
Neujahrsvideo der Ministerin Union erhöht Druck auf Lambrecht
Nach ihrem Neujahrsvideo wächst die Kritik an Verteidigungsministerin Lambrecht. Aus Sicht der Union muss die SPD-Politikerin zurücktreten. Aus dem Regierungslager kommt Unterstützung - die fällt aber verhalten aus.
Die Rufe nach einer Ablösung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht werden in den Unionsreihen immer lauter. "Wie lange will sich der Bundeskanzler das eigentlich noch anschauen?", fragte CDU-Chef Friedrich Merz im "Münchner Merkur". Spätestens seit dem Silvestervideo "schüttelt ganz Deutschland nur noch den Kopf, nicht nur unsere Soldatinnen und Soldaten, die Verteidigungsexperten weltweit sind sprachlos, wie peinlich und frei von Sachkompetenz eine Ministerin in unserem Land öffentlich auftreten kann". Lambrecht sei "vollkommen überfordert".
Auch CSU-Chef Markus Söder verlangte einen schnellen Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums: "Der Bundeskanzler hat Frau Lambrecht berufen, er muss dieses Personalproblem nun auch lösen." Lambrecht hätten "unsere Soldaten nicht verdient".
"Tritt als Vertreterin Deutschlands auf"
Zuvor hatte auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul deutliche Worte benutzt - für ihn ist nach dem umstrittenen Neujahrsvideo von Lambrecht das Maß voll: Im ARD-Morgenmagazin hatte der CDU-Politiker deutlich gemacht, dass die Verteidigungsministerin aus seiner Sicht keinen Rückhalt mehr hat, "weil sie nicht versteht, dass sie nicht als Christine Lambrecht auftritt, wenn sie so ein Video dreht, sondern als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr, als Vertreterin eines zentralen Ressorts dieser Regierung, als Vertreterin Deutschlands im Ausland".
Lambrecht vermische immer wieder Dienstliches mit Privatem, kritisierte Wadephul mit Blick auf ihre Social-Media-Aktivitäten. Er wertete das als Beleg dafür, dass die SPD-Politikerin nicht die im Amt der Verteidigungsministerin gebotene Professionalität an den Tag legt.
Neujahrsbotschaft mit Störgeräuschen
Lambrecht hatte am Wochenende ein Neujahrsvideo ins Internet gestellt - über einen privaten Social-Media-Account. Allerdings spricht sie darin nicht nur über Privates, sondern in erster Linie über den Krieg in der Ukraine. Im Hintergrund steigen Silvesterraketen auf, weshalb die Ministerin stellenweise kaum zu verstehen ist. Doch was zu hören ist, wirkt auf Kritiker wie Wadephul verstörend.
"Mitten in Europa tobt ein Krieg", sagt Lambrecht in dem Video zum Jahresausklang. "Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte - viele, viele Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen."
Eine Formulierung, die nachhallt - nicht nur wegen der akustischen Störgeräusche: Dass Lambrecht in Kriegszeiten über Begegnungen mit "tollen Menschen" spricht, zeigt für Wadephul, dass sie nicht wisse, worauf es in ihrem Amt ankomme: nämlich auf Professionalität und Einfühlungsvermögen. Der Kanzler müsse die Ministerin ablösen.
Nur wenige springen Lambrecht bei
Im Regierungslager sieht man dafür im Moment keinen Grund. Doch in den Reihen der Ampelfraktionen finden sich bisher nur wenige, die sich schützend vor Lambrecht stellen. Einer davon ist der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner, wie Lambrecht ein Vertreter des linken Parteiflügels. Er wies im Interview mit dem Deutschlandfunk zurück, dass es Lambrecht angeblich an Einfühlungsvermögen mangele. Er habe schon oft gehört, wie die Ministerin über den Krieg rede: "Da kann von mangelnder Empathie überhaupt keine Rede sein."
Doch auch Stegner räumte ein: Professionell sei das Video seiner Parteifreundin sicher nicht, so sei es offenbar auch nicht gedacht gewesen. In diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass Lambrecht ihre Neujahrsbotschaft privat gepostet habe. Über die Frage, ob Äußerungen der Verteidigungsministerin via Social Media in Kriegszeiten rein privater Natur sein können, wird allerdings gestritten.
Die SPD versuchte einmal mehr, den Spieß umzudrehen: Dass die Opposition das Neujahrsvideo so sehr kritisiert, wertete Stegner als taktisches Manöver. Er erinnerte daran, welche Parteien in der Merkel-Ära das Wehrressort verantwortet haben: CDU und CSU. Die Bilanz der früheren Ministerinnen und Minister der Union sei "so bescheiden, dass man versucht, davon abzulenken". Folglich sei die Kritik an Lambrecht "aufgebauscht und übertrieben". Generell werde zu viel über die Kommunikation gesprochen - und zu wenig über die Sache.
Spekulationen über mögliche Nachfolger
Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, forderte in den Funke-Zeitungen, das Urteil über Lambrecht an deren Reformwillen zu knüpfen, nicht daran, "ob ein Video geglückt oder weniger geglückt ist, wenngleich die richtige Kommunikation nach innen und außen besonders in diesen Zeiten natürlich sehr wichtig ist". Lambrecht werde sich daran messen lassen müssen, "wie weit sie willens und in der Lage ist, die Bundeswehr zu reformieren".
Wer sich in den Ampelfraktionen umhört, trifft auch auf diese Einschätzung: Die Ministerin könne eigentlich froh sein, dass zurzeit lediglich ein solches Video alle Aufmerksamkeit auf sich ziehe. Schließlich sei Lambrecht mit genügend Sachthemen beschäftigt, bei denen es auch nicht rundlaufe. Als Beispiel werden die ungewöhnlichen Ausfälle beim "Puma"-Panzer genannt. Nach Herstellerangaben fahren inzwischen 17 der 18 Kettenfahrzeuge wieder. Zu den Pannen sollte dem Parlament eigentlich schon ein Schadensbericht vorliegen. Doch bis jetzt warten die Abgeordneten darauf.
Und so begann das neue Jahr für Lambrecht, wie das alte aufgehört hat: mit Negativschlagzeilen. Längst wird in Berlin über mögliche Nachfolger spekuliert. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die Namen von SPD-Chef Lars Klingbeil und der Wehrbeauftragten des Bundestags, Eva Högl, genannt. Bisher hält der Kanzler zu Lambrecht. Sollte aber Innenministerin Nancy Faeser demnächst als Spitzenkandidatin in den hessischen Landtagswahlkampf ziehen, dürften auch in Berlin die Karten neu gemischt werden.