Blick aus der Luft auf das Berufsfortbildungswerk in Hamburg-Rothenburgsort.

Hamburg Weitere Vorwürfe gegen Hamburgs Berufsfortbildungswerk

Stand: 08.05.2024 19:57 Uhr

Die Kritik am Berufsfortbildungswerk (bfw) am Standort im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort reißt nicht ab. Weitere Umschüler sprechen gegenüber dem NDR von mangelhaften Ausbildungsbedingungen. Es soll unter anderem zu wenig fachtaugliche Mechatronik-Ausbilder geben - das bestätigt auch die Handelskammer auf Anfrage des NDR.

Vor zwei Wochen hatten exklusive NDR Recherchen ergeben, dass es in der Ausbildungswerkstatt erhebliche Sicherheitsmängel gibt und das Amt für Arbeitsschutz eingeschritten war. Neben der mangelhaften Sicherheitsorganisation in der bfw-Werkstatt, die von der Arbeitsschutz-Behörde im März festgestellt worden war, gibt es nun massive Kritik an der Ausbildungsqualität. Ehemalige Schüler berichten dem NDR, dass es für die überwiegende Zeit ihrer Umschulung keine oder zu wenige fachtaugliche Ausbilder für den Bereich Mechatronik gegeben habe. Auch Lehrmaterial wie einfache Bücher zur Mechatronik habe es nicht gegeben. Ein ehemaliger Schüler erzählt dem NDR, er habe in den ganzen zweieinhalb Jahren der Umschulung nur drei Monate einen Ausbilder an seiner Seite gehabt. Das bfw habe Beschwerden der Schüler zunächst abgetan mit dem Verweis darauf, es handele sich um Erwachsenenbildung.

Hamburger Handelskammer bestätigt Vorwürfe

Was in der Ausbildung vermittelt werden muss, legen die Industrie- und Handelskammern fest, in diesem Fall die Handelskammer Hamburg. Auf Anfrage des NDR bestätigt die Handelskammer die Vorwürfe: "Für die Umschulung zum Mechatroniker haben wir festgestellt, dass die Inhalte des ursprünglich genehmigten Umschulungskonzeptes nicht mehr vollumfänglich gegeben sind. Dies betrifft vor allem die Benennung eines fachlich und persönlich geeigneten Ausbilders." Das bfw hatte auf Anfrage Ende April zunächst von "etwaigen Irritationen und Unstimmigkeiten" mit der Handelskammer gesprochen, die "im gemeinsamen Dialog aufgelöst worden seien".

Verweis des bfw auf Fachkräftemangel

Auf wiederholte Anfrage des NDR räumt das bfw schließlich ein: "Ja, die Mechatroniker-Stelle musste nachbesetzt werden, für die Ausbildung selbst standen aber zu jeder Zeit geeignete, ausbildungsberechtigte Fachpersonen unterschiedlicher Felder zur Verfügung." Das bfw verweist außerdem darauf, unter dem Fachkräftemangel zu leiden: "Den attraktiven Angeboten aus der Wirtschaft, die unseren Fachkräften gemacht werden, standzuhalten, ist für uns als Ausbildungsbetrieb, der selbst mit steigendem Kostendruck und zugleich festgelegten Pauschalen umgehen muss, zunehmend herausfordernd." Die vom Amt für Arbeitsschutz benannten Probleme seien fortan Chefsache man arbeite "konsequent daran, die (…) benannten Punkte fristgerecht zu beheben".

bfw-Standort in Rothenburgsort

Der bfw-Standort am Ausschläger Billdeich bietet Umschulungen und Weiterbildungen im gewerblich-technischen Bereich an, finanziert werden die Maßnahmen vielfach durch die Agentur für Arbeit und Jobcenter. Das bfw ist ein bundesweit tätiger Bildungsträger mit laut eigenen Angaben fast 200 Standorten und einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro im Jahr 2022. Ursprung des bfw sind die Berufsfortbildungswerke des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Ehemalige berichten von Drohungen

Intern und gegenüber den Umschülern sollen Beschwerden nicht nur abgetan worden sein. Die Ehemaligen berichten, dass ihnen auch gedroht worden sei, weil sie sich bei Arbeitsagentur und Handelskammer beschwert hatten: "Die haben sich dann irgendwelche Sachen zusammengereimt, auch vieles, was nicht gestimmt hat, und wollten uns deswegen eine Abmahnung geben." Hervorgegangen seien diese Drohungen aus der Forderung nach speziellen Büchern für Mechatroniker, die es nicht gab. "Wir wollten einfach nur Lehrmaterial haben", sagt ein ehemalige Schüler. In einem Beschwerdebrief hatten rund ein Dutzend Umschüler einen tyrannischen Führungsstil im bfw beklagt. Das bfw dazu: "Dass bei Kritik oder Beschwerden gedroht wird, entspricht nicht unserem Verhaltenskodex und ist keinesfalls gelebte Praxis. Vorfälle, dass wegen Kritik oder Beschwerden mit Abmahnung gedroht wurde, sind uns nicht bekannt. Sollte dies irgendwo in dieser Art erfolgen oder erfolgt sein, ist dies nicht tolerierbar." Die Sammelbeschwerde habe in einem Fall sogar personelle Konsequenzen nach sich gezogen.

Agentur für Arbeit will genauer hinschauen

Auch vonseiten der Agentur für Arbeit will man nun genauer hinschauen, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung in Hamburg, Sönke Fock, dem NDR: "Uns sind Beschwerden zugegangen und selbstverständlich gehen wir diesen nach. Ich werde mich der Sache persönlich annehmen." Die Agentur für Arbeit habe ein gemeinsames Interesse mit ihren Kunden am "Bildungserfolg".

Am Erfolg der öffentlich finanzierten Bildungsmaßnahme hat einer der ehemaligen Umschüler, trotz abgeschlossener Ausbildung, seine Zweifel: "Die Ausbildung beim bfw wird von den Firmen als nicht gut befunden und deswegen hängen wird jetzt in der Schwebe", sagt er dem NDR zu den eigenen Chancen am Arbeitsmarkt. "Wenn mir ein Dozent per Videochat oder einfach nur am Telefon erklärt hätte, wie ich was zu tun hätte, wäre ich besser dran als nach der Umschulung beim bfw", lautet sein Fazit.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hamburg Journal | 08.05.2024 | 19:30 Uhr