Röhren an der Anlandestation der Gaspipeline Nord Stream 1 in Lubmin
Hintergrund

Gaspipeline Nord Stream - Chronik eines Politikums

Stand: 21.07.2022 06:43 Uhr

Nord Stream bringt durch Unterwasserleitungen russisches Gas nach Westeuropa. Um die Kapazität zu verdoppeln, sollte die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 erweitert werden. Zuletzt floss aber gar kein Gas - was bisher geschah.

1997

In ersten Machbarkeitsstudien wird untersucht, wo genau die Pipeline in der Ostsee verlaufen könnte.

September 2005

In Anwesenheit des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) und Russlands Präsident Wladimir Putin unterzeichnet ein Konsortium großer Energiekonzerne eine Vereinbarung zum Bau von Unterwasser-Leitungen durch die Ostsee. Polen, die Ukraine und Weißrussland sehen in den Plänen eine Konkurrenz zu ihren Landleitungen und fürchten um Einnahmen aus Transitgebühren.

März 2006

Schröder, der die Pipeline als Regierungschef maßgeblich vorangetrieben hatte, wird nur wenige Monate nach Ende seiner Kanzlerschaft Aufsichtsratsvorsitzender bei der Betreiber-Firma Nord Stream AG. Dafür wird er massiv kritisiert.

April 2010

Der Bau des ersten von zwei Strängen der Pipeline Nord Stream 1 auf einer Länge von 1224 Kilometern beginnt. Jede der zwei Leitungen besteht aus jeweils 100.000 Einzelrohren, die mit Hilfe mehrerer Schiffe in der Ostsee verlegt werden.

November 2011

Erstes Gas strömt durch die erste Leitung von Nord Stream 1 vom russischen Wyborg bis ins deutsche Lubmin bei Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Russlands Präsident Dmitri Medwedew nehmen die Trasse symbolisch in Betrieb. Umweltverbände warnen vor nicht absehbaren Folgen für Flora und Fauna in der Ostsee.

Oktober 2012

Der zweite Strang von Nord Stream 1 geht an den Start. Das insgesamt 7,4 Milliarden Euro teure Projekt kann fortan eine Menge von 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr transportieren.

September 2015

Der Gesellschaftervertrag für das Projekt Nord Stream 2 wird unterzeichnet. Einziger Anteilseigner ist formal Russlands Energiekonzern Gazprom. Dazu kommen mehrere "Unterstützer" - darunter auch deutsche Energieunternehmen.

März 2018

Der Bau der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 beginnt. Die Gasleitung soll weitgehend parallel zu Nord Stream 1 verlaufen und noch einmal soviel Gas transportieren können. In zwei Strängen sollen wieder jeweils 100.000 Einzelrohre verlegt werden. Ursprünglich geplanter Start der Pipeline ist Ende 2019, der sich jedoch mehrfach wegen fehlender Baugenehmigungen verzögert.

Dezember 2019

Die Bauarbeiten stoppen abrupt. Die beiden Schweizer Verlegeschiffe werden wegen Sanktionsdrohungen der USA abgezogen. Die USA argumentieren, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Moskau begeben würde. Russland wirft den USA vor, sie würden eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen und ihr Flüssiggas verkaufen wollen. Russische Schiffe übernehmen die Arbeiten.

September 2021

Nord Stream 2 ist nach Angaben von Gazprom fertiggestellt, aber noch nicht in Betrieb. Die Baukosten belaufen sich auf mehr als zehn Milliarden Euro.

Februar 2022

Angesichts eines drohenden Kriegs in der Ukraine legt die deutsche Bundesregierung Nord Stream 2 auf Eis. Offizieller Grund ist, dass die Freigabe durch die zuständigen Behörden fehlt, also die Pipeline nicht zertifiziert ist. Kurz danach beginnt Russland seinen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Juli 2022

Seit dem 10. Juli wird Nord Stream 1 gewartet, sodass kein Gas mehr durch die Röhren unter der Ostsee fließt. Schon zuvor hatte der russische Staatskonzern Gazprom die Lieferungen auf 40 Prozent gedrosselt und dies mit einer fehlenden Turbine begründet. Die Bundesregierung hält dieses Argument für vorgeschoben und befürchtet, dass nach der Wartung kein Gas mehr durch Nord Stream 1 fließen wird. Am 21. Juli laufen die Lieferungen aber wieder an - wenn auch auch reduziertem Niveau.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21. Juli 2022 um 08:30 Uhr.