Blick auf den Kölner Dom.

Katholische Kirche in der Krise So viele Austritte wie noch nie

Stand: 27.06.2022 15:06 Uhr

Etwa 360.000 Menschen haben 2021 die katholische Kirche verlassen - fast ein Drittel mehr als im bisherigen Rekordjahr. Ein Grund: der Missbrauchsskandal. Erstmals sind die Mitglieder der beiden Kirchen in der Minderheit.

Im vergangenen Jahr sind so viele Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten wie nie zuvor. Laut Deutscher Bischofskoferenz (DBK) kehrten 2021 deutschlandweit 359.338 Katholikinnen und Katholiken ihrer Kirche den Rücken - etwa 86.000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019.

Höchststand an Austritten aus der Katholischen Kirche

Sebastian Grosser, BR, tagesschau24 16:00 Uhr

"Für uns ist das die bisher höchste Zahl", bestätigt DBK-Sprecher Matthias Kopp mit Blick auf die neue Statistik. Die katholische Kirche hat ihm zufolge noch 21.645.875 Mitglieder - das entspricht 26 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing zeigte sich "zutiefst erschüttert über die extrem hohe Zahl von Kirchenaustritten". Die Zahl sei Zeugnis einer "tiefgreifenden Krise, in der wir uns als katholische Kirche in Deutschland befinden", sagte er. "Es ist nichts schönzureden." Mittlerweile träten nicht nur Menschen aus, die schon über einen längeren Zeitraum keinen Kontakt mehr zur Kirche haben, sondern vermehrt auch bisher sehr engagierte Katholiken, sagte Bätzing.

2020 hatten 221.390 Katholikinnen und Katholiken in Deutschland die Religionsgemeinschaft verlassen. 2019 - im Jahr vor Corona - lag die Zahl nach DBK-Angaben bei 272.771.

Fall Woelki wird als ein Auslöser gesehen

Als eine der Ursachen wird der seit Jahren anhaltende Missbrauchsskandal der katholischen Kirche gesehen. Dieser hatte sich 2021 erneut zugespitzt. Insbesondere sorgte die Aufarbeitung im Erzbistum Köln und das Verhalten des dortigen Kardinals Rainer Maria Woelki für massive Kritik.

Allein im Erzbistum Köln gab es 40.772 Kirchenaustritte - im Vergleich zu 17.281 Fällen im Vorjahr war dies mehr als eine Verdopplung. Der scheidende Kölner Generalvikar Markus Hofmann erklärte, das Erzbistum müsse anerkennen, "dass der schmerzvolle Weg der Aufarbeitung und andere Krisen das Vertrauen vieler Menschen in die Kirche heftig erschüttert haben". Weiter sagte er:

Wir müssen alles daran setzen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Nach Ansicht des Münsteraner Religionssoziologen Detlef Pollack wird sich der Trend beschleunigen: "Wer weg ist, den kriegt man kaum wieder." Grund dafür sei, dass die Kirchenmitgliedschaft immer stärker der Rechtfertigung bedürfe, sagte er im Interview mit der Nachrichtenagentur epd. "Heute müssen Gründe mobilisiert werden, warum man in der Kirche ist, während früher Gründe für den Austritt gesucht werden mussten."

Die Kirchen könnten im Grunde wenig tun, um den Trend aufzuhalten.

Austritte auch in der evangelischen Kirche

Erstmals gehören weniger als die Hälfte der Bundesbürger einer der großen Kirchen an. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verzeichnet sinkende Mitgliederzahlen. Sie hatte ihre Statistik bereits im März veröffentlicht. Demnach gehörten im vergangenen Jahr 19,7 Millionen Deutsche einer der evangelischen Landeskirchen an. Die Zahl der Kirchenaustritte stieg im Vergleich zum Vorjahr um 60.000 auf rund 280.000.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 27. Juni 2022 um 13:00 Uhr.