Hintergrund

Probleme beim Kita-Ausbau Schleppender Ausbau, fehlendes Personal

Stand: 17.10.2012 15:27 Uhr

Um den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab August 2013 gewährleisten zu können, müssen bis dahin rund 160.000 neue Plätze entstehen. Die Kommunen befürchten bereits ein Klagewelle. tagesschau.de gibt einen Überblick über den Fortschritt beim Ausbau und die strittigen Punkte.

Bislang gibt es in Deutschland etwa 620.000 Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren. Auf dem Krippengipfel 2007 wurde beschlossen, dass 750.000 Plätze bis August 2013 vorhanden sein müssen, um den Rechtsanspruch garantieren zu können. Weil aber einige Länder mehr Bedarf haben, als 2007 abzusehen war, müssen zusätzliche 30.000 Plätze geschaffen werden - insgesamt 780.000 Plätze. Es fehlen also noch rund 160.000 Kita-Plätze.

Insgesamt soll es so bundesweit für 39 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz geben - auch wenn der Bedarf von Land zu Land variieren kann. Vor allem in Großstädten liegt er deutlich darüber.

Um diese Plätze zur Verfügung stellen zu können, stellt der Bund 4,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Dazu kommen ab 2014 noch einmal 845 Millionen pro Jahr für den laufenden Betrieb, die der Bund selbst übernimmt, sowie 75 Millionen Euro, die er dafür den Bundesländern bereitstellt. Die Länder und Kommunen steuern ihrerseits etwa acht Milliarden Euro bei. Wegen des erwähnten zusätzlichen Bedarfs gab der Bund noch einmal 580,5 Millionen Euro frei. Diese Summe wurde unter anderem mit der Zustimmung der Bundesländer zum Fiskalpakt erkauft.

Die Länder fühlen sich zu stark eingeschränkt

Der Bund hat seine Hilfen an Bedingungen geknüpft: Unter anderem soll es eine Berichtspflicht der Länder über die tatsächliche Verwendung des Geldes geben, da man im Familienministerium befürchtet, die Länder könnten es auch zur Haushaltssanierung verwenden. Außerdem sollen die Länder den aktuellen Stand ihres Krippenausbaus preisgeben. Die Bundesländer kritisieren jedoch einige dieser Bedingungen, sie fühlen sich davon zu stark eingeschränkt.

In den Kassen der Kommunen klafft trotz der Bundeshilfen ein riesiges Finanzierungs-Loch. Nicht nur deshalb ist unklar, ob die neuen Plätze bis zum Stichtag 1. August 2013 wirklich geschaffen werden können.

In zusätzliche Bedrängnis geraten die Kommunen durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs, wonach auch kommunale Kitas künftig Steuern zahlen müssen. Sie unterlägen als gewerbliche Betriebe genauso der Pflicht zur Körperschaftssteuer wie private Anbieter, entschied das oberste deutsche Steuergericht. Mangels großer Gewinne der meisten Kitas dürften die praktischen Auswirkungen aber eher gering sein.

Peter Mücke, P. Mücke, ARD Berlin, 19.07.2012 10:37 Uhr

Schleppender Ausbau, fehlendes Personal

Der Ausbau selbst geht nur schleppend voran. Laut Familienministerium sind zwischen März 2011 und Mai 2012 etwa 100.000 Betreuungsplätze entstanden. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, fehlen am 1. August 2013 noch mindestens 50.000 Plätze. Außerdem ist nicht klar, woher die Erzieher für die zusätzlichen Kinder kommen sollen.

Zudem fehlen in vielen Städten geeignete Flächen, um neue Kitas zu errichten - und allein mit dem Ausbau bestehender Strukturen dürfte der Mehrbedarf kaum zu decken sein. Denn durch den quantitativen Ausbau des Betreuungsangebots, mahnen Kritiker, dürfe die Qualität nicht leiden. Gerade in Ballungszentren ist der Bedarf an neuen Plätzen oft deutlich höher als der errechnete Bundesdurchschnitt.

Die Bundesländer sind unterschiedlich weit im Ausbau der Kitas vorangekommen. So bieten vor allem die neuen Bundesländer laut aktueller Statistik bereits überdurchschnittlich vielen Kindern einen Kita-Platz. In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg stehen für mehr als die Hälfte der Kinder unter drei Jahren Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung. In Nordrhein-Westfalen, wo alleine 27.000 Kita-Plätze fehlen, sind dagegen nur 15 Prozent versorgt, in Niedersachsen und Bremen nur knapp 20 Prozent.

Lösung 10-Punkte-Plan?

Um den Ausbau von Kita-Plätzen zu beschleunigen, hatte Familienministerin Kristina Schröder ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt. Darin schlägt sie auch eine Maßnahme vor, um dem drohenden Personalmangel zu begegnen. Von allen Erziehern arbeiten gut 60 Prozent nur in Teilzeit. Wenn es gelänge, einen Teil von ihnen dazu zu bewegen, mehr Stunden zu arbeiten, wäre man dem angepeilten Ziel bereits einen großen Schritt näher. Weitere Vorschläge, um den Zeitplan noch einhalten zu können, sind die Förderung von Betriebskindergärten, vergünstigte Kredite für Kommunen oder Lohnzuschüsse für Tagesmütter.

Für Schröder ist der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab August 2013 "nicht verhandelbar". Ob es ihr mit dem Zehn-Punkte-Plan gelingt, die nötigen Kita-Plätze zu schaffen und dieses "mit Abstand wichtigste familienpolitische Thema" wie geplant umzusetzen, wird sich zeigen.

Kommunen wollen Termin verschieben

Die ohnehin klammen Kommunen rechnen jedenfalls nicht damit: Der Deutsche Städtetag möchte den Termin sogar aufschieben, weil in den Innenstädten oft nur schwer geeignete Grundstücke oder Immobilien für die Errichtung einer Kita zu bekommen seien. Die Umsetzung sei zudem aufgrund des unerwartet hohen Bedarfs an Betreuungsplätzen unmöglich. In einer Großstadt wie München beispielsweise zeichne sich bei 66 Prozent der Eltern ein Betreuungswunsch ab.

Die Kommunen befürchten sogar eine Klagewelle von Eltern, sollte der Rechtsanspruch bis zum 1. August 2013 nicht einzulösen sein. Dann, warnte Jürgen Dieter vom Deutschen Städtetag, müssten die Kommunen das Geld für Schadenersatzzahlungen ausgeben - und könnten erst recht keine weiteren Kita-Plätze schaffen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 17. Oktober 2012 um 16:00 Uhr