Eine Person macht eine Heizung an.
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Ampelkoalition Warum der Heizungsstreit schwelt

Stand: 25.04.2023 09:33 Uhr

Im Streit um die Heizungspläne ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen - trotz Koalitionsausschuss und Kabinettsbeschluss. Die FDP meldete Korrekturbedarf an, ebenso die SPD. Was ist strittig?

Die Ausgangslage

Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr klimaschädliche Emissionen verursachen als kompensiert werden können. Das bedeutet auch: Alle fossilen Brennstoff-Heizungen müssen bis zum 31.12.2044 abgeschaltet werden. Öl- und Gasheizungen laufen bis zu 30 Jahre, Veränderungen im Gebäudebereich müssen also jetzt vorgenommen werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat Pläne vorgelegt, nach denen ab 2024 neue Heizungen mindestens zu 65 Prozent mit grüner Energie betrieben werden müssen. Die Kommunikation aus dem grün-geführten Ministerium verlief unglücklich, der Aufschrei war entsprechend groß. Nach 30 Stunden Koalitionsausschuss und einer Kabinettssitzung ist der Gesetzentwurf aber innerhalb der Ampel-Regierung vereinbart. Doch das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen.

Was steht im Gesetzentwurf?

Der Gesetzentwurf legt fest, dass ab dem 1. Januar 2024 jede neue Heizung zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energie nutzen muss. Nach dem 31.12 2044 soll sogar endgültig Schluss mit Öl- und Gasheizungen sein. Danach müssen alle Heizungen vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Das soll mit Wärmepumpen oder den Anschluss an eine sogenannte Stromdirektheizung gehen. Möglich sind auch: eine Solarthermieheizung, eine Biomasseheizung, eine Wasserstoffheizung oder eine Gasheizung, die erneuerbare Gase nutzt.

Das Gesetz sieht auch Ausnahmen vor. Eigentümer zum Beispiel, die mindestens 80 Jahre alt sind und das Gebäude selbst bewohnen, sollen befreit sein. Eine Härtefallregelung soll zudem berücksichtigen, ob die Investitionen auch im Verhältnis stehen. Sie kann auch bei Sozialhilfeempfängern angewendet werden.

Und: Wenn eine Öl- oder Gasheizung kaputt geht, können Betroffene erneut einen Öl- oder Gasbrenner einbauen - es muss aber in einer Frist von drei Jahren nachgerüstet werden. Aber auch da gibt es Ausnahmen.

Welche Förderungen soll es geben?

Die Bundesregierung will den Heizungstausch mit 30 Prozent fördern. Außerdem sind weitere Zuschläge geplant, somit soll es eine Unterstützung von bis zu 50 Prozent geben  Den sogenannten Klimabonus in Höhe von 20 Prozent soll es etwa zusätzlich für Menschen geben, die Wohngeld, Alters-Grundsicherung oder einen Kinderzuschlag erhalten.

Wo steht die FDP?

Die FDP hat dem Gesetzentwurf von Habeck im Kabinett zwar zugestimmt, aber unter Vorbehalt. In einer Protokollerklärung forderte Parteichef und Finanzminister Christian Lindner eine "praxistaugliche und finanzierbare" Umsetzung des Grundsatzes der Technologieoffenheit. Das Finanzministerium stimme dem Gesetzentwurf "im Bewusstsein" zu, dass die Fraktionen des Bundestages im parlamentarischen Verfahren den Entwurf intensiv beraten und auch "weitere notwendige Änderungen" vornehmen werden.

Die mitregierende FDP geht damit also auf Distanz zu einem Beschluss der eigenen Regierung und offenbart einmal mehr die inhaltlichen Gräben zum grünen Koalitionspartner.

Der Entwurf aus dem Hause Habeck sei "noch nicht das, was am Ende vom Bundestag beschlossen werden sollte", bekräftigte Lindner beim FDP-Parteitag. Von einer "falschen Klima- und Energiepolitik der Grünen" ist in einem Beschluss die Rede und von "dogmatischen Vorfestlegungen auf einzelne Technologien" und "planwirtschaftlicher Regelungswut".

Auch die SPD hat Änderungswünsche. Welche?

Die Kanzlerpartei stellte sich zwar grundsätzlich hinter die Pläne, fordert aber konkrete Nachbesserungen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verlangte in der "Bild am Sonntag" bei der Heizungserneuerung großzügige Ausnahmeregelungen für Krankenhäuser, Pflege- und Reha-Einrichtungen. "Wir werden nicht zulassen, dass steigende Energie- und Heizkosten Krankenhäuser in ihrer Existenz gefährden", sagte er. Konkret soll es den Einrichtungen möglich sein, unter bestimmten Umständen auch in Zukunft etwa den Einbau einer neuen Gasheizung zu beantragen.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch meldete Skepsis mit Blick auf die von Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) geplanten Einschränkungen für die Nutzung von Holz- und Pelletheizungen an. Hauseigentümern müssten auch in Zukunft unterschiedliche Möglichkeiten des Heizens zur Verfügung stehen, "auch Biomasse", sagte Miersch der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Laut Kabinettsbeschluss soll das Heizen mit Biomasse wie etwa Holz nur in Bestandsgebäuden eine Option bleiben, in denen andere Lösungen nicht machbar oder sinnvoll sind, etwa wegen des Denkmalschutzes.

Wie reagieren die Grünen?

Fraktionschefin Katharina Dröge erinnerte den Koalitionspartner FDP an Vereinbarungen zum Heizungstausch. "Eine Partei oder Fraktion in Regierungszeiten verantwortungsvoll zu führen, bedeutet, zu dem zu stehen, was man geeint hat", sagte Dröge der Nachrichtenagentur dpa. "Wir gehen davon aus, dass die Absprachen und Zusagen, die die FDP gegenüber dem Kanzler und in der Koalition trifft, verlässlich sind."

Es sei wichtig, dass die Koalitionspartner für das, was sie im Koalitionsausschuss und Kabinett zugesagt hätten, auch in ihren eigenen Fraktionen werben, sagte auch Grünen-Politikerin Irene Mihalic. "Wer eine Fortschrittskoalition sein will, der muss auch voranschreiten."

Die Grünen sehen sich zunehmend in die Rolle derjenigen gedrängt, die in der Ampel für den Klimaschutz - und damit auch unpopuläre Maßnahmen - zuständig sind. Ein Eindruck, gegen den sie sich wehren. Klimaschutz sei kein "Milieuthema", sagte Minister Habeck bei einer Veranstaltung der "taz". "Wir können darüber streiten, was die besten Konzepte sind, aber wir sollten nicht darüber streiten, dass wir alle verantwortlich sind, Konzepte vorzulegen."

Wo steht die Opposition?

Die Union lehnt die Heizungspläne ab und spart nicht mit scharfer Rhetorik. "Die Pläne dieser Regierung führen zu Deindustrialisierung und zu Aufruhr in der Bevölkerung", warnte etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am Wochenende. Das Gesetz sei "mit der Brechstange" gemacht worden.

Die Union werde "alles dafür tun, dass dieses Gesetz so nicht kommt", unterstrich Fraktionsvize Jens Spahn. Jede in diesem Jahr anstehende Wahl sei auch "eine Abstimmung über dieses Gesetz". Problematisch sei insbesondere, dass der Gesetzentwurf "nur auf die Wärmepumpe setzt", sagte Spahn.

Linken-Chefin Janine Wissler bemängelte fehlende "soziale Garantien". Etwa werde nicht verhindert, dass die Kosten für die Wärmewende "am Ende auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden". Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bezeichnete die Heizungspläne als einen "Anschlag auf den Wohlstand der Mittelschicht".

Wie geht es weiter?

Kanzler Scholz hat schon mal deutlich gemacht: Er hält das beschlossene Konzept eigentlich für gut. Die ganz großen Änderungen dürfte es wohl nicht mehr geben. Kleinere Anpassungen sind hingegen wahrscheinlich. Die Bundesregierung plant, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen wird - und rechnet damit, dass die Umstellung zum 1. Januar 2024 greift.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. April 2023 um 11:05 Uhr.