"Änderungsvertrag" soll Lösung bringen Merkel will EU-Verfassungskrise beenden

Stand: 14.06.2007 17:06 Uhr

Eine Woche vor dem EU-Gipfel zeigt sich Kanzlerin Merkel entschlossen, die 27 Länder konkret auf einen neuen Grundlagenvertrag zu verpflichten. Die Noch-EU-Ratspräsidentin setzt dabei auf den Nizza-Vertrag. Dieser - und nicht die gescheiterte EU-Verfassung - soll Basis des neuen EU-Änderungsvertrags sein.

Eine Woche vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat die scheidende EU-Ratspräsidentin und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Bundestag erklärt, die 27 Länder zu einer Einigung für einen neuen EU-Vertrag zu bewegen. Beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 21. und 22. Juni in Brüssel gebe es eine "Chance" auf einen Verfassungs-Fahrplan, sagte Merkel. Die Deutschen als scheidende EU-Ratsvorsitzende würden "das Unsrige dazu tun", versicherte sie. Denn Europa müsse auch mit Blick auf die Europawahlen 2009 handlungsfähig sein, so die Kanzlerin in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag.

Merkels Weg aus der EU-Verfassungskrise ist ein pragmatischer: Die Substanz des 2005 von den Franzosen und den Niederländern abgelehnten Verfassungsvertrags solle in einen neuen Vertrag überführt werden. Das bedeutet: Nicht die 482 Seiten des umstrittenen EU-Verfassungstextes sollen überarbeitet werden, sondern der Nizza-Vertrag aus dem Jahr 2000 und andere geltene EU-Regeln sollen in einen "Reformvertrag in Gestalt eines Änderungsvertrags" überführt werden. Angesichts der Vorbehalte vieler Bürger gegen einen "europäischen Superstaat" solle dieser auf alle "staatsähnlichen Symbole oder Bezeichnungen" verzichten. "Wir wollen die Substanz erhalten, ohne die Bürger zu überfordern", so die Kanzlerin.

Polen ziert sich

Widerstand kommt derzeit vor allem aus Polen. Kaczynski und dessen Bruder, Regierungschef Jaroslaw Kaczynski, drohen mit einem Veto gegen die EU-Reform, wenn ihre Forderung nach einer Änderung der geplanten Stimmengewichtung in der EU nicht berücksichtigt wird. In den derzeitigen Plänen sieht die polnische Regierung eine übermäßige Bevorzugung der großen EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien.

Merkel will Vorab-Gespräche führen

Merkel will am Samstag in Schloss Meseberg bei Berlin noch einmal versuchen, eine Annäherung mit Kaczynski zu erreichen. Auch mit weiteren EU-Staats- und Regierungschefs sind Gespräche noch vor dem EU-Gipfel geplant. In den vergangenen Wochen sei die Zahl offener Fragen bereits auf eine überschaubare Anzahl von Punkten reduziert worden, sagte Merkel. Gelinge es nicht, eine Einigung zu erreichen, wäre dies "nicht der Untergang Europas", ein Scheitern des Gipfels hätte aber schwer wiegende Folgen.

Bilanz kann sich "wahrlich sehen lassen"

Merkel zog insgesamt eine positive Bilanz der in gut zwei Wochen zu Ende gehenden EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands. In den zurückliegenden Monaten sei vieles erreicht worden, sagte Merkel. So spreche heute niemand mehr von Stagnation in Europa. Stattdessen seien eine neue Entschlossenheit und Geschlossenheit spürbar. Dabei könnten sich die Ergebnisse der deutschen Ratspräsidentschaft "wahrlich sehen lassen", betonte die Kanzlerin. So gebe es geringere Gebühren beim grenzüberschreitenden Telefonieren mit Handys und mehr Verbraucherschutz für Kreditnehmer, die Wettbewerbsfähigkeit der EU sei gestärkt worden, das Schengen-Abkommen werde ausgeweitet, und die Euro-Zone dehne sich weiter aus.

Die Kanzlerin würdigte ausdrücklich die Klimaschutz-Beschlüsse der EU vom März. Sie seien die "entscheidende Voraussetzung" für das Bekenntnis der G8-Staaten zum Klimaschutz gewesen. "Für mich steht außer Zweifel: Ohne dieses Ergebnis des März-Rates (der EU) wäre der Klimaschutzbeschluss des G8-Gipfels von Heiligendamm völlig undenkbar gewesen." Das Bekenntnis der sieben wichtigsten Industrieländer und Russlands (G8) könne in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Der Bundestag hat heute außerdem über zahlreiche Neuregelungen im Ausländerrecht beschlossen.