-Westfalen Deutsches Schulbarometer: Viele Lehrkräfte emotional erschöpft

Stand: 24.04.2024 05:00 Uhr

Abizeitungen, die bald wieder die Runde machen, können für Lehrkräfte ein echter Stressfaktor sein. Viele von ihnen fühlen sich auch unabhängig davon emotional erschöpft, wie das Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung zeigt.

Sie werden prämiert, für attraktiv oder eben unattraktiv befunden – Lehrkräfte können Jahr für Jahr in der Abizeitung nachlesen, ob sie aus Sicht ihrer Schüler ihren Job gut machen. Oder eben nicht. Mitunter geht das Geschriebene aus Sicht der Lehrer zu weit und ist verletzend.

Schulbarometer: Gewalttätige Schüler, ausgebrannte Lehrer

"Lehrkräfte wehren sich oft nicht dagegen, leiden aber sehr darunter", zitiert die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post“ die Vorsitzende des Philologenverbands NRW, Sabine Mistler. Was Lehrerinnen und Lehrer aushalten müssten, gehe zu oft unter die Gürtellinie.

Manche Lehrkräfte sind mehrmals die Woche, andere täglich emotional erschöpft

Wobei verletzende Inhalte in Abizeitungen nur ein Faktor sind, die Lehrkräfte an Gymnasien psychisch belasten. Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung fühlt sich mehr als ein Drittel (36 Prozent) der befragten Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen emotional erschöpft – und das mehrmals die Woche. 12 Prozent der Befragten trifft es sogar täglich. Vor allem jüngere und weibliche Lehrkräfte sind demnach betroffen.

Was das Burnout- und Stressrisiko von Lehrkräften deutlich erhöht, ist das Erleben von Gewalt an der eigenen Schule. Fast jede zweite Lehrkraft (47 Prozent der Befragten) sieht an der eigenen Schule ein Problem mit psychischer oder physischer Gewalt unter Schüler und Schülerinnen. Besonders betroffen sind Schulen in sozial benachteiligter Lage (69 Prozent).

Mehr als ein Viertel der Lehrkräfte würde den Schuldienst verlassen

Für das Deutsche Schulbarometer waren in der Zeit vom 13. November und 3. Dezember 2023 insgesamt 1.608 Lehrkräfte online befragt worden. Dabei handelt es sich um eine bundesweite repräsentative Stichprobe von Lehrern an allgemein- und berufsbildenden Schulen.

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Obwohl die große Mehrheit (75 Prozent) der Lehrkräfte mit ihrem Beruf zufrieden ist, würde mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) den Schuldienst verlassen. Dabei müsse man sich klarmachen, dass dies kein Arbeitgeberwechsel in dem Sinne wie er in anderen Berufsgruppen gängig ist, sagt Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung dem WDR. Vielmehr wäre dies ein echter Professions-Wechsel. Das aber würde die Schulen zusätzlich unter Druck setzen und führe dazu, dass an Schulen nicht ausreichend Lehrkräfte zur Verfügung stehen. "Und der Lehrkräftemangel ist auch etwas, das die Lehrer als eine Belastung hervorheben, die ihren Berufsalltag erschwert", so  Wolf.

Ex-Studienrätin berät heute unzufriedene Lehrkräfte

Eine, die dem Schuldienst den Rücken zugekehrt hat, ist die Ex-Studienrätin Isabell Probst aus Königswinter bei Bonn. Schon im Referendariat habe sie sich angesichts des enormen Stresses in der Schule gefragt, ob sie den Lehrer-Beruf gesund bis zu ihrem 67. Lebensjahr durchstehen könne, erzählt sie dem WDR. "Man sieht um sich herum nur die Kollegen, die auf die Wochenenden und auf die Ferien hinleben und die Jahre herunterzählen, wie lange sie noch arbeiten müssen." In ein solches Klima werde man als Lehrkraft "hereinsozialisiert".

Später habe sie festgestellt, dass man nur wenig entlang der eigenen Werte und Maßstäbe handeln könne, wenn man mit so vielen Schülern zu tun habe. Beziehungsarbeit sei ihr viel zu kurz gekommen und ihr sei klargeworden, dass sie für den Schuldienst ihre Gesundheit nicht verwenden möchte, so Probst. Heute berät sie als Unternehmerin Lehrerinnen und Lehrer, die unzufrieden sind, und zeigt ihnen Lösungsmöglichkeiten auf.

Weitere Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers im Überblick:

  • Größte Herausforderungen: Die größten Herausforderungen sehen Lehrkräfte laut Deutschem Schulbarometer aktuell zum einen im Verhalten der Schülerinnen und Schüler (35 Prozent). Zum anderen auch im Umgang mit heterogenen Klassen (33 Prozent; an Grundschulen 45 Prozent). Mit heterogenen Klassen ist gemeint, dass Schüler beispielsweise unterschiedliche kulturelle und familiäre Hintergründe und unter Umständen auch spezielle Förderbedarfe haben.
  • Dringendster Handlungsbedarf: Wenn es um den dringendsten Handlungsbedarf an der eigenen Schule geht, nennen die befragten Lehrkräfte die Behebung des Personalmangels (41 Prozent, an Grundschulen 51 Prozent), aber auch Investitionen in marode Schulgebäude sowie in die technische und digitale Ausstattung (35 Prozent)
  • Digital gestützter Unterricht: Obwohl sich zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) Fortbildungen zum Einsatz digitaler Medien besucht haben, fühlt sich aktuell nur die Hälfte der Lehrkräfte (49 Prozent) gut auf einen digital gestützten Unterricht vorbereitet.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichtet der WDR am 24.04.2024 unter anderem im WDR 5 Morgenecho ab 6 Uhr.