Mangel an Schulen Wie die Länder Lehrkräfte locken
Bayern versucht es mit Geld, Brandenburg lockt mit schneller Verbeamtung, Sachsen-Anhalt mit einer Vier-Tage-Woche, andere setzen auf Pensionäre: Die Bundesländer gehen bemerkenswerte Wege, um Lehrkräfte anzuwerben.
Seinen Namen will er lieber nicht preisgeben. Nur so viel: Mitte vierzig sei er, seit zweieinhalb Jahren Grundschullehrer in einer kleinen Gemeinde im südlichen Brandenburg. Ein Job als Quereinsteiger.
Von Hause aus war der Mann erfolgreicher Verkäufer im Außendienst: Zeitdruck, lange Arbeitstage, aber auch ein Dienstwagen, ein gutes Gehalt und manche Annehmlichkeiten. All das hat er eingetauscht gegen den Job in der Grundschule. Statt Wirtschafts- und Finanzmathematik erklärt er nun das kleine Einmaleins.
Aus Sicht von Brandenburgs Landesregierung gehen noch viel zu wenige Menschen diesen Weg. Rund 15 Prozent der Lehrer im Land sind derzeit keine originär ausgebildeten Pädagogen. Angesichts des Bedarfs von 1600 Lehrkräften in den kommenden Jahren muss die Politik dringend gegensteuern. Bundesweit wirken die Zahlen noch dramatischer: 158.000 Lehrerinnen und Lehrer, so Prognosen, müssten in den kommenden gut zehn Jahren ersetzt werden.
Bachelor-Abschluss soll reichen
In Brandenburg soll die Aussicht auf schnelle Verbeamtung locken, künftig auch für Quereinsteiger, die lediglich über einen Bachelor-Abschluss verfügen, also nur drei Jahre studiert haben. "Unser Ziel ist es, den Kolleginnen und Kollegen, die es nicht mehr schaffen, noch ein zweites Fach zu studieren, um vollwertige Lehrkraft zu werden, dauerhaft eine gute Perspektive im Schuldienst zu geben", erklärt Brandenburgs Kultusministerin Britta Ernst (SPD). Ihr Ziel: Die bisher mitunter als zweitklassig empfundenen Lehrkräfte sollen den Stempel des Seiteneinsteigers irgendwann einmal verlieren dürfen.
Ein Problem, das von Seiteneinsteigern wie dem Grundschullehrer aus Südbrandenburg, durchaus bestätigt wird. "Es kursiert schon das Vorurteil, dass studierte Lehrer die besseren Lehrer seien", berichtet er. Eine Tatsache, die Menschen durchaus abschrecken könnten, es ihm gleichzutun.
Bayern ködert mit Geld
Deshalb unternehmen inzwischen nahezu alle Bundesländer Schritte, um den Status der Quereinsteiger anzuheben. Bayern etwa setzt vor allem auf finanzielle Anreize. So sollen im Freistaat künftig selbst Lehrkräfte in Grund- und Mittelschulen die recht hohe Vergütungsgruppe A13 bekommen können, die bisher weiterführenden Schulen vorbehalten war.
Brandenburg prescht dagegen beim Status nach vorn: Als erstes Bundesland senkt es die Anforderungen für Verbeamtungen auf Bachelor-Niveau. Allerdings müssen Anwärter einen 18-monatigen Weiterbildungskurs vorweisen.
Hartmut Stäker vom Brandenburgischen Philologenverband erkennt dennoch eine Schwäche im Gesetzentwurf. Die höchste Verbeamtungsstufe A13 erhalten demnach weiterhin nur voll studierte Lehrkräfte. Bei den anderen ist eine Stufe darunter Schluss. "Daher habe ich Angst, dass es auch künftig zu Zwistigkeiten in den Lehrerzimmern kommen kann", so Stäker gegenüber dem rbb.
Und wer unterrichtet? An vielen Schulen herrscht akuter Mangel an Lehrkräften.
Eine "Verbeamtung light"?
Auf die Barrikaden gegen das Projekt geht dagegen der Landeselternrat: In einem Offenen Brief an die Kultusministerin ist von "Unterricht zweiter Klasse" die Rede, der mit der Verbeamtung light Einzug halte. "Schlechte Schulergebnisse der Viertklässler, Defizite nach der Corona-Pandemie, häufigen Unterrichtsausfall", diagnostiziert Landeselternratssprecherin Ulrike Mauersberger beim Bildungswesen.
Sie folgert aus der Situation: "Alle Lehrkräfte müssen so qualifiziert werden, dass sie unsere Kinder in der gleichen Qualität unterrichten."
Nur vier Tage Unterricht in Sachsen-Anhalt
Doch was tun, wenn diese Lehrkräfte immer weniger werden? Die Bundesländer entwickeln bisweilen bemerkenswerte Kreativität. In Sachsen-Anhalt wird in einem Modellprojekt erprobt, ob Kinder möglicherweise nur an vier Tagen unterrichtet werden könnten. Die Lehrerkapazitäten würden sich dann wie von selbst etwas erhöhen.
Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Berlin bitten pensionierte Lehrerinnen und Lehrer, für eine gewisse Zeit zurückzukommen oder zahlen Prämien, wenn Lehrkräfte bleiben, statt in Rente zu gehen. Auch existieren diverse Programme, um Lehrkräfte aus dem Ausland anzuwerben.
Das größte Potenzial scheinen die Kultusministerien indessen in Quer- oder Seiteneinsteigerprogrammen zu entdecken. In zwölf der 16 Bundesländer gibt es vergleichbare Ansätze. "An einer vermehrten Anwerbung von Quereinsteigern führt kein Weg vorbei", räumt auch Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands ein. "Aber man muss sie ordentlich nachqualifizieren und nicht direkt in die Klasse werfen. Ohne drei bis sechs Monate Vorphase geht gar nichts."
Eine Tortur für Quereinsteiger
Eine Tortur, die der Quereinsteiger aus der südbrandenburgischen Grundschule hinter sich hat. "Wenn ich überlege, was ich im ersten Jahr an Stunden geschrubbt habe, um mich auf den Job einzulassen und meine Stunden vorzubereiten", beschreibt er rückblickend. "Ich habe nächtelang da gesessen. Das würde ich aus heutiger Sicht nicht nochmal machen."
Diese Vorbereitung sollen vielmehr Qualifizierungsinstitutionen wie der Potsdamer Weiterbildungsverein WiB übernehmen. Zusammen mit der Universität der Landeshauptstadt werden hier berufsbegleitende Weiterbildungen organisiert. Hier ist nun auch der Mitvierziger aus Südbrandenburg gelandet. Sein Ziel: möglichst bald verbeamtet werden. "Mir macht es Spaß, mit den Kindern zu arbeiten und ich habe das freiwillig gemacht", erklärt der dreifache Familienvater. "Doch jetzt würde ich mich gern verbessern, was das Gehalt angeht und die Sicherheiten."
Ein Gefühl, mit dem diverse Landesregierungen Quereinsteiger per Verbeamtung ködern wollen. Kein Land mag bisher jedoch so weit gehen wie Brandenburg: Den Beamtenstatus nach nur drei Jahren Studium, so heißt es aus der Kultusministerkonferenz, wird es vorerst nur hier geben.