Archivbild:In voller Blüte stehen Kirschbäume in einer Obstplanage in Markendorf, einem Ortsteil von Frankfurt (Oder) am 17.04.2024.(Quelle:picture alliance/dpa/P.Pleul)

Berlin Brandenburg Frost in der Nacht: Verfrühte Eisheilige lassen Blüten erzittern

Stand: 22.04.2024 16:17 Uhr

Mit bis zu Minus fünf Grad steht die wohl kälteste Nacht im April bevor. Die früh erblühten Obstbäume lässt der Wintereinbruch erzittern. Auch Hobbygärtner sollten den Frost ernst nehmen.

Der Winter ist für wenige Tage zurück in Berlin und Brandenburg. Kurzzeitig hat es vielerorts am Montag sogar Schneeschauer gegeben. In der Nacht zu Dienstag erwartet der ARD-Meteorologe Michael Köckritz dann die bisher kälteste Nacht dieses Aprils. Bis zu Minus fünf Grad kalt kann es werden. "In der Lausitz und Elbe-Elster vielleicht sogar noch eine Spur kälter."

Auf die Frage, was der frühlingshafte Wintereinbruch für Hobbygärtner und Obstbauern bedeutet, antwortet Brandenburgs Chefimker Frank George lakonisch: "Der Vorteil ist, sie müssen weniger pflücken."
 
Denn nicht nur für die Blüten ist es aktuell zu kalt, sondern auch für die Bienen. Sie verlassen bei unter 15 Grad ihren Stock nicht. Ein Bienenflug könnte dann für sie lebensgefährlich sein. Somit wird aktuell der bereits in Blüte stehende Raps ebenso wenig bestäubt wie die Kirsche.

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Blüten und Jungfrüchte erfrieren

Der Grund für den Frost sind einströmende Luftmassen aus dem Norden. In Teilen Skandinaviens, wie in Lappland, herrscht noch Dauerfrost. Die kalte Luft dort trifft auf ein Tief mit feuchter Luft hier, die Folge: Es schneit.
 
Zwar wird es im Verlauf des Dienstags wieder wärmer, doch dann strömt bereits das nächste Tief aus dem Norden ein. Noch bis zum Wochenende werden frostige Nachttemperaturen erwartet.
 
Die Sträucher, Blüten und Obstbäume der Region lassen diese Aussichten erzittern: "Die Ernte ist verfroren. Wir haben versucht mit Bewässerungstechnik und Hitzequelle - sprich Lagerfeuern - in der Anlage dagegen zu arbeiten", sagt Louis Heitmann vom Pomona Gartenbau Ahrensfelde.
 
Ähnlich sieht es in Märkisch-Oderland aus: "Das Problem ist, wenn die Temperaturen über mehrere Stunden deutlich unter Null fallen. Bleibt es länger unter Minus ein Grad Celsius, dann erfrieren sowohl die Blüten als auch die Jungfrüchte", sagt Tobias Hahn von der Obstbaumversuchsanstalt Müncheberg. Dort werden alte Sorten gepflegt und gesammelt und der deutschen "Genbank Obst" zugeführt. Darüber hinaus finden hier Versuche für den Erwerbsobstbau statt. So wird zum Beispiel getestet, wie Obst besser vor Kälte geschützt wird.

Zu früh für Ernteprognosen

Die Aprikosen sind in Müncheberg schon im März erfroren. Bis zuletzt standen hier Äpfel, Kirschen, Pflaumen und Birnen in Blüte. Die Äpfel halten sich noch, wahrscheinlich, weil die Kelchblätter die Blüten schützen, so Hahn. Doch die vergangenen Nächte hat es die Kirschen und Pflaumen erwischt.
 
Noch lasse sich aber nicht seriös sagen, wie groß der Schaden ist. Klar sei, dass es Mindererträge beim Müncheberger Obst gebe. Aber niemand könne jetzt schon Prognosen über die Ernteerträge geben, sagt Hahn weiter.
 
Diese hängen auch stark vom Mikroklima der Region ab. Müncheberg ist eine der rausten Regionen Brandenburgs, die Bäume stehen in Senken, wo sich die Kaltluft noch zusätzlich sammelt.

