Walter Lübcke

Bundesanwaltschaft Warum Karlsruhe den Fall Lübcke übernimmt

Stand: 17.06.2019 19:43 Uhr

Wann übernimmt die Bundesanwaltschaft Ermittlungen? Bei terroristischen Vereinigungen und bei Einzelfall-Taten mit besonderer Bedeutung ist das möglich. Welches Kriterien führten zur Entscheidung im Fall Lübcke? Ein Überblick.

Von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Im Normalfall sind die Staatsanwaltschaften vor Ort für Mordermittlungen zuständig, so wie es zunächst auch in Kassel war. Der Generalbundesanwalt ist laut Gesetz immer dann für die Ermittlungen zuständig, wenn es um den Verdacht rechtsextremer, linksextremer oder islamistischer Strukturen hinter einer Tat geht, also wenn Anhaltspunkte für eine "terroristische Vereinigung" (mindestens drei Mitglieder) existieren. Von einem derartigen Netzwerk gebe es zumindest nach jetzigem Stand im Fall Lübcke keine Anhaltspunkte, so ein Sprecher der Bundesanwaltschaft.

Was meint "besondere Bedeutung" des Falles?

Es gibt aber noch eine weitere Situation, in der der Generalbundesanwalt Ermittlungen an sich ziehen kann. Die Hürden dafür sind hoch. Die Tat muss nach den Umständen geeignet sein, die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen, und der Fall muss eine "besondere Bedeutung" haben. Diese abstrakten Vorgaben wurden im Laufe der Jahre in Gerichtsentscheidungen mit Leben gefüllt.

1992 und 1993 hatte die Bundesanwaltschaft nach Anschlägen auf Asylbewerberheime in Mölln und Solingen die Ermittlungen an sich gezogen, 1999 im Fall Eggesin nach Gewalttaten gegen zwei Vietnamesen. Damals war zum Beispiel entscheidend, dass die Tat "zu dem Eindruck beiträgt, dass Ausländern ein sicherer Aufenthalt in der Bundesrepublik nicht mehr möglich ist". Ein "Klima der Angst" sei entstanden, hatte die Bundesanwaltschaft argumentiert. Das sind aber nur Beispiele für Kriterien. Die Prüfung im Einzelfall umfasst eine ganze Reihe verschiedener Kriterien, bis hin zum Echo in der Öffentlichkeit, das der Fall nach sich zieht.

Vergleichbare Situation im Fall Reker

Der aktuelle Fall aus Kassel weckt zumindest Erinnerungen an das Attentat auf die Kölner Bürgermeisterin Henriette Reker im Oktober 2015. Auch dort hatte Generalbundesanwalt Frank die Ermittlungen wegen "besonderer Bedeutung" an sich gezogen. Entscheidend war, dass der Täter nach den bisherigen Erkenntnissen ein Zeichen gegen die immer höhere Anzahl an Flüchtlingen habe setzen wollen. Frau Reker habe der mutmaßliche Täter als Ziel gewählt, weil sie für eine "Willkommenskultur" gestanden habe.

Im Fall Lübcke ist das genaue Motiv des Festgenommenen noch nicht abschließend geklärt. Aber die Ermittler gehen zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass es um ein politisches Attentat mit einer - aus Sicht des mutmaßlichen Täters - möglichen "Signalwirkung" gehen könnte. Im umgekehrten Sinne kann man die Übernahme durch den Generalbundesanwalt dann als eine Art Signal verstehen, dass die deutsche Justiz solche Fälle extrem ernst nimmt, weil der oberste Ermittler des Bundes den Fall an sich zieht.

Walter Lübcke

Im Fall Lübcke geht die Bundesanwaltschaft von einem rechtsextremistischen Hintergrund der Tat aus.