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Nach Bundeswehr-Abhörskandal Wie sicher ist die Kommunikation der Behörden?

Stand: 05.03.2024 13:26 Uhr

Der Abhörskandal bei der Bundeswehr wirft viele Fragen auf. Welche Möglichkeiten haben Politiker, geheim und sicher zu kommunizieren? Der Blick auf den Ist-Zustand macht deutlich: Absolute Sicherheit gibt es kaum.

Von Oliver Neuroth, ARD Berlin

Es gibt sie: die sichere Kommunikations-Infrastruktur für Behörden. Die "Netze des Bundes" umfassen fast 10.000 Kilometer Glasfaser-Leitungen, die quer durch Deutschland verlegt sind. Dieses Netzwerk ist vor allem für den Datenaustausch gedacht, aber auch Videokonferenzen sind vorgesehen.

Allerdings ist das System in die Jahre gekommen, es gilt technisch als völlig veraltet. Auch deshalb nutzen Ministerien inzwischen meist andere Wege. "Man kommuniziert nicht mehr über eine Leitung, sondern übers Internet. Und das ist grundsätzlich für alle zugänglich und ständig angreifbar", sagt Stefan Brink, früherer Datenschutzbeauftragter von Baden-Württemberg, heute Chef des Forschungsinstituts für die Digitalisierung der Arbeitswelt (WIDA), im Interview mit dem HR.

Behörden nutzen nicht das Standard-WebEx

Im konkreten Abhörfall haben die Bundeswehr-Offiziere die Software WebEx verwendet. Dieses System nutze die Bundeswehr häufig, erklärt Stefan Brink. Er sieht darin auch kein Problem, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind: Die Teilnehmer einer Konferenzschalte sollten überprüfen, ob kein ungebetener Gast eingewählt ist. Und die Bundeswehr müsse alle Möglichkeiten nutzen, das Gespräch bestmöglich zu verschlüsseln. Denn diese Möglichkeit hat sie.

Die Behörden-Version von WebEx unterscheidet sich von den klassischen Versionen, sie läuft beispielsweise über eigene Server. Ist eine bestimmte Verschlüsselung der Software aktiviert, dürfen über sie auch Informationen ausgetauscht werden, die als "Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch" eingestuft sind. Das ist der unterste Geheimhaltungsgrad.

Das Bundesverteidigungsministerium nutzt nach eigenen Angaben neben WebEx noch weitere Kommunikationssysteme, sagt aber nicht konkret, welche das sind. Je nach Geheimhaltungsstufe seien verschiedene Anwendungen zugelassen. Gerade läuft eine Prüfung, ob im aktuellen Abhörfall die Vorgaben eingehalten worden sind. Es deutet vieles darauf hin, dass der Inhalt der Schalte über den untersten Geheimhaltungsgrad hinausging.

Ministeriums-Software für Videokonferenzen

Andere Ministerien haben selbst Software für sichere Konferenzschaltungen entwickeln lassen, zum Beispiel das Auswärtige Amt. Wie WebEx bei der Bundeswehr ist dieses Tool für den Austausch von Informationen der Geheimhaltungsstufe "Nur für den Dienstgebrauch" gedacht. In der Digitalstrategie der Bundesregierung ist von einem "Leuchtturmprojekt" die Rede.

Linken-Politikerin Anke Domscheit-Berg, Mitglied des Digitalausschusses im Bundestag, kritisiert im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio allerdings, dass diese Software kaum von anderen Ministerien genutzt werde. Sie wünscht sich mehr Austausch. Und stellt klar: Bei der IT-Sicherheit müsse eine Kette von Kriterien funktionieren, damit sie sicher sei. "Wir brauchen eine sichere Hardware, wir brauchen eine sichere Software, wir brauchen sichere Verhaltensweisen und eine sichere Umgebung." Bei einer einzigen Lücke in dieser Kette sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie jemand ausnutze, sagt Domscheit-Berg.

Abhörsichere Räume

Wie Bundesbehörden mit vertraulichen Informationen umgesehen sollen, steht in der sogenannten Verschlusssachenanweisung. Dort heißt es, Gespräche über geheim eingestufte Inhalte müssten in abhörsicheren Räumen stattfinden. Solche Räume gibt es beispielsweise in Ministerien und Botschaften. Wer dort hineingeht, muss vorher sein Handy abgeben.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ist für die Kontrolle der abhörsicheren Räume im Inland zuständig, im Ausland ist es der Bundesnachrichtendienst.

Ein "Wakeup-Call"?

Domscheit-Berg verweist auch auf mögliche Gefahren in der analogen Welt: Nach wie vor könne es vorkommen, dass in einem Zimmer eine Wanze unter einem Lampenschirm klebe. Selbst diese vermeintlich überholten Methoden gehörten für Spione weiterhin zur Praxis. Die Linken-Politikerin hat die Hoffnung, dass der aktuelle Abhörfall die politischen Entscheider aufrüttelt. Sie spricht von einem "Wakeup-Call", der idealerweise für höhere Standards in der Online-Kommunikation sorgen könne.

Diesen genauen Check der Kommunikationssysteme - welches für welchen Informationsaustausch am besten geeignet ist - hat auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius angekündigt. Er bringt es so auf den Punkt: Deutschland dürfe bei diesem Thema nicht weniger sein als "State of the Art".

Oliver Neuroth, ARD Berlin, tagesschau, 05.03.2024 14:31 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 05. März 2024 um 14:00 Uhr.