Drei ukrainische Soldaten stehen vor einem "Marder"-Panzer.

Ukrainer in Munster Ein Panzerkurs im Schnelldurchgang

Stand: 21.02.2023 14:14 Uhr

In nur fünf Wochen sollen Soldaten aus der Ukraine im niedersächsischen Munster den Umgang mit deutschen Panzern lernen. Eine Herausforderung, denn nur wenige haben Vorkenntnisse.

Von Johannes Koch, NDR

"Wir haben keine Zeit. Wir müssen schnellstmöglich zurück in die Ukraine", sagt Anatoli, als er gefragt wird, wie anstrengend die Ausbildung im niedersächsischen Munster ist. Anatoli ist einer von mehreren hundert Ukrainern, die derzeit am größten Standort des deutschen Heeres ausgebildet werden. Sein Nachname soll geheim bleiben, sein Gesicht ist vermummt. Eine Vorsichtsmaßnahme, denn schon in wenigen Wochen könnten er und seine Kameraden wieder an der ukrainischen Front kämpfen.

Vorher üben sie in Munster vor allem am Schützenpanzer "Marder" und Kampfpanzer "Leopard 2", lernen aber auch Koordination und Reparatur der Panzer. Es sind Ausbildungsinhalte, die sonst in mehreren Monaten gelehrt werden, erklärt Oberstleutnant Peter - auch sein Nachname bleibt geheim. Der Bundeswehrsoldat leitet die Ausbildung am Kampfpanzer "Leopard 2". Ein Lehrgang von fünf Wochen, mindestens sechs Tage die Woche, 12 Stunden am Tag. "Der Sonntag ist eigentlich frei", sagt der Oberstleutnant. "Aber wenn wir feststellen, dass es Ausbildungsdefizite gibt, dann nehmen wir auch den Sonntag dazu."

Verteidigungsminister Pistorius besucht ukrainische Soldaten in Ausbildung in Munster

Johannes Koch, NDR, tagesschau, tagesschau, 20.02.2023 20:00 Uhr

Große Hoffnungen in deutsche Panzer

Die Vorkenntnisse der Ukrainer in Munster beschreibt der Oberstleutnant als "sehr, sehr unterschiedlich". Rund 20 Prozent der angehenden Leopard-Besatzungen hätten weitgehende Erfahrungen, der Rest eher nicht. Und so erhalten Panzerfahrer, Richtschützen, Ladeschützen und Kommandanten einen militärischen Grundkurs im Schnelldurchgang.

Der Großteil der Ausbildung sei praktisch, immer mit dem Ziel, die Soldaten so schnell wie möglich für das Bestehen im Krieg auszubilden, sagt Peter. Auch wenn das hier in Munster keiner so deutlich sagt - es schwingt immer mit, dass es für die Ukrainer schlicht ums Überleben geht. Vor allem mit den Waffen, die vorhanden sind.

Dabei spiele auch die knappe Munition eine Rolle, so der Ausbildungsleiter: "Wir bilden so aus - und das gibt das System her -, dass wir möglichst mit dem ersten Schuss treffen." Auch für Anatoli ist das neu. "Wir haben an sowjetischen Kampfpanzern gearbeitet. Die sind alt - und diese, die sind modern und neu. Und wir haben große Hoffnungen in die modernen Kampfpanzer", sagt er. Und er möchte den Deutschen danken, sagt Anatolis Übersetzer Olek. Er ist selbst Soldat, kam schon vor mehreren Wochen aus der Ukraine nach Munster, übersetzt und organisiert die Ausbildung mit.

Wladimir Klitschko, Boris Pistorius und Oleksii Makeiev.

Der ukrainische Ex-Profiboxer Wladimir Klitschko, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev bei ihrem Besuch in Munster.

Nach der Ausbildung Vokabeln lernen

Nur durch Übersetzer wie Olek ist die schnelle Ausbildung für Ukrainer in Munster möglich. Bedienelemente, Steuereinheiten im Panzer - alles ist auf Englisch oder Deutsch. Das Wichtigste im Panzer habe man vor der Ausbildung übersetzt, heißt es von der Bundeswehr. Nach den 12-stündigen Ausbildungstagen müssten die Ukrainer oft noch Panzervokabeln lernen.

"Vieles funktioniert aber auch mit Händen und Füßen", sagt Hauptmann Stefan. Er bildet am Schützenpanzer "Marder" aus. "Wir machen das vor und die machen das nach." Dass er nun mit Soldaten arbeite, die direkt aus einem Krieg kämen und in wenigen Wochen wieder dort seien, habe seine eigentliche Arbeit nicht verändert, sagt der Ausbilder. "Wir haben Soldaten schon immer für den Ernstfall vorbereitet." Und doch sei man etwas konzentrierter, denn klar sei auch: "Alles, was man hier nicht schafft, fehlt am Ende."

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Pistorius: Zeitplan steht

Die deutschen "Leopard-2"- und "Marder"-Panzer sollen bis Ende März in der Ukraine ankommen. Der Zeitplan stehe, sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am Montag bei seinem Besuch bei der Ausbildung in Munster.

Anatoli könnte dann einer der ersten ukrainischen Soldaten sein, der in deutschen Kampfpanzern in der Ukraine kämpft. Und er wird ziemlich sicher nicht der letzte Ukrainer sein, der in Munster ausgebildet werden wird. Verteidigungsminister Pistorius sicherte der Ukraine bei seinem Besuch zu: Deutschland werde so viele Soldaten ausbilden, wie die Ukraine es fordere.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. Februar 2023 um 20:00 Uhr.