
Lafontaine verlässt Linkspartei Ende mit Knalleffekt
Eine Woche vor der Wahl im Saarland tritt Oskar Lafontaine aus der Partei aus, die er einst mit gegründet hat. Es ist der endgültige Bruch mit der Linken - und das Ende einer außergewöhnlichen politischen Karriere.
Kurz vor dem Ende war er noch einmal dort, wo er sich am wohlsten fühlt: Im Zentrum aller Aufmerksamkeit. Und so trat er am Mittwoch im Landtag noch einmal an das Mikrofon. "Das ist meine letzte Rede im saarländischen Landtag. Ich will da keine Oppositionsrede halten, sondern meine Gedanken zum Krieg vortragen. Sie werden mir das heute nachsehen."
Eine letzte Rede
Es wurde eine nachdenkliche Rede, eine Rede, wie sie nicht nur im saarländischen Landtag nur wenige halten können, mit dem ganz großen Bogen, von Literatur über Philosophie bis hin zum schnöden realpoltischen Eingeständnis. Und es war eine Rede - und da vielleicht doch eine besondere Rede - ohne absolute Wahrheiten ohne absolute Antworten, die Lafontaine ja auch immer wieder gerne für sich beansprucht hat in seiner Karriere. Immer wieder Applaus im Plenum, aller Fraktionen, für ihn, den Linken.
Ministerpräsident mit 41 Jahren
Vor 52 Jahren war Lafontaine zum ersten Mal in den saarländischen Landtag eingezogen. Als SPD-Abgeordneter. Damals war Willy Brandt, den er seinen politischen Ziehvater nennt, Bundeskanzler. Lafontaine wird Oberbürgermeister in Saarbrücken und nur ein paar Jahre später Ministerpräsident mit gerade einmal 41. Im zuvor tiefschwarzen Saarland. Es wird seinen Ruf zwischen Visionär und Lebemann begründen. Stahlkrise, Rotlichtaffären, aber auch richtungsweisende Entscheidungen für das Land, die bis heute nachwirken.
1990, Lafontaine ist mittlerweile Kanzlerkandidat der SPD, eines der vielleicht prägendsten Erlebnisse. Er wird Opfer eines Attentats, eine Frau sticht bei einer Wahlkampfveranstaltung auf ihn ein. "Natürlich war das ein einschneidendes Erlebnis. Ich habe zu ersten Mal gemerkt, dass das Leben endlich ist", erinnerte sich Lafontaine später.
Bruch mit Schröder und der SPD
Er überlebt knapp, erholt sich. Aber die SPD verliert die Wahl, er kehrt zurück ins Saarland. 1995 putscht er sich quasi zum Parteivorsitzenden, sortiert die Partei neu und lässt bei der Kanzlerkandidatur Gerhard Schröder den Vortritt - mit Erfolg. Schröder wird Kanzler, Lafontaine sein Finanzminister. Doch die Beziehung der Alphatiere, die nie eine Liebesheirat war, zerbricht nach nur wenigen Monaten. Lafontaine tritt zurück. Selbst der engste Kreis ist nicht eingeweiht.
Lafontaine äußerst sich tagelang nicht, tritt dann vor die Presse und spricht von "schlechtem Mannschaftsspiel". Er verlagert sein politisches Wirken in die Talkshows der Republik. Schreibt Bücher und zitiert sich gerne selbst mit seinem vielleicht berühmtesten Satz: "Das Herz wird noch nicht an der Börse gehandelt, es schlägt links."
2005 kam der endgültige Bruch: Lafontaine verlässt die SPD, wird Mitbegründer der Linkspartei und deren Fraktionschef im Bundestag. Doch das Verhältnis bleibt immer ein gespaltenes. Wie so oft zuvor schon zieht sich Lafontaine erneut an die Saar zurück. Er führt die Linkspartei dort zu 21 Prozent.
Innerparteilicher Kleinkrieg
Doch sein bis zuletzt gehegter Traum, die Linke mit seiner alten Liebe SPD zu einen, erfüllt sich nicht. Stattdessen zerfällt seine saarländische Linkspartei zusehends im innerparteilichen Kleinkrieg. Am Ende ruft Lafontaine gar dazu auf, die Partei im Saarland nicht zu wählen. Er spricht immer wieder von Betrug. Es hagelt Austritte und Rauswürfe, auch gegen Lafontaine lief ein Parteiausschlussverfahren. Dem kommt er nun zuvor.
Eine Woche vor der Landtagswahl im Saarland tritt Lafontaine ganz aus der Linken aus. Aus der Partei, die er einst gegründet hat. Einer Partei, in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stünden, wolle er nicht mehr angehören, heißt es im Statement.
Intellektueller, Populist, Klassenkämpfer, Moralist
Die Entwicklung hatte sich in den vergangenen Wochen angekündigt, als viele enge Vertraute bereits ihren Austritt erklärt hatten. Lafontaine wollte offenbar seine letzte Rede im Landtag am Mittwoch noch abwarten und dann mit einem lauten Knall noch etwas mehr Schaden bei seiner Partei anrichten, die zuletzt immer weniger seine Partei war.
Lafontaine war immer vieles gleichzeitig: Ein Intellektueller, der Populist sein kann. Ein Klassenkämpfer mit Faible für Sterneküche. Ein Moralist auf weltpolitischer Bühne, einst mit angeblichen Kontakten ins Rotlicht Saarbrückens.. Mit ihm verlässt der vielleicht bedeutendste auf jeden Fall aber schillerndste Politiker, den das Saarland bislang hervorgebracht hat, endgültig die politische Bühne. Vielleicht ein paar Jahre zu spät, um sein Lebenswerk nicht zumindest mit einigen Kratzern zu hinterlassen. Es ist das unschöne Ende einer außergewöhnlichen politischen Karriere.