Ein Schild am Berliner Hauptbahnhof weist Geflüchtete aus der Ukraine auf Aufenthaltsmöglichkeiten hin. (Archivbild)
FAQ

Leistungen in Deutschland Was Ukraine-Flüchtlinge erhalten

Stand: 27.09.2022 13:14 Uhr

CDU-Chef Merz hat mit seinem "Sozialtourismus"-Vorwurf viel Empörung ausgelöst. Aber was steckt hinter dem abwertenden Begriff? Und welche Leistungen bekommen ukrainische Geflüchtete, gibt es Belege für Missbrauch?

Von Kai Clement, ARD Berlin

Was ist "Sozialtourismus"?

Der Duden versteht darunter einen abwertenden Begriff und definiert ihn als die "Gesamtheit der Ortswechsel, die die Betreffenden nur vornehmen, um sich in den Genuss bestimmter Sozialleistungen zu bringen". CDU-Chef Friedrich Merz sagte am Montagabend bei Bild-TV: "Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine." Bereits 2013 hat die Sprachkritik-Jury das Wort als "Unwort des Jahres" gewählt. Damit sei von einigen Politikern und Medien gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer gemacht worden. Merz hat sich am Vormittag entschuldigt und einen entsprechenden Tweet wieder gelöscht. "Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems."

Welche Leistungen bekommen ukrainische Kriegsflüchtlinge in Deutschland?

Seit dem 1. Juni können sie aus der sogenannten Grundsicherung unterstützt werden und erhalten damit die gleichen Leistungen wie Hartz-IV-Empfänger. Sie sind damit etwas bessergestellt als zuvor, denn da war noch das Asylbewerberleistungsgesetz die Grundlage. Wer erwerbsfähig ist, bekommt das Geld vom Jobcenter, ansonsten läuft es über die Sozialämter. Bezahlt werden neben Lebensunterhalt auch Miete und Heizkosten sowie die medizinische Versorgung. Voraussetzung ist, dass die Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis bei der jeweiligen lokalen Ausländerbehörde beantragt haben.

Wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten solche Leistungen?

Das Arbeitsministerium verweist dazu auf vorläufige Statistiken der Bundesagentur für Arbeit. Danach waren im August 546.000 Menschen aus der Ukraine in Deutschland in der Grundsicherung. Davon seien 355.000 erwerbsfähig, 191.000 nicht erwerbsfähig, also beispielsweise Kinder. Die Statistik weist Kriegsflüchtlinge nicht gesondert aus, doch die Zahlen sprechen für sich: Seit Kriegsbeginn im Februar gibt es ein Plus von 529.000 Menschen.

Ist Missbrauch dokumentiert und wenn ja: in welchem Umfang?

Dem Arbeitsministerium liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Ein Sprecher weist gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio darauf hin: Wer Leistungen bekommen will, muss sich im Bereich des zuständigen Jobcenters aufhalten und eine Adresse angeben. Ohne dauerhaften Aufenthalt in Deutschland gebe es keinen Leistungsanspruch. Sollte ein Jobcenter Missbrauch feststellen, würden die Leistungen beendet. Etwa dann, wenn Post nicht zustellbar sei oder wenn Menschen nicht an Sprachkursen oder Beratungsgesprächen teilnehmen. Denkbar seien auch Hinweise etwa von Vermietern. Wer ausreist, muss das Jobcenter oder Sozialamt informieren.

Wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine sind insgesamt in Deutschland?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zum Stichtag 24. September insgesamt 965.337 ukrainische Staatsangehörige erfasst, die seit Kriegsbeginn nach Deutschland eingereist sind. Unter den Erwachsenen sind den Angaben zufolge mehr als zwei Drittel Frauen. Auf Kinder und Jugendliche entfällt ein Anteil von gut 35 Prozent. Das Innenministerium kann allerdings nicht sagen, wie viele Geflüchtete bereits weiter- oder zurückgereist sind. Schließlich gebe es im Schengen-Raum, etwa zum benachbarten Polen, keine regulären Kontrollen an der Binnengrenze. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine benötigen für die Einreise nach Deutschland kein Visum. Sie müssen aber innerhalb von 90 Tagen nach Ankunft eine Aufenthaltserlaubnis beantragen.

Kai Clement, Kai Clement, ARD Berlin, 27.09.2022 12:37 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. September 2022 um 12:10 Uhr.