
Bund-Länder-Treffen Söder und die Anderen
Bayerns Ministerpräsident Söder dürfte vorerst das letzte Mal als stellvertretender Vorsitzender an der Ministerpräsidentenkonferenz teilnehmen. Die Bühne nutzte er oft in eigener Sache. Das gefiel nicht allen.
Es gibt im Bayerischen einen Begriff, der heißt: "da Ander". "Da Ander" bedeutet nichts anderes als "der Andere". "Die Ander" geht freilich auch - und soll ausdrücken: Diese Person hat eigentlich keinen Namen, vielleicht auch kein Gesicht, man weiß es nicht. Jedenfalls ist sie nicht wichtig genug und daher auch kaum erwähnenswert.
Markus Söder hat das nie so ausdrücklich formuliert, aber er hat in seinem politischen Leben oft den Eindruck vermittelt, dass die anderen eben nur die "anderen" sind. Zur Perfektion trieb er das in den Runden der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin. "Der Kollege aus Hamburg", sagte er zu Peter Tschentscher von der SPD, immerhin Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, im April bei der Pressekonferenz mit der Bundeskanzlerin.
Das Schicksal teilt Tschentscher mit vielen Länderchefs. Söder wird im Laufe der Zeit sehr oft von "dem Kollegen" oder "anderen Bundesländern" sprechen.
Das Rotationsprinzip
Dass der bayerische Ministerpräsident während der ganzen Corona-Zeit bei den Ministerpräsidenten-Konferenzen (MPK) auf allen Kanälen präsent war, liegt schlicht und einfach am Rotationsprinzip. Vorsitzender der MPK ist jeweils ein Jahr lang ein Ministerpräsident oder eine Ministerpräsidentin, dann wird er oder sie Vize, auch wieder für ein Jahr.
Bei Söder fallen diese beiden Jahre nun in die Zeit der Corona-Pandemie. Die Länderchefs mussten sich viel öfter als üblich mit der Kanzlerin in Berlin treffen. Allein aus Infektionsschutzgründen fanden die meisten Sitzungen hybrid statt. Nur der erste und zweite Vorsitzende der MPK waren persönlich zu Gast bei Angela Merkel. Die anderen mussten sich meistens per Video zuschalten. Söder hat kein einziges Mal in Berlin gefehlt.
Längste Redezeit für Söder
Der bayerische Ministerpräsident lag bei den Treffen in Berlin nicht nur physisch vorn. Er ist größer als Merkel, Tschentscher und der aktuelle Vorsitzende der MPK, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller von der SPD. Söder redete auf Pressekonferenzen auch grundsätzlich am längsten.
Beispiel: 30. April 2020, Tschentscher fasst die Ergebnisse in nicht einmal zwei Minuten zusammen. Söder nimmt sich fast zehn Minuten Zeit. Beispiel: 3. Dezember 2020, Merkel redet gute fünf Minuten, Söder gute acht. Diese Vergleiche lassen sich beliebig fortsetzen.
Ein glücklicher Zufall
Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern von der SPD, hat diese Zeit live erlebt. Sie stellt Söder nach eineinhalb Jahren Corona-Krisensitzungen ein schlechtes Zeugnis aus. Letztlich sei es dem bayerischen Ministerpräsidenten nur um seine persönliche Agenda gegangen, sagt sie.
Als Söder MPK-Vorsitzender gewesen sei, wäre es seine Verantwortung gewesen, alle 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zusammenzuholen und eine gemeinsame Linie zu finden. Aber Söder - so Schwesig - wollte erstmal rausgehen und "sagen, was er gut findet, anstatt die Leute zusammenzuholen."
Die Corona-Pandemie erwischte Deutschland fast so kalt wie die Union ihre Suche nach einem neuen Vorsitzenden. Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte ihren Rückzug vom Amt der Parteichefin im Februar 2020 - gleichzeitig machte sich ein noch unbekanntes Virus auf den Weg nach Europa.
Mit dem Rückzug von Kramp-Karrenbauer war klar: Wer neuer CDU-Chef wird, hat auch große Chancen auf die Kanzlerschaft. Diese Rechnung hatten Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Laschet allerdings ohne Söder gemacht. Der bayerische Ministerpräsident spielte sich in all den MPK-Sitzungen geschickt nach vorn, so dass er noch weit vor der Entscheidung zum CDU-Vorsitz als nächster Unions-Kanzlerkandidat gehandelt wurde. Laschet konnte oft nur vom Seitenrand - in diesem Fall zugeschaltet per Video - agieren.
Vorsitz der MPK wechselt nach NRW
Schwesig war nicht die einzige Ministerpräsidentin, die diese Konkurrenz schnell erkannte. Das Wettrennen um die vermutlich besten Anti-Corona-Maßnahmen nennt sie ein "Schaulaufen zwischen Laschet und Söder." Mal habe der eine die Möbelhäuser geöffnet, dann der andere die Baumärkte.
Nun dreht sich das Blatt. Am 1. Oktober 2021 wird der neue MPK-Vorsitzende aus Nordrhein-Westfalen kommen. Dorthin wechselt rotationsgemäß der Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz. Weil Laschet unbedingt nach Berlin wechseln will, ob als Kanzler oder einfacher Abgeordneter, hat der nächste Vorsitzende der MPK wirklich keinen Namen - und heißt bis dahin: "da Ander".