Kinder sitzen auf einer Bank
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Kindergrundsicherung Überraschungsei für Familien

Stand: 27.09.2023 17:47 Uhr

Die von der Bundesregierung beschlossene Kindergrundsicherung ist weder logisch nachvollziehbar noch transparent, meint Michael Weidemann. Für Familien wird nicht richtig klar, was die Reform für sie wirklich bereithält.

Von Michael Weidemann, ARD Berlin

Ein verheißungsvolles Etikett, geklebt auf ein Paket, in dem deutlich weniger Inhalt steckt als erwartet: Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung ist zwar keine ausgesprochene Mogelpackung. Aber auch nicht das lange angekündigte große Geschenk an die Familien hierzulande, nicht die erhoffte "Antwort auf die Kinderarmut in Deutschland", wie Familienministerin Lisa Paus behauptet.

Die Kindergrundsicherung bleibt ein Versprechen: Die Bundesregierung weiß um die Sorgen und Nöte von Eltern und Kindern, sie zeigt sich auch willig effektiver zu helfen und hätte sogar ein funktionierendes Konzept zu bieten - schafft es aber nicht, es umzusetzen.

"Prinzip der Bringschuld" ist Wunschdenken

Die Ampelparteien drohen an ihrem selbst gesteckten Ziel zu scheitern, eine bessere finanzielle Unterstützung von Familien mit einem bürgerfreundlicheren Antragsverfahren zu verbinden. So ehrenwert die Absicht ist, Ämter und Behörden dazu zu verpflichten, die Kindergrundsicherung an anspruchsberechtigte Familien auszuzahlen, ohne dass die sich vorher in die Mühlen der Bürokratie begeben müssen: Aber wenn Länder, Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit erklären, sie seien nicht in der Lage, das neue Verfahren zügig umzusetzen, bleibt das hehre "Prinzip der Bringschuld" reines Wunschdenken.

Logisch nachvollziehbar und transparent ist die jetzt im Kabinett beschlossene Grundsicherung übrigens auch nicht. Auf welcher Grundlage wird eigentlich der Bedarf meines Kindes ausgerechnet? Habe ich nun Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag oder nicht - und wenn ja: in welcher Höhe? Lohnt es sich für Geringverdiener wirklich mehr zu arbeiten? Und wie viel Unterhaltszahlung wird tatsächlich auf die Leistungen angerechnet? Für die Familien ist die Kindergrundsicherung eher ein Überraschungsei: Erst beim Öffnen wird klar, ob man mit dem Inhalt etwas anfangen kann oder nicht.

Kosten der Reform bleiben offen

Angesichts all dieser Ungereimtheiten und Ungewissheiten ist es kein Wunder, dass offenbleibt, was die Reform tatsächlich kostet. Am Ende aber wird die Summe aller Leistungen darüber entscheiden, ob die Kindergrundsicherung den gewünschten Effekt erzielen kann oder nicht.

Solange die Bundesregierung nicht eindeutig erklärt, wie viele Milliarden sie langfristig dafür aufzuwenden bereit ist, wird ihr wichtigstes sozialpolitisches Vorhaben kaum aus den Startlöchern kommen.

Michael Weidemann, ARD Berlin, tagesschau, 27.09.2023 17:14 Uhr