Interview

Internationaler Tag der Pressefreiheit "Auf die Belange der Journalisten wird kein Wert gelegt"

Stand: 03.05.2007 03:43 Uhr

Allein im vergangenen Jahr starben weltweit 82 Journalisten - viele Länder sind von Pressefreiheit weit entfernt. In Deutschland muss zwar kein Journalist um sein Leben fürchten, doch auch hier wächst die Sorge um die Freiheit der Presse. tagesschau.de sprach darüber mit Lutz Tillmanns vom Deutschen Presserat.

82 Journalisten verloren allein im vergangenen Jahr ihr Leben – viele Länder sind von Pressefreiheit weit entfernt. In Deutschland muss zwar kein Journalist um sein Leben fürchten, doch auch hierzulande wächst angesichts immer neuer Sicherheitsgesetze die Sorge um die Freiheit der Presse. Anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit sprach tagesschau.de darüber mit Lutz Tillmanns vom Deutschen Presserat.

tagesschau.de: Der Beruf des Journalisten ist in vielen Ländern gefährlich. Die "Reporter ohne Grenzen" berichten von 82 getöteten Journalisten im Jahr 2006 und 24 bereits in diesem Jahr - das sind erschreckend hohe Zahlen. Wo steht Deutschland in Sachen Pressefreiheit im internationalen Vergleich?

Lutz Tillmanns: Um Leib und Leben muss bei uns glücklicherweise kein Journalist fürchten. Ich bin auch ganz gewiss nicht der Ansicht, dass Deutschland die Pressefreiheit abschaffen wird. Trotzdem muss man kritisch darauf hinweisen, dass wir im internationalen Ranking von „Reporter ohne Grenzen“ deutlich nach hinten gerückt sind. Wir müssen wachsam darauf achten, was die Politik so plant. Wenn man das nicht macht, sind politische Gremien immer schnell dabei, Belange von Journalisten beiseite zu wischen.

tagesschau.de: Heute ist der Internationale Tag der Pressefreiheit - haben die deutschen Journalisten Anlass zur Sorge?

Tillmanns: Zum Feiern besteht bestimmt kein Anlass. Im weltweiten Kontext ist die Pressefreiheit hier zwar in guten Händen. Doch es sind Sicherheitsgesetze in Planung, die die journalistische Arbeit einschränken könnten - etwa zur Telekommunikationsüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und Online-Ausspähung von Computern. Dieser Entwurf ist bereits vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Künftig sollen auch die Verbindungsdaten von Journalisten gespeichert werden können.

tagesschau.de: Wo sehen Sie durch diese Gesetzesvorhaben die alltägliche Arbeit von Journalisten gefährdet?

Tillmanns: Durch die geplante Datenspeicherung soll es den Behörden ermöglicht werden, über sechs Monate hinweg sämtliche in Deutschland laufenden Kommunikationsverbindungsdaten zu speichern – E-Mail, Handy, Fax, alles das. Wenn Journalisten nun Informantengespräche führen, können sie ihren Quellen nicht mehr zusichern, dass der Informantenschutz auch gewährleistet bleibt.

tagesschau.de: Der Informant, der unerkannt bleiben will, vertraut sich dann im Zweifel lieber nicht dem Journalisten an?

Tillmanns: Genau. Bei Ermittlungen war es bislang sicher, dass der Informant anonym bleibt, künftig soll das im Einzelfall nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der Behörden entschieden werden können. Dadurch würde der Quellenschutz abhängig von Entscheidungen der Sicherheitsbehörden. Das kritisieren wir scharf.

tagesschau.de: Gibt es weitere Mängel?

Tillmanns: Der jetzige Gesetzesentwurf verhindert auch nicht, dass gegen Journalisten wegen des Verdachts der Teilnahme an Geheimnisverrat ermittelt werden kann. Dies war zuletzt Thema bei der Verfassungsbeschwerde der Zeitschrift „Cicero“, deren Redaktionsräume durchsucht worden waren. Das Verfassungsgericht hat dieses Problem nicht abschließend gelöst. Sicher muss aber sein: Wir Journalisten wollen nicht als Umweg in Anspruch genommen werden, um offene Löcher in Behörden zu stopfen.

tagesschau.de: Man kennt den Presserat als Selbstkontrollorgan der Presse, das Rügen und Missbilligungen bei verfehlter Berichterstattung ausspricht. Aber kämpft er auch für die Pressefreiheit nach außen?

Tillmanns: Wir haben die satzungsgemäße Aufgabe, die Pressefreiheit zu verteidigen. In der Politik finden wir zwar Gehör, aber leider nicht mit dem erhofften Erfolg. Im Gegenteil: Gegenwärtig beeilt sich der Gesetzgeber, diese Themen im Sinne der Sicherheitspolitik zu lösen. Sicherheitsgesetze haben in Zeiten der Terror-Angst Konjunktur. Auf die Belange der Journalisten und eine unabhängige Berichterstattung wird kein Wert gelegt.

tagesschau.de: Wo sehen Sie die Pressefreiheit noch gefährdet?

Tillmanns: Wenn es um Inhalte geht, wächst zunehmend die Einflussnahme von PR auf den Journalismus. Da gibt es einen großen Graubereich und immer mehr Beschwerden. Schleichwerbung unterläuft die unabhängige Berichterstattung und damit auch die Pressefreiheit. Deshalb setzen wir mit Nachdruck darauf, dass Werbung und redaktionelle Inhalte strikt getrennt sein müssen. Das darf auch im europäischen Kontext nicht verwässert werden.

Das Interview führte Ulrich Bentele, tagesschau.de