Ein Schild mit der Aufschrift "Bundesfinanzhof" hängt vor dem Bundesfinanzhof (BFH) an einem Zaun.
Analyse

Bundesfinanzhof Warum der Soli verfassungsgemäß ist

Stand: 30.01.2023 14:22 Uhr

Die höchsten deutschen Finanzrichter halten den Solidaritätszuschlag für zulässig. Das könne sich auf Dauer aber ändern, so das Gericht. Die Kläger werden wohl Verfassungsbeschwerde einreichen.

Von Kolja Schwartz, ARD-Rechtsredaktion

Das Grundgesetz regelt sehr genau, welche Steuern und Abgaben es geben darf und wem die Einnahmen daraus zugutekommen. Die wichtigsten Steuern sind die Einkommenssteuer und die Umsatzsteuer. Sie stehen Bund und Ländern gemeinsam zu. Die Verfassung sieht daneben in Art. 106, Absatz 1, Nr. 6 die sogenannte Ergänzungsabgabe vor, die der Bund erheben darf und dessen Einnahmen ausschließlich dem Bund zustehen. Der Solidaritätszuschlag ist eine solche Ergänzungsabgabe.

Allerdings darf der Bund diese nicht "einfach so" erheben und damit quasi die Einkommenssteuer einseitig erhöhen. Vielmehr darf es die Ergänzungsabgabe nur dann und nur so lange geben, wie die Voraussetzungen dafür vorliegen. Zum einen braucht es einen vorübergehenden Finanzbedarf des Bundes. Und zum anderen einen guten Grund für diesen Mehrbedarf. Unstreitig handelt es sich bei den Kosten, die im Zusammenhang mit der deutschen Einheit entstanden sind, um einen solchen Mehrbedarf und unstreitig ist die deutsche Einheit auch ein entsprechender Grund für den Mehrbedarf.

Einheit als "Generationenaufgabe"

Das gelte auch für die Jahre 2020 und 2021, urteilten jetzt die Richter am Bundesfinanzhof. Um diesen Zeitraum ging es in der Klage. Der Gesetzgeber habe 2019 im "Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags" nachvollziehbar begründet, dass es nach wie vor einen wiedervereinigungsbedingten Finanzbedarf gebe, unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts.

Es gebe auch keine zwingende Verbindung zwischen dem Solidaritätszuschlag und dem 2019 ausgelaufenen Solidarpakt II. Eine Ergänzungsabgabe müsse nicht von vornherein befristet sein und ein Mehrbedarf könne sich auch für längere Zeiträume ergeben. Die Einheit sei eine "Generationenaufgabe".

Kolja Schwartz, SWR, zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs

tagesschau24 14:00 Uhr

Zuschlag ist "noch" verfassungsgemäß

Das Gericht macht aber auch klar, dass eine solche Abgabe nicht für immer erhoben werden darf. Denn: Ein dauerhafter Finanzbedarf müsse über die auf Dauer angelegten Steuern gedeckt werden, nicht über eine Ergänzungsabgabe. Sie sei "noch" verfassungsgemäß, betonte der Präsident des Bundesfinanzhofs, Hans-Josef Thesling, in der mündlichen Urteilsbegründung.

Mit anderen Worten: Je länger man den Soli beibehalten will, desto besser muss der Gesetzgeber begründen, dass man ihn noch braucht, er aber nicht zu einer dauerhaften Abgabe wird. Dem habe der Gesetzgeber bisher Rechnung getragen und mit dem "Einstieg in den Ausstieg aus dem Soli" begonnen. Seit 2021 sind etwa 90 Prozent der Steuerpflichtigen vom Solidaritätszuschlag befreit. Nur Spitzenverdiener zahlen seitdem die Abgabe.

Klägern steht Verfassungsbeschwerde offen

In dieser Neuregelung sehen die Kläger eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Das Gericht hingegen sieht darin zwar eine Ungleichbehandlung, für diese gebe es aber einen sachlichen Grund, deshalb liege auch hier kein Verstoß gegen die Verfassung vor. Bei Steuern, die an die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ausgerichtet seien, sei die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig. Das Sozialstaatsprinzip rechtfertige, dass die Leistungsfähigen mehr zahlen als die Leistungsschwachen. So sei es auch hier.

Mit dem heutigen Urteil kann es den Solidaritätszuschlag in seiner jetzigen Form erst einmal weitergeben. Für den Bund bedeutet dies, dass er auf die Einnahmen von etwa elf Milliarden Euro jährlich nicht verzichten muss.

Allerdings haben die Kläger bereits angekündigt, nun selbst nach Karlsruhe zu ziehen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs haben sie die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Dieses würde dann - unabhängig von dem Urteil heute - überprüfen, ob der Soli auch 33 Jahre nach der deutschen Einheit noch mit der Verfassung vereinbar ist. Wann mit einer solchen Entscheidung zu rechnen ist, lässt sich noch nicht absehen.

Solidaritätszuschlag weiterhin rechtsmäßig

tagesschau 20:00 Uhr, tagesschau, tagesschau, 30.01.2023 20:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. Januar 2023 um 14:00 Uhr.