Sahra Wagenknecht spricht auf einer "Friedensdemo" am 25. Februar 2023 in Berlin.
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Krieg gegen die Ukraine Der Wunsch nach Verhandlungen

Stand: 24.02.2024 09:09 Uhr

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat unendliches Leid, Tod und Zerstörung gebracht. Regelmäßig kommen deshalb die Rufe nach Friedensverhandlungen aus der deutschen Politik. Doch der Weg dorthin dürfte steinig werden.

Eine Analyse von Uli Hauck, ARD Berlin

Es vergeht keine Woche, in der Sahra Wagenknecht sich nicht für einen schnellen Frieden in der Ukraine ausspricht. Für die BSW-Vorsitzende ist die Sache dabei einfach: Sie will den russischen Angriffskrieg sofort mit Verhandlungen beenden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin dafür ein Angebot unterbreiten. Im Gegenzug für seine Verhandlungsbereitschaft könnte der Westen - als vertrauensbildende Maßnahme für Russland - der Ukraine keine Waffen mehr liefern.

Dann könne man ja prüfen, wie ernst es Putin mit einer Verhandlungslösung sei, so Wagenknecht. Fraglich ist allerdings, warum man überhaupt dem Kreml-Herrscher etwas anbieten soll, wenn der seinerseits doch öffentlich selbst angebliche Verhandlungsbereitschaft signalisiert.

Ähnliche Forderungen kommen aus der AfD. Auch Parteichef Tino Chrupalla spricht sich im Interview der Woche des SWR dafür aus, dass die Bundesregierung auf Diplomatie setzten soll. Häufig wiederholt wird dabei auch die Behauptung, dass der Westen im Frühjahr 2022 bewusst Friedensgespräche torpediert habe. Wirklich belegt ist diese Behauptung aber nicht.

Hinzu kommt: Schon damals mangelte es an Vertrauen zwischen beiden Kriegsparteien für eine Verhandlungslösung. Denn die russische Armee hat sich seinerzeit zwar aus den Vororten von Kiew zurückgezogen, gleichzeitig habe der Kreml seine Truppen aber neu aufgestellt, um sie dann in den Osten zu werfen und eine neue Offensive zu starten, sagt Nicole Deitelhoff vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung.

Ein riskanter Vorschlag auf Kosten der Ukraine

Die militärische Unterstützung für die Ukraine einzustellen und darauf zu hoffen, dass Putin über Frieden verhandelt - das ist ein riskanter Vorschlag vor allem auf Kosten der angegriffenen Ukraine. Die Wissenschaftlerin Deitelhoff befürchtet zum einen als Folge einen Diktatfrieden, den Russland der Ukraine aufzwingen könnte - also einen Frieden zu Putins Bedingungen. Und zum anderen sei die Chance sehr hoch, dass Russland sich damit nicht zufrieden geben wird, wenn Putin merkt, dass die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer klein beigeben.

In der Vergangenheit habe es zwar Fälle gegeben, in denen eine Kriegspartei als vertrauensbildende Maßnahme - zumindest in einem Frontabschnitt - eine befristete Waffenpause angeboten und umgesetzt hat, sagt Deitelhoff. Mit Wagenknechts Vorschlag habe das aber nichts zu tun.

Noch keine Situation für Verhandlungen

Fragt man bei vielen Wissenschaftlern und Militärexperten nach, dann sehen sie aktuell noch nicht die Zeit für Verhandlungen gekommen. Zwar ist weder für die Ukraine noch für Russland ein Sieg auf dem Schlachtfeld in Sicht, beide Seiten rechnen sich aber weiterhin Chancen aus. Auch wenn es ein brutaler, menschenverachtender Abnutzungskrieg ist, fehlt noch die Einsicht, dass auf dem Schlachtfeld nichts mehr zu gewinnen ist.

"Russland könnte den Krieg jederzeit beenden", sagt Generalmajor Wolf-Jürgen Stahl, der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Die Ukraine muss dagegen ums Überleben kämpfen. Und dafür hat sie "zum Gewinnen zu wenig, zum Verlieren glücklicherweise zu viel".

Angesichts dieser Situation sehen die Experten für den Westen weiterhin drei Aufgaben: die Ukraine militärisch unterstützen, die Sanktionen gegen Russland verschärfen und sich auf Friedensverhandlungen vorbereiten, für den Fall, dass der entscheidende Zeitpunkt gekommen ist.

Friedensverhandlungen vorbereiten

Wenn sich die Ukraine auf Verhandlungen mit Putins Russland einlassen soll, dann bräuchte sie beispielsweise wirklich weitreichende Sicherheitsgarantien, bis hin zu einer möglichen NATO-Mitgliedschaft. Denn die Erfahrungen der Ukrainer mit dem kriegerischen Nachbarn sind in den vergangenen Jahrzehnten durchgängig schlecht gewesen.

Versprochene, auch westliche Sicherheitsgarantien nach dem Budapester Memorandum 1994 haben nichts genutzt. Russland hatte damals die Unabhängigkeit und die Grenzen der Ukraine vertraglich anerkannt. Und nachdem die Ukraine im Gegenzug auf Nuklearwaffen verzichtet hatte, wurde sie von Putins Russland mehrfach angegriffen.

Neben der Frage der Sicherheitsgarantien müssen auch Lösungen für strittige territoriale Konfliktthemen zumindest hinter verschlossenen Türen durchgespielt werden. Denn sollte tatsächlich keine Seite den Krieg gewinnen, braucht es gangbare Lösungen, beispielsweise für die Krim.

Auf russischer Seite müsste China seinen Einfluss geltend machen, auf ukrainischer Seite die USA und die EU. Doch davon sind wir weit entfernt. Aktuell erkennt Putin den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj noch nicht einmal als Vertreter der Ukraine an. Bevor das nicht passiert, kann sich der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, keine substantiellen Verhandlungen vorstellen.

Kein Kanzlerkontakt zu Putin

Deutschland allein dürfte bei solchen Verhandlungen keine herausgehobene Rolle spielen. Und wenn man bei Regierungssprecher Steffen Hebestreit nachfragt, wird deutlich, dass es den direkten Draht in den Kreml derzeit auch gar nicht gibt.

Anfang Dezember 2022 habe es das letzte direkte Gespräch zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem russischen Präsidenten gegeben, sagt Hebestreit in der Regierungspressekonferenz. Im Kanzleramt steht man auch auf dem Standpunkt, dass Gespräche sinnvoll sein müssen und danach sieht es derzeit nicht aus.

Ein schneller Frieden ist in der Praxis nicht Sicht. Politologin Deitelhoff rechnet eher mit einem mühsamen Friedensprozess, der von vielen Rückschlägen durchzogen sein wird.

Uli Hauck, ARD Berlin, tagesschau, 23.02.2024 15:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. Februar 2024 um 20:50 Uhr.