Interview

Interview zum SPD-Führungswechsel Profitiert jetzt die Linkspartei?

Stand: 08.09.2008 15:25 Uhr

Nach dem dramatischen Chefwechsel ringt die SPD um ihre Geschlossenheit. Vor allem die Parteilinke beobachtet mit Argusaugen, welche Signale von der neuen Führung ausgehen und wird zugleich verstärkt von der Linkspartei umworben. Ist die Linke in der SPD mit dem Wechsel von Beck zu Müntefering wieder an den Rand gedrängt worden - und können die Lockrufe der Linkspartei Erfolg haben? Darüber sprach tagesschau.de mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel.

tagesschau.de: Herr Barthel, hatten Sie eine unruhige Nacht?

Klaus Barthel: Nein.

tagesschau.de: Wie fühlt man sich heute als Linker in der SPD?

Barthel: Eigentlich unverändert. Die Themen, die wir in der vergangenen Woche auf die Tagesordnung gebracht haben, bleiben ja. Das hat sich durch das Wochenende nicht erledigt.

"Problematische Umstände"

tagesschau.de: War es erforderlich, den Parteivorsitzenden auszuwechseln?

Barthel: Ich bin bis gestern davon ausgegangen, dass Kurt Beck Parteivorsitzender bleibt. Der Wechsel findet unter problematischen Umständen statt. Ob wir daraus einen Erfolg machen, ob die Partei gestärkt daraus hervorgehen wird, hängt von den Akteuren selber ab.

Zur Person

Klaus Barthel vertritt im Bundestag für die SPD den Wahlkreis Starnberg (Bayern). Der 53-Jährige gilt als einer der führenden Vertreter des linken Flügels. In der vergangenen Woche veröffentlichte er zusammen mit 60 SPD-Politikern und Gewerkschaftern einen Aufruf, in dem ein Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik und ein stärkerer Sozialstaat gefordert wurde.

tagesschau.de: Warum hat Kurt Beck Ihrer Meinung nach das Handtuch geschmissen – war es tatsächlich ein Putsch des rechten Parteiflügels?

Barthel: Ich war nicht mit dabei. In meinen Augen hat Kurt Beck versucht, den Prozess, der jetzt anstand - die Kanzlerkandidatur, aber auch die programmatischen Fragen – selbst zu steuern. Er wollte dies als Vorsitzender selbst in der Hand haben. Das haben ihm offensichtlich andere aus der Hand genommen. Es waren vor allem Kräfte außerhalb der Partei, aber die müssen auch Unterstützung aus dem engsten Führungskreis gehabt haben.

"Zusammenspiel verschiedener Kräfte"

tagesschau.de: Wen meinen Sie damit – die Medien?

Barthel: Zum Teil die Medien, aber zum Beispiel auch das Meinungsforschungsinstitut Forsa, das mit Umfragen versucht hat, bestimmte Entscheidungen nahezulegen. Da gibt es ein Zusamenspiel von verschiedenen Kräften.

tagesschau.de: ... die aber nicht agieren können, wenn sie nicht zunächst aus der Partei gefüttert werden.

Barthel: Richtig. Das muss der innere Kreis in der Führung gewesen sein.

tagesschau.de: Welches Interesse hatte denn dieser Teil der Führung?

Barthel: Darüber kann ich nicht spekulieren. Es bringt auch nichts, Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Jetzt kommt es darauf an, dass unter der sich abzeichnenden neuen Führung die richtigen inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden.

"Führung muss gesamte Partei repräsentieren"

tagesschau.de: Wofür steht denn das neue Führungsduo – für eine Rückkehr zur Agendapolitik?

Barthel: Die neue Führung wird die Aufgabe haben, das gesamte Spektrum der Partei abzudecken. Wir können es uns nicht leisten, die Partei einseitig auf einen bestimmten Kurs festzulegen.

tagesschau.de: Die Partei Die Linke wirbt nun offensiv um den linken Flügel der SPD. Verfängt dieser Lockruf?

Barthel: Das wird davon abhängen, wie sich die Parteiführung jetzt aufstellt. Es muss in der SPD eine inhaltliche und personelle Balance hergestellt werden. Für viele Aktive in der Partei und die Wähler wird entscheidend sein, welche Botschaften jetzt kommen. Da wird Die Linke keine Rolle spielen, sondern sie wird von den Fehlern profitieren und den Einfallstoren, die man ihnen bietet.

tagesschau.de: Reicht es aus, die Erfolge der vergangenen Jahre offensiver zu verkaufen, wie es Franz Müntefering in der vergangenen Woche gefordert hat?

Barthel: Selbstverständlich ist es richtig, herauszustreichen, was wir erreicht haben: dass wir in der Bildungs- und Forschungspolitik wieder für mehr Investitionen gesorgt haben, dass wir die Energiewende vorangetrieben haben. Vieles ist inzwischen selbst in der CDU Allgemeingut geworden. Darauf können wir stolz sein. Die Frage ist nur, welche Zusammenhänge stellen wir her, und welche Schlussfolgerungen leiten wir daraus ab. Natürlich gibt es andererseits auch Folgen von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, aus denen wir lernen und die richtigen Konsequenzen ziehen müssen.

Die Fragen stellte Eckart Aretz, tagesschau.de