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Eine Art Verschiebung der Eisheiligen

Auch Hartmut Kretschmer vom Nabu Brandenburg relativiert: "Wir müssen festhalten, dass diese Situation nicht neu ist. Frostperioden nach hohen Temperaturen gab es auch schon vor Jahrzehnten im Frühjahr." Dennoch sei die Lage inzwischen anders: Das Aufeinanderfolgen von warmen und kalten Perioden habe sich extrem nach vorn verlagert.
 
Im Mittel der vergangenen 30 Jahre ist die Phänologie, also die Entwicklung der Pflanzen und Tiere, dieses Jahr etwa drei Wochen zu früh dran. ARD-Meteorologe Köckritz sieht darin eine Art Verschiebung der Eisheiligen. "Wenn Jahrzehnte zuvor die Eisheiligen vom 11. bis 15. Mai stattgefunden haben, beobachten wir jetzt diese Minimalspitzen eben Wochen früher." Die warmen, fast sommerlichen Temperaturen Anfang April seien früher Ende April üblich gewesen.
 
Biologe Kretschmer kann in dieser Entwicklung auch Positives erkennen. "Eingewanderte Pflanzen wie der Walnussbaum profitieren unglaublich vom Klimawandel und den damit verbundenen hohen Temperaturen. Die überwachsen ganze Waldränder hier in Brandenburg." Mit früherem Frost würden die eingewanderten Arten aber erfrieren, weil sie nicht an Frostperioden angepasst sind. Das helfe der heimischen Flora und Fauna auch.

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Konkurrenz unter Bestäubern könnte steigen

"Auch die asiatische Hornisse bekommt einen auf den Deckel. Das begrüßen wir, weil sie die heimische Honigbiene gefährdet", so stellvertretende Brandenburger Nabu-Vorsitzende Kretschmer weiter.
 
Berlins Nabu-Sprecherin Janna Einöder macht sich dennoch Sorgen um die Bienenvölker. Die Blühphasen hätten sich bei vielen Pflanzen dieses Jahr verschoben. Es sei noch nicht abzusehen, ob das vielleicht dazu führe, dass im Mai plötzlich über Wochen keine Pflanzen mehr blühen. "Sollte es dann auch noch, wie vergangenen Mai, kaum regnen, haben wir eine Art Blüh-Lücke. Dann könnte es zu Konkurrenz unter den Insekten, den Bestäubern wie Bienen kommen."
 
Für Obst und Sträucher könnte das Folgen haben: Ist es den Bienen zu lange noch zu kalt oder die Völker leiden wegen verschobener Blühzeiten für geraume Zeit unter Nahrungsmangel, so können sie nicht mehr ausreichend Blüten bestäuben.

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Tipps für Hobbygärtner

Folgen, die auch Hobbygärtner bemerken dürften. "Auch bei mir im Garten ist einiges dem Frost zum Opfer gefallen", sagt Kretschmer vom Nabu Brandenburg. Abhilfe könnten Tricks schaffen, die auch bei großen Obstbauern angewendet werden würden. Sprinkleranlagen installieren zum Beispiel, die nachts wärmeres Wasser über den Blüten abregnen.
 
In Müncheberg wird diese Frostschutzberegnung schon in vielen Obstbaumplantagen genutzt. Allerdings ist sie in Brandenburg noch nicht sehr verbreitet, sagt Tobias Hahn. Der Experte hat noch einen zweiten Tipp, um Obstbäume und Sträucher im heimischen Garten zu schützen: Mähen. "Das Gras muss weg beziehungsweise flachgelegt werden, denn dann kann der Boden sich tagsüber erwärmen und dient in der nächsten Frostnacht wieder als Nachtspeicherofen." Auch Spezialfeuertonnen zum kontrollierten Abbrennen über Nacht können helfen.
 
Wer keine Obstbäume, sondern nur kleine Blütenpflanzen schützen muss, kann diese einfach mit doppelter Plane oder Kaffeesäcken abdecken, ergänzt Einöder vom Berliner NABU. Manchmal reicht es aber auch, die Pflanzen in Hausnähe anzupflanzen. Schon die Wärmestrahlung des Gebäudes kann vor einem Abfrieren in Frostnächten helfen. Sehr empfindliche Pflanzen wie die Fuchsien gehörten in einen Kübel, so Kretschmer. Die kann man dann jederzeit nach Lage wieder ins Haus bringen. Ebenso die gemeine Balkonpflanze. Für die gilt wie eh und je die Binsenweisheit: Über Nacht sollten sie erst nach den Eisheiligen draußen stehen - Minus drei Wochen.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 22.04.2024, 19:30 Uhr