Christian Lindner

Haushaltskrise Lindner pocht auf drastische Einschnitte

Stand: 24.11.2023 11:43 Uhr

Wegen der Haushaltskrise fordert Finanzminister Lindner jährliche Einsparungen im zweistelligen Milliardenbereich. Nötig seien "strukturelle Änderungen". Zugleich zeigte er sich zuversichtlich, dass der Etat 2024 noch in diesem Jahr beschlossen wird.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die Ampelkoalition angesichts der Haushaltskrise auf einen strikten Sparkurs eingeschworen. "Wir reden von einem erheblichen zusätzlichen Konsolidierungsbedarf", sagte der FDP-Chef dem "Handelsblatt". Es gehe um zweistellige Milliardenbeträge pro Jahr. Ratsam sei, den Haushalt 2024 und 2025 zusammen zu betrachten. "Strukturelle Änderungen sind aus meiner Sicht unausweichlich", sagte Lindner.

Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Haushalt für 2024 noch in diesem Jahr beschlossen wird. "Die Bundesregierung wird versuchen, das zu ermöglichen", sagte Lindner. Die Entscheidung liege aber beim Parlament.

Manuela Schwesig, SPD/Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommern, mit Details zur Haushaltskrise

Morgenmagazin, 24.11.2023 05:30 Uhr

"Wohl der Wirtschaft darf nicht nur von Subventionen abhängen"

Grundsätzlich gebe es mit Blick auf die Haushaltskrise "keinen Grund zur Panik", sagte Lindner. Rechtsverpflichtungen würden ohnehin eingehalten. "Wir arbeiten darüber hinaus an Lösungen." Man dürfe die Bedeutung von Finanzhilfen nicht unterschätzen, aber auch nicht überschätzen. "Es wäre eine schlechte Nachricht, wenn das Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft von Subventionen des Staats abhängen würde."

Für dieses Jahr soll die Schuldenbremse zwar erneut ausgesetzt werden, künftig will Lindner aber wieder daran festhalten. "Die Schuldenbremse ist geltendes Verfassungsrecht. Sie ist gerade gestärkt worden."

Auch Steuererhöhungen erteilte der Finanzminister eine Absage. Im Gegenteil träten Anfang 2024 Entlastungen bei der Einkommensteuer im Umfang von 15 Milliarden Euro in Kraft.

Esken und Lang für weitere Aussetzung der Schuldenbremse

SPD-Chefin Saskia Esken bekräftige ihre Forderung nach einem Aussetzen der Schuldenbremse auch für 2024. "Wir befinden uns weiterhin in einer krisenhaften Situation, deren Auswirkungen auch im kommenden Jahr zu spüren sein werden", sagte sie der Funke Mediengruppe. Daher werde es notwendig sein, die Ausnahmeregelung auch für 2024 zu ziehen.

Esken sprach sich zugleich für eine Reform der Schuldenbremse aus. Diese dürfe nicht zur "Zukunftsbremse" werden. Sie müsse so reformiert werden, dass in Zeiten multipler Umbrüche dringend benötigte Investitionen in eine moderne und klimaneutrale Zukunft möglich seien.

Grünen-Chefin Ricarda Lang äußerte sich ähnlich. "Wir werden für die nächsten Jahre weiterhin über Investitionsspielräume sprechen müssen und natürlich auch weiterhin über die Schuldenbremse", sagte sie im ZDF-"heute journal". Die Regierung müsse eine Aussetzung etwa für 2024 oder 2025 diskutieren. Zudem müsse über "eine grundlegende Reform" der Schuldenbremse nachgedacht werden, für die es eine Zweidrittelmehrheit brauche, sagte Lang mit Blick auf die Union.

Unionsfraktionschef Frei lehnt Reform ab

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, lehnt eine Reform ab. Die aktuelle Regelung ermögliche bereits Flexibilität, auf schlechte Zeiten zu reagieren und sei deshalb "eine intelligente und gute, generationengerechte Schuldenbremse", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.

Die geplante Aussetzung der Schuldenbremse für dieses Jahr nannte Frei ein "gewagtes rechtliches Manöver". Er stelle es sich "schwierig vor, dass man zu Beginn des Jahres nicht von einer Notlage spricht, wir allerdings die Grundlage dessen, was jetzt zur Grundlage einer Notlage werden soll, im Grunde genommen vor einem Jahr schon hatten." Er wüsste nicht, "was sich an neuen Erkenntnissen ergeben hätte und welche Begründung man da jetzt letztlich nachschieben wollte". Auf die Frage, ob die Union noch einmal klagen würde, sagte Frei, das wolle er ausdrücklich offen lassen.

Scholz gibt Regierungserklärung ab

Bundeskanzler Olaf Scholz wird in der kommenden Woche im Bundestag eine Regierungserklärung zur Haushaltslage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgeben. Das kündigte Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt im Bundesrat an. "Ohne dem jetzt vorgreifen zu wollen, will ich an dieser Stelle vor allem sagen, dass auch nach dem Urteil die finanziellen Hilfen des Staates bei solchen besonderen Notsituationen weiterhin möglich sind", sagte Schmidt. "Aber es gibt jetzt klare Vorgaben, wie die Hilfen ausgestaltet sein müssen und wie die Kreditaufnahme organisiert sein muss, um sie zu finanzieren."

Lindner: Hilfe für Hochwasser-Opfer nicht sicher

Finanzminister Lindner will für das laufende Jahr kommende Woche einen Nachtragshaushalt vorlegen. Nach seinen Worten muss neben dem Klima- und Transformationsfonds auch der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds, aus dem die Strom- und Gaspreisbremse finanziert werden, in diesem Jahr auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt und 2024 beendet werden.

Auch der Aufbauhilfefonds für die Opfer des Hochwassers 2021, der von der Vorgängerregierung gebildet wurde, sei verfassungsrechtlich nicht sicher. "Bei der rechtssicheren Fortsetzung des Fonds für die Hochwasseropfer hoffe ich auch auf Unterstützung der CDU/CSU", sagte Lindner.

Kubicki fordert Reduzierung von Hilfszahlungen

FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki stellte sich gegen die beabsichtigte Aussetzung der Schuldenbremse. "Ein solcher Schritt ist aus meiner Sicht schwer vermittelbar", sagte er der Funke Mediengruppe. Eine erneute Aussetzung sei zwar rechtlich möglich, doch schaffe sie "erhebliche Vertrauensprobleme".

Kubicki forderte stattdessen einen Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik. Es müsse zwingend über eine Reduzierung bestimmter Staatsausgaben gesprochen werden. "Dass wir zum Beispiel deutlich über 30 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe zahlen, ist angesichts der Schwere des haushalterischen Problems schwer vermittelbar."

Bundesrat beschäftigt sich mit Haushaltskrise

Erstmals seit dem Karlsruher Urteil kommt heute der Bundesrat zusammen - und wird sich auch mit der Haushaltskrise befassen. Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig sagte im ARD-Morgenmagazin, sie halte den Vorschlag, für 2023 die Notlage auszusprechen, in Bezug auf die Energiekrise für richtig. Wichtig sei, dass etwa die Strom- und Gaspreisbremse fortgesetzt werden könne, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Länder wie China oder die USA unterstützen ihre Wirtschaft - "das müssen auch wir machen". Ein Aussetzen der Schuldenbremse für 2024 müsse "ordentlich geprüft" werden, so die SPD-Politikerin.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 24.11.2023 08:13 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. November 2023 um 05:05 Uhr.