Franziska Giffey
Analyse

Berlin nach der Wahl Was nun, Frau Giffey?

Stand: 27.02.2023 17:53 Uhr

Die politische Zukunft von Franziska Giffey hängt am seidenen Faden. Die SPD liegt in Berlin hauchdünn vor den Grünen. Bleibt Giffey nicht Regierende Bürgermeisterin, dürfte ihre steile politische Karriere zu Ende sein.

Eine Analyse von Jan Menzel, rbb

Sie macht das, was eine Regierende Bürgermeisterin nach einer Wahl machen muss. Franziska Giffey regiert, repräsentiert und sondiert. Siebeneinhalb Stunden sitzt sie mit den alten und vielleicht neuen Koalitionspartnern Grüne und Linke zusammen. Kaum kürzer fällt die Runde mit der CDU aus. Am Abend steht die Regierende auf dem Roten Teppich der Berlinale. Ach ja, und der Senat tagt auch noch und dann gibt es den Gipfel gegen Jugendgewalt.

Politik ist schon in normalen Zeiten ein Knochenjob. In Wahlkampfzeiten und danach gilt das noch einmal mehr, zumal, wenn so viel Unsicherheit herrscht. Zwei Wochen nach der denkwürdigen Wiederholungswahl ist noch nicht entschieden, wer mit wem die Stadt regiert und was aus der Frau im Roten Rathaus wird. "Wir sondieren ergebnisoffen", beschreibt Giffey den Schwebezustand. Genauso offen wie die Koalitionsfrage ist auch, was aus ihr wird.

Alles oder nichts

Zwar ist nun das amtliche Endergebnis mit dem Mini-Vorsprung von 53 Stimmen der SPD auf die Grünen da. Doch für die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, die frühere Bundesfamilienministerin und amtierende Regierende Bürgermeisterin geht es politisch weiter um alles oder nichts.

Denn: Noch könnten die Sozialdemokraten nach mehr als 20 Jahren das Rote Rathaus verlieren. Und auch die Oppositionsrolle ist nicht ausgeschlossen. Sollte es so kommen, werden in der Partei Dämme brechen, die bislang gehalten haben. Und Giffey könnte es mitreißen.

Allerdings ist für die Regierende Bürgermeisterin mit diesem amtlichen Endergebnis das beste aller Szenarien eingetreten: An der Reihenfolge der Parteien ändert sich nichts: SPD auf Platz zwei, die Grünen auf Platz drei. Giffey kann ihren Anspruch auf das Amt der Regierenden Bürgermeisterin weiter aufrechterhalten. "Ich bin gekommen, um zu bleiben", hat sie im Wahlkampf gesagt.

Wer die Regierende Bürgermeisterin beobachtet, könnte durchaus auf die Idee kommen, dass hier eine ihren Traumjob gefunden hat. Giffey müsste dafür aber die rot-grün-rote Koalition fortsetzen, auch wenn die nicht ihr Herzens-Bündnis ist.

"Mehrheit ist Mehrheit"

Ganz anders wäre die Lage gewesen, wenn die SPD sich mit dem dritten Platz hätte begnügen müssen. Rot-Grün-Rot hätte in diesem Fall als Grün-Rot-Rot weitermachen können. Entsprechend den politischen Gepflogenheiten hätte den Grünen als stärkste Kraft das Rote Rathaus zugestanden.

Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hatte es im Wahlkampf genau darauf angelegt und provokant die Frage in den Raum gestellt: "Kann die SPD auch Juniorpartner?"

Diese Frage stellt sich für Giffey und die SPD nun nicht mehr - jedenfalls nicht in dieser Konstellation. Zumal die grüne Frontfrau Jarasch bereits signalisierte: "Mehrheit ist Mehrheit." Auch wenn es nur 53 Stimmen sind.

Ein Bündnis mit der CDU?

Mit großem Interesse verfolgen die Strategen aller Parteien dagegen die Gedankenspiele von älteren Berliner Sozialdemokraten, die allerdings keine Ämter und Funktionen mehr haben. Sie empfehlen ihrer Partei mehr oder weniger deutlich, ein Bündnis mit der CDU einzugehen.

Politisch gäbe es in einer schwarz-roten Konstellation durchaus Schnittmengen. Auch die beiden Spitzenleute liegen inhaltlich gar nicht weit auseinander. Sowohl Franziska Giffey als auch Kai Wegner halten nichts davon, den Autoverkehr deutlich zu reduzieren. Beide sind sich einig, dass die Enteignung großer Wohnungskonzerne der falsche Weg ist.

Aber könnte sich Giffey vorstellen, unter einem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner als Super-Senatorin zu arbeiten? Auf diese Frage gibt es von Sozialdemokraten nur Schweigen.

Aber selbst wenn Giffey sich politisch und persönlich Schwarz-Rot vorstellen könnte: Die Berliner SPD würde sich nur schwer in diese ungeliebteste aller möglichen Konstellationen zwingen lassen. Eher droht bei einem Abbiegen in Richtung Große Koalition eine Kettenreaktion in der Partei.

Gespannte Stille nach der Wahlschlappe

Auffällig ist, dass in der stets diskussionsfreudigen Berliner SPD nach der historischen Wahlschlappe gespannte Stille herrscht. Der Kreisvorsitzende der SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf Kian Niroomand wagte sich kurz mit der Forderung nach einem "Neuanfang" aus der Deckung. Niroomand wurde aber prompt wieder von der Parteispitze eingefangen.

Andere sinnierten darüber, ob es nicht besser wäre, sich nach diesem Wahlergebnis in der Opposition zu erneuern. Breite öffentliche Unterstützung dafür oder gar Aufruhr gibt es in der Partei nicht.

"Wir wollen Ruhe, damit es zu einer Wiederauflage des rot-grün-roten Bündnisses kommt", sagte einer, der sich mit der Parteiseele und dem Machtgefüge gut auskennt und nicht zu den Unterstützern der Landesvorsitzenden