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Analyse

Linkspartei Irgendwie weitermachen

Stand: 12.01.2023 13:35 Uhr

Zusammenraufen, weitermachen - irgendwie: Wenn sich die Linkspartei jetzt zur Fraktionsklausur in Leipzig trifft, soll es mal nicht um Streit oder Spaltung gehen. Dazu müssten aber alle kommen.

Eine Analyse von Uwe Jahn, ARD Berlin

Wirtschaftspolitik, Frauenplenum, Strategiedebatte: Die Themen für die Fraktionsklausur der Linken klingen nach politischer Routine. Anhaltspunkte für eine Krise der Fraktion oder der Partei: Fehlanzeige.

Fraktionschef Dietmar Bartsch zeigt sich ohnehin zufrieden. Seine Fraktion, glaubt er, ist eine der fleißigsten im Bundestag, stellt Anfragen, Anträge, arbeitet in Ausschüssen mit. Allerdings schaffe sie es nicht, das auch deutlich zu machen. Das ist kein Wunder: In der öffentlichen Wahrnehmung macht die Linke eher den Eindruck einer zerstrittenen Partei.

Grenzen der Tüchtigkeit

Es geht ein Riss durch Fraktion und Partei. Und jeder weiß es. So kommt selbst die von Bartsch angesprochene Tüchtigkeit schnell an ihre Grenzen. Beispiel: Bei der vergangenen Fraktionsklausur 2022 war nicht einmal die Hälfte der Abgeordneten anwesend. Die Außenpolitiker fehlten fast ganz. Ein seltsames Signal, wenn in Europa ein Krieg tobt. Denn da gibt es Meinungsverschiedenheiten.

Während Fraktionsmitglieder wie Sahra Wagenknecht vor allem den Westen kritisieren und Russland bis kurz vor Kriegsausbruch verteidigen, ist die offizielle Parteilinie längst eine andere.

Wagenknecht und Co. machen sich rar

Auch im Bundestag gibt es Schwierigkeiten, wenigstens die ersten Reihen der ohnehin kleinsten Fraktion zu füllen. Über Monate waren es vor allem Wagenknecht und ihre Verbündeten, die sich rar machten. Spricht man Fraktionschef Bartsch auf die abwesenden Abgeordneten an und fragt, warum er nicht mit der Faust auf den Tisch haut, sagt er: "Das hat keinen Sinn. Davon tut die Faust weh und der Tisch bleibt, wie er ist." Außerdem sei die Fraktion in der Summe ja schließlich ziemlich produktiv.   

Oder doch eine Spaltung?

In der Fraktion und in der Partei stehen sich vor allem zwei Gruppierungen gegenüber: Wagenknecht und ihre Verbündeten auf der einen sowie die sogenannte Progressive Linke und ihre Unterstützer auf der anderen Seite. Längst droht die Gefahr der Spaltung. Wagenknecht spricht der Linken die Glaubwürdigkeit ab und schließt nicht aus, eine eigene Partei zu gründen.

Gesine Lötzsch hat vor 20 Jahren erlebt, wie es ist, wenn die Partei mit nur zwei Abgeordneten im Bundestag sitzt. Sie warnt vor einer Spaltung, denn die "birgt die Gefahr, dass es danach überhaupt nichts mehr gibt. Das ist auch denen bewusst, die darüber nachdenken, etwas Eigenes zu gründen."

Rauswurf? Echt jetzt?

So scheint es, dass Wagenknecht und ihre Verbündeten sich in letzter Zeit zurückhalten, als wollten sie den Spaltungsgerüchten keine Nahrung mehr geben. Vielleicht eine Folge des Gegenwindes innerhalb der Partei.

Im Dezember erst hat die "Progressive Linke" bei einem Treffen gefordert, dass Leute, die nicht die Parteilinie vertreten, im Prinzip nicht mehr für die Linke sprechen sollten. Damit hat die "Progressive Linke" versucht, Wagenknecht den Stuhl vor die Tür zu stellen. Einer aus ihrem Umfeld sagt: "Der beliebtesten Politikerin der Partei wird mit Rauswurf gedroht - und damit auch vielen Mitgliedern. Das ist in keiner anderen Partei denkbar."

Aber eben in der Linkspartei schon. Drei Abgeordnete aus der Fraktion sind bei der "Progressiven Linken" dabei: Caren Lay, Cornelia Möhring, Martina Renner. Es komme darauf an, dass niemand in der Partei Positionen vertrete, die der politischen Rechten in die Hände spielten, sagte Renner gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. Auch das richtet sich gegen Wagenknecht, deren populistische Töne auch bei AfD-Anhängern gut ankommen.

Gregor Gysi

Er kennt den Streit in seiner Partei seit Jahrzehnten: Gregor Gysi

Müde Appelle

Fraktionschefin Amira Mohamed Ali appelliert an die Abgeordneten aller Seiten, sich zusammenzuraufen. Schließlich habe man die Pflicht, sein politisches Gewicht für diejenigen einzusetzen, die in dieser Gesellschaft benachteiligt seien. Mohamed Ali steht Wagenknecht nahe und verteidigt meistens deren Positionen.

Das ist bei Gregor Gysi anders. Allerdings sieht er für sich selbst wie für Wagenknecht eine historische Verantwortung, "den Laden irgendwie zusammenzuhalten". Er führt Gespräche hinter den Kulissen. Bis jetzt hat sich niemand zu Wort gemeldet, der ihn dabei unterstützen will.

Co-Fraktionschef Bartsch appelliert an die Verantwortung der Abgeordneten, sich vor allem für die Linken-Wähler und diejenigen, die es werden könnten, im Bundestag einzusetzen. Auch er meidet offene Kritik an Wagenknecht.

Sich gegenseitig aushalten

Die einen in der Fraktion hoffen noch immer, dass man irgendwann friedlich miteinander klarkommen kann. Andere sagen gar nichts mehr. Wieder andere rechnen mit einer Abspaltung bis Jahresende.

Gysi kennt die Streitereien seit Jahrzehnten. Er sagt, man müsste sich gegenseitig aushalten. Dann gehe es vielleicht. Aber dazu müssten erst einmal alle da sein. Wagenknecht lässt sich nur per Video zuschalten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 12. Januar 2023 um 14:17 Uhr.