Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm
analyse

AfD in Bayern Radikal rechtsaußen

Stand: 29.09.2023 13:30 Uhr

Die AfD hofft bei der Landtagswahl in Bayern auf deutliche Zugewinne. Mit Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm schickt sie zwei Rechtsaußen in den Wahlkampf. Vom Wahlprogramm der Partei halten beide offenbar wenig.

Eine Analyse von Johannes Reichart, BR

Sie ist 45 Jahre und aus Deggendorf in Niederbayern, er 59 Jahre und aus Coburg in Oberfranken. Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm - zum ersten Mal tritt die bayerische AfD mit einem Spitzenduo an. Bei der Vorstellung der beiden vor den Medien wirkte die Kulisse wie eine Reise in die Vergangenheit: ein nostalgischer Frühstücksraum eines kleinen Münchner Hotels. Unter einem gläsernen Kronleuchter und neben einer alten Nähmaschine stellte die bayerische AfD Ende Juli Kandidaten und Programm für die Landtagswahl vor.

Der Grund für den skurrilen Ort der Pressekonferenz: Die Verantwortlichen hatten erst wenige Stunden vor dem im Landtag angesetzten Termin erfahren, dass Parteiveranstaltungen im Parlament nicht abgehalten werden dürfen. Dies gilt für alle Parteien. Daher ging es provisorisch in das Hotel eines AfD-Mitglieds. Dort saßen neben dem AfD-Landesvorsitzenden Stephan Protschka die beiden Personen, die der AfD im Herbst ein Rekordergebnis bescheren sollen: Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm.

Radikale Sprüche, die verfangen sollen

Beide zeigten beim Vorstellungstermin schnell, was sie vom eigenen Wahlprogramm halten: nicht viel. Ebner-Steiner umriss mit scharfen Tönen ihre Vorstellung einer resoluten Migrationspolitik. Alle abgelehnten Asylbewerber sollten binnen eines halben Jahres aus Bayern hinausgeworfen werden. Böhm forderte getrennte Grundschulklassen zwischen Muttersprachlern und Kindern mit Sprachproblemen. Beide Positionen sind im Wahlprogramm der AfD nicht zu finden.

Um rhetorische Grenzen scheren sich die zwei eher weniger. Bei einem Wahlkampfauftritt in München ließ Ebner-Steiner ihrer Abneigung gegen Migranten freien Lauf: Die Spitzenkandidatin bezeichnet Flüchtlinge als "Asylforderer", die nur nach Deutschland kämen, um monatliche Geldleistungen, Wohnungen, Krankenversicherung und Kabelfernsehen für "Null eigene Leistung" zu erhalten. "Es kommen keine Facharbeiter, sondern ein Heer von Habe- und Taugenichtsen", rief Ebner-Steiner wütend ins Mikro. Der Saal grölt.

Auch in der Wahlarena des BR ruft Ebner-Steiner eine härtere Gangart gegen Migranten als Lösung aller Probleme aus: In Bayerns Schulen sinke das Bildungsniveau, weil immer weniger Deutsch gesprochen werde; wenn Ausreisepflichtige konsequent abgeschoben würden, gäbe es freie Wohnungen; und mit eingespartem Geld bei Migranten könne man Krankenhäuser und Pflege im Freistaat finanziell besser ausstatten. Keine Migration, keine Probleme - so das Mantra von Ebner-Steiner.

Häme gegen Bundesregierung und Söder

Die Kritik an der Bundesregierung ist der zweite feste Bestandteil des AfD-Wahlkampfs. Wie beim Auftritt des bayerischen Co-Spitzenkandidaten Martin Böhm in Starnberg: Böhm trat nach Bundessprecher Tino Chrupalla ans Mikro und legte los. Scholz sei ein "Kanzler-Darsteller", die Bundesregierung eine "Ampel-Abriss-Truppe", ja sogar die "Totengräber des deutschen Wohlstands". Auch der bayerische Ministerpräsident wurde verächtlich gemacht. Markus Söder gehöre "in die Asservatenkammer des Maximilianeums". Im Maximilianeum tagt in München der Bayerische Landtag.

In Sachen rhetorisches Zündeln steht Böhm seiner Co-Kandidatin in nichts nach. Der oberfränkische AfD-Politiker spielt Migranten gezielt gegen die einheimische Bevölkerung aus: "Der deutsche Michel buckelt für die Ukrainerin", rief Böhm seinen Gästen in Starnberg zu. Die Polemik kommt gut an. Politiker anderer Parteien nannte er wiederholt "elende Heuchler".

AfD in Bayern beharrlich unter dem Bundestrend

Migration, Bildung, Kulturkampf - die radikalen Sprüche sollen verfangen und der AfD diesmal mehr bringen als die 10,2 Prozent von 2018. Im jüngsten ARD-BayernTrend steht die Partei bei 14 Prozent und damit deutlich niedriger als im Bund. Als Grund dafür nennt die AfD die Konkurrenz durch die Freien Wähler um Hubert Aiwanger. Zudem darf die Partei nach dem jüngsten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nun auch offiziell vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Beide AfD-Kandidaten kommen aus dem völkisch-nationalen Lager rund um den rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke aus Thüringen. Mehr noch: Beide pflegen eine enge Beziehung zu Höcke. Böhm nennt Höcke nur "Björn", Ebner-Steiner fuhr mit dem Thüringer Parteichef schon in den gemeinsamen Wanderurlaub.

Ebner-Steiner: Das Gesicht der bayerischen AfD

Die Deggendorfer AfD-Landtagsabgeordnete hat vier Kinder und ist gelernte Bilanzbuchhalterin. Der Auftritt im Bierzelt liegt ihr mehr als am Rednerpult im Landtag. Die politische Laufbahn der Niederbayerin hat bereits Aufs und Abs erfahren: Mehrmals scheiterte sie bei der Kandidatur um den Landesvorsitz, auch für den Bundestag kandidierte sie erfolglos. 2018 schaffte sie es über die Liste in den Bayerischen Landtag und führte dort die neugeschaffene Fraktion - erst mit Markus Plenk, der bald Fraktion und Partei verließ, später mit Ingo Hahn.

Eine glückliche Hand hatte sie auf dem Posten im wahrsten Sinne des Wortes nicht: Einmal schlug sie während einer Fraktionssitzung zu Corona-Zeiten voller Wut über ihren Kollegen Ulrich Singer, den heutigen Fraktionschef, derart heftig gegen die Plexiglasscheibe, dass diese zerbrach und Singer an der Hand verletzte.

Unter Ebner-Steiner spaltete sich die Fraktion immer stärker in zwei verfeindete Lager. Fünf Abgeordnete traten insgesamt aus der Fraktion aus. 2021 wurden sie und Hahn als Fraktionschefs dann abgewählt. In Ihrem Bezirksverband Niederbayern, dem sie vorsteht, ist die 44-Jährige an der AfD-Basis beliebt: Regelmäßig fuhr sie in Deggendorf zweistellige Ergebnisse ein.

Katrin Ebner-Steiner

Innerparteilich umstritten, an der Basis beliebt: Katrin Ebner-Steiner.

Böhm: Vom stillen Strippenzieher zum vordersten Wahlkämpfer

Anders verlief der Aufstieg bei Martin Böhm: Der Landtagsabgeordnete blieb lange im Hintergrund und zog von dort die Strippen für das radikale "Flügel"-Lager. In der neugegründeten Fraktion verzichtete er auf Posten und Vorsitz, suchte sich mit dem Europa-Ausschuss eine eher unscheinbare Aufgabe.

Lange Zeit sah es auch so aus, als zielte der 59-Jährige auf ein AfD-Mandat im EU-Parlament. Dann wurde der gelernte Hausverwalter im Oktober 2021 in den Landesvorstand der AfD gewählt. In seiner Heimat Oberfranken machten die Mitglieder den Coburger zum Bezirkslistenführer. Das Netzwerk des radikalen Lagers unterstützte auch seine Spitzenkandidatur für die Landtagswahl. Böhm gilt als loyaler Anhänger des formal aufgelösten "Flügels" in der AfD.

Martin Böhm

Der Landtagsabgeordnete Böhm blieb lange im Hintergrund.

Stramm rechter Kurs in der AfD Bayern umstritten

Wo die Reise der AfD mit den beiden Spitzenkandidaten hingehen könnte, wurde beim ersten gemeinsamen Wahlkampfauftritt im oberfränkischen Mödlareuth an der Grenze zu Thüringen deutlich: Mit Höcke und in Anwesenheit des aus der Partei ausgeschlossenen Rechtsextremen Andreas Kalbitz gab das Duo den Startschuss für den Wahlkampf. Der Slogan der gemeinsamen Veranstaltung lautete: "Thüringen und Bayern - wir heizen ein!"

Dieser Kurs ist in der bayerischen AfD allerdings umstritten: Nur etwas mehr als 50 Prozent der Mitglieder gaben dem Spitzenduo auf dem Parteitag im Mai dieses Jahres ihre Stimme.

Johannes Reichart, BR, tagesschau, 29.09.2023 15:32 Uhr