FCAS-Modell eines Kampfflugzeugs (Archivbild: 2019)

Gemeinsames Rüstungsprojekt Spanien steigt bei FCAS ein

Stand: 28.04.2023 08:37 Uhr

Deutschland und Frankreich entwickeln gemeinsam ein neues Kampfflugzeug: FCAS ist das bisher teuerste europäische Rüstungsprojekt. Nun steigt auch Spanien offiziell ein. Das birgt auch Risiken.

Von Oliver Neuroth, ARD Berlin

Um die Ausrüstung der Bundeswehr steht es schlecht. Das ist nicht erst seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine bekannt. An allen Ecken und Enden fehlt Material oder es funktioniert nicht. Auch die Kampfflugzeuge sind in die Jahre gekommen: Die Tornados der Bundeswehr fliegen seit Anfang der 1980er, der Eurofighter seit Mitte der 1990er-Jahre. Wenn sie denn fliegen.

2017 haben Deutschland und Frankreich beschlossen, gemeinsam einen neuen Kampfjet zu entwickeln. Denn die Rafale-Maschinen der französischen Luftwaffe sind ebenfalls technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand. FCAS war geboren, das "Future Combat Air System" ("künftiges Luftkampfsystem"). Europa wollte nicht mehr länger zusehen, wie die USA beim Bau von Militärflugzeugen den Ton angeben. Aktuell gilt die F35 des US-Herstellers Lockheed als der modernste Kampfjet der Welt.

"Kein europäisches Land kann das allein stemmen"

Schon bald war klar: Auch Spanien soll Partner von FCAS werden. "Denn kein europäisches Land - nicht Deutschland, nicht Frankreich - ist in der Lage, ein Projekt wie FCAS allein zu stemmen. Sowohl finanziell als auch industriell", erklärt Militärexpertin Ulrike Franke von der Denkfabrik European Council of Foreign Relations. Dazu kommt: Bauen europäische Partner zusammen ein Flugzeug, können sie bei gemeinsamen Einsätzen besser kooperieren.

Schätzungsweise 100 Milliarden Euro fließen in die Entwicklung von FCAS. Damit ist es das teuerste europäische Rüstungsprojekt, das es bislang gab. Mit dem neuen Kampfjet allein ist es nicht getan: FCAS soll ein Waffensystem sein, zu dem auch Drohnen, Künstliche Intelligenz und Satellitentechnik gehören. Es geht um eine vernetzte Kriegsführung: Ein Kampfjet steht in direkter Verbindung mit einem Drohnenschwarm und vielleicht auch mit Kriegsschiffen auf dem Meer.

Seit 2019 ist Spanien an Planungen für FCAS beteiligt, heute steigt das Land auch offiziell mit ein: In Madrid steht die Beitrittszeremonie an, zu der auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius erwartet wird.

"Drei Player sind besser als nur zwei"

Dass Spanien FCAS-Partner wird, bringt aus Sicht von Ulrike Franke vor allem Vorteile: Wenn mehr Firmen beteiligt sind, ist auch mehr Knowhow im Spiel. Sollten sich Deutschland und Frankreich auf der politischen Ebene in Fragen zur Entwicklung nicht einig werden, könnte Spanien als eine Art Schlichter eingreifen und vermitteln.

Allerdings gibt sie zu bedenken: "Je mehr Akteure involviert sind - ob auf der industriellen oder der politischen Ebene - umso komplexer wird das Ganze." Doch komplex ist FCAS ohnehin schon: Unzählige Unternehmen und Startups sind an dem Projekt beteiligt. Von politischen Machtspielen ganz zu schweigen.

Die Machtverhältnisse dürften durch den Einstieg Spaniens noch komplizierter werden. In welche Richtung sie sich verschieben - da wagt Expertin Franke keine Prognose. Die französische Regierung hat jedenfalls schon mehrmals klargestellt, dass sie die Führungsrolle bei FCAS hat und diese auch behalten will.

Scholz, Fichefeux und Macron vor einem Dronen-Modell von Airbus

Im Januar erinnerten Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron an die lange militärische Zusammenarbeit der beiden Länder. Nun soll es mit FCAS zu dritt weitergehen.

Too big to fail

Auch wenn Spanien nun offizieller Partner wird: FCAS gilt als Vorzeigeprojekt der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Ein Scheitern wäre aus politischen Gründen fatal. Doch das Konstrukt ist wackelig. Das wurde im vergangenen Jahr deutlich: Die großen beteiligten Firmen Airbus und Dassault führten einen monatelangen Kleinkrieg. Es ging unter anderem um Fragen der Organisation des Projekts.

Im Dezember 2022 konnten sich die Konzerne schließlich einigen und es war klar, dass die Entwicklung von FCAS weitergeht. Und frisches Geld aus Paris und Berlin fließt. "Es hängt politisch, industriell und nicht zuletzt militärisch sehr viel am FCAS-Projekt", sagt Franke. "Und deshalb habe ich inzwischen den Eindruck, dass es 'too big to fail' ist." Also zu groß zum Scheitern.

Bemannt oder unbemannt?

Wie der neue Kampfjet konkret aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Lange wurde diskutiert, ob es ein bemanntes oder ein unbemanntes Flugzeug werden soll. Dabei ging es nicht nur um technische, auch um politische und ethische Fragen: Wo beginnt ein automatisierter Angriff, an welcher Stelle entscheiden Soldatinnen und Soldaten über den Einsatz von Waffen?

Nach aktuellem Stand soll das FCAS-Flugzeug bemannt sein, ein Pilot oder eine Pilotin treffen Entscheidungen im Cockpit. Ein Demoflugzeug könnte 2029 fertig sein und zu einem Erstflug abheben. Bis FCAS marktreif ist, dürften noch mindestens zehn weitere Jahre vergehen.

Oliver Neuroth, ARD Berlin, tagesschau, 27.04.2023 20:22 Uhr