Ein Banner mit einem Schriftzug für Bedinungsloses Grundeinkommen.

Langzeitstudie zu Grundeinkommen Nicht faul, aber zufriedener?

Stand: 27.05.2024 12:40 Uhr

Nach drei Jahren endet eine großangelegte Studie zum bedingungslosen Grundeinkommen in Deutschland. In dieser Zeit haben die Teilnehmenden jeden Monat 1.200 Euro bekommen. Was macht das mit ihnen?

Von Jan-Peter Bartels, ARD-Hauptstadtstudio

Nur noch wenige Stunden, dann ist es vorbei. Dominic Schiffer konnte ausprobieren, wovon viele andere träumen: Er bekam ein bedingungsloses Grundeinkommen, jeden Monat 1.200 Euro auf sein Konto, einfach so. "Verändert hat mich das schon", sagt der 28-jährige Rettungssanitäter. Drei Jahre ging das so, diesen Monat endet sein Zusatzeinkommen.

2021 fing es an, mit einer E-Mail. Darin stand, er sei einer von 122 Menschen, die an der Studie teilnehmen. Schiffer konnte es erst gar nicht glauben, schließlich hatten sich rund zwei Millionen Interessierte beworben. "Das war wie ein Lottogewinn für mich, der sich auf mehrere Monate verteilt", sagt er. "Ich war erst euphorisch, dann mit dem Gedanken überfordert: wie kann man etwas erreichen mit dem Geld?"

Was passiert bei Menschen, die das Geld nicht brauchen?

Was machen die Menschen mit dem Geld und was macht das Geld mit den Menschen? Das wollen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Verein "Mein Grundeinkommen" mit der Studie herausfinden. Es ist die erste Langzeitstudie in Deutschland zum bedingungslosen Grundeinkommen und wissenschaftliches Neuland, sagt Studienleiter Jürgen Schupp vom DIW: "Wir wollen wissen, was in einer Gruppe passiert, die dieses zusätzliche Geld eigentlich nicht braucht."

Dominic Schiffer hat trotz Grundeinkommen weiter gearbeitet. Allerdings weniger, erzählt er. Vorher hatte der Rettungssanitäter zusätzlich zwei Nebenjobs, weil er einen Kredit abzahlen musste. "Durch das Grundeinkommen musste ich endlich nicht mehr nachdenken: Habe ich überhaupt das Geld, etwas zu machen? Ich bin entscheidungsfreudiger geworden, lebensfroher, gehe mehr raus", erzählt Schiffer. Nun konnte er auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlen, einen Lkw-Führerschein anfangen und mal in den Urlaub fliegen.

Anhänger quer durch politische Lager

Der Verein "Mein Grundeinkommen" hat schon vor dieser Studie solche Zusatzeinkommen verschenkt. "Wir haben gelernt, dass die Menschen dadurch gar nicht faul werden," erklärte Vereinsgründer Michael Bohmeyer vor drei Jahren zum Start der Studie. Seine These: "Im Gegenteil, sie arbeiten zufriedener in ihren Jobs. Sie haben das Gefühl, ihr Leben selbst in der Hand zu haben."

Die Studie soll das überprüfen - durchaus beobachtet von der Politik. Quer durch die Lager gibt es dort Anhänger der Idee, wenn auch mit verschiedenen Ansätzen.

Bei den Grünen steht das bedingungslose Grundeinkommen im Grundsatzprogramm. Sie wollen die existenzsichernden Sozialleistungen zusammenführen und als Auszahlung in das Steuersystem integrieren. "Beim Kindergeld stellt niemand in Frage, dass alle es bekommen, so ähnlich wäre das beim Grundeinkommen auch," sagt der Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn: "Und es ist nicht zusätzlich für alle, sondern würde wie beim Kindergeld verrechnet mit der Einkommenssteuer. Es ist eher eine Vorauszahlung an die Menschen und das Zeichen: mach was draus."

Mit dem Koalitionspartner FDP aber ist ein bedingungsloses Grundeinkommen kaum zu machen. "Bedingungslos Geld von anderen zu erhalten, obwohl man selbst arbeiten kann, ist nicht fair", sagt Jens Teutrine, Sprecher für Bürgergeld. Auch die Liberalen reizt aber die Idee, Sozialleistungen wie Bürgergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld in einer Auszahlung zu bündeln und dadurch staatliche Bürokratie zu reduzieren.

Teutrine will das durch eine negative Einkommenssteuer erreichen, "indem man bis zu einem gewissen steuerlichen Schwellenwert Leistungen erhält und ab Erreichen dieses Schwellenwerts Steuern zahlt. So sei sichergestellt, dass Mehrarbeit auch immer mehr lohnt."

Skepsis bei mehreren Bundestagsfraktionen

Die SPD ist grundsätzlich skeptisch: "Ein bedingungsloses Einkommen ist nicht nur ungerecht denen gegenüber, die mit ihrer Arbeit den Laden am Laufen halten," sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt, "damit würde sich die Solidargemeinschaft auch von der Verpflichtung freikaufen, sich um jede individuelle Erwerbsbiografie zu kümmern."

Aus der Union gab es früher einmal eigene Konzepte für ein bedingungsloses Grundeinkommen, inzwischen hat sie sich wie die AfD dagegen positioniert.

"Im Moment erscheint das noch utopisch", gibt auch DIW-Studienleiter Schupp zu. Perspektivisch hält er aber eine universelle, unbürokratische Garantiezahlung als Basisausstattung des Sozialsystems für denkbar. "Deswegen ist es sicher sinnvoll, das wissenschaftlich zu evaluieren und erstmal ideologiebefreit zu schauen: wie gehen die Menschen mit solchen Systemen in ihrem täglichen Leben um."

Anfang 2025 sollen die Ergebnisse vorgestellt werden

Dominic Schiffer muss in seinem täglichen Leben von jetzt an wieder ohne Grundeinkommen auskommen. Sein persönliches Fazit ist durchwachsen. Ihm selbst habe das Grundeinkommen viel gebracht. Aber wenn es deutschlandweit käme, sorgt und fragt er sich, würden dann nicht die Preise steigen, weil alle mehr Geld hätten? Es gibt noch viele offene Fragen beim bedingungslosen Grundeinkommen.

Die Ergebnisse der Studie sollen Anfang 2025 vorliegen, bis dahin wollen die Wissenschaftler die Daten gründlich analysieren.