Integrationsminister-Konferenz Viel mehr als nur ein Sprachkurs
Die Corona-Krise hat auch massive Folgen für die Integration von Zuwanderern. Kein direkter Austausch in Sprachkursen, man bleibt unter sich - und damit auch schwer erreichbar für Impfkampagnen.
Endlich wieder zusammen lernen - wenn auch mit Abstand. Es ist kurz vor acht Uhr am Morgen, Deutschlehrerin Svetlana Dubinina öffnet die Fenster des Klassenzimmers in der Außenstelle der Volkshochschule Bingen. Ein schmuckloser Raum, 15 Tische in drei Reihen, jeweils ein Stuhl, alles mit Abstand. "Früher haben wir in Gruppen oder wenigstens in U-Form gesessen", erzählt sie. Früher heißt: vor Corona. Dennoch ist sie froh: "Endlich ist wieder Präsenzunterricht erlaubt." Auch wenn das nur als Frontalunterricht möglich ist.
Vier lange Monate durfte der Integrationskurs nur online stattfinden. Eine harte Zeit sei das gewesen, berichtet Ugur Bilgili, einer der Teilnehmenden. Schlechte Internetverbindung, drei kleine Kinder, die nicht in die Kita durften und zu Hause beschäftigt werden mussten, und vor allem: keine Mitlernenden, mit denen man sich direkt austauschen oder von deren Fehlern man lernen konnte.
"Ich bin nicht alleine"
Der Integrationskurs ist für die Migrantinnen und Migranten viel mehr als nur ein Sprachkurs, bestätigt René Nohr, Leiter der Volkshochschule Bingen. "Für viele ist der Kurs auch ihr soziales Leben. Wenn die Menschen sechs, sieben Monate zusammen lernen, dann ist das auch eine Gemeinschaft geworden." Für viele sei es ein Weg raus aus der eigenen Community. Sie merkten: "Ich bin nicht alleine, es gibt noch andere, die hierher gekommen sind, Deutsch lernen und sich integrieren müssen." Durch Corona und den Lockdown sei dies alles weggefallen.
Es fehlt an Tablets, WLAN, Schreibtischen
Dass die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie die Integration von Zuwanderern massiv gefährdet, geht auch aus einer aktuellen Studie der Universität Erlangen-Nürnberg hervor. Es fehle vielfach an Tablets oder Computern, WLAN sei nicht selbstverständlich.
Vor allem in Gemeinschaftsunterkünften hätten etwa Kinder oft keinen eigenen Schreibtisch. "Die Situation dieser Menschen läuft häufig unter dem Radar", sagt die Politikwissenschaftlerin Petra Bendel, Leiterin des Forschungsbereiches Migration der Universität. Durch die Pandemie sei zudem die Unterstützung durch Ehrenamtliche stark zurückgegangen.
Gezielte Impfkampagnen
Ein weiteres Problem: Wie erreicht man Zuwandererfamilien mit Impfkampagnen? Auch die Integrationskurse wären eine gute Möglichkeit, niederschwellig über das Virus und die Impfungen aufzuklären. Dafür müssen sie allerdings stattfinden.
Mögliche Vorbehalte gegen eine Impfung könnten durch konsequente Aufklärung ausgeräumt werden. Doch Sprachbarrieren erschweren dies häufig. So würden die Anschreiben an Impf-Berechtigte möglicherweise nicht verstanden und zur Seite gelegt, sagt Nordrhein-Westfalens Integrationsstaatssekretärin Serap Güler. Außerdem kursierten gerade unter Geflüchteten häufig Gerüchte und Legenden über die Impfung.
"Um eine hohe Impfbereitschaft zu erreichen, müssen deshalb unbedingt Vertrauenspersonen eingebunden werden, die muttersprachlich über die Impfungen informieren können," betont der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, Alexander Thal.
Auch im Integrationskurs in Bingen ist das ein Thema. "Wir bekommen von den Behörden Informationsblätter in allen möglichen Sprachen und besprechen sie dann mit den Teilnehmenden. So kann keiner sagen, er hätte von nichts gewusst", sagt Volkshochschul-Leiter Nohr. Doch auch das funktioniert am besten im Präsenzunterricht - Aufklärungsarbeit ist online eben nur schwer möglich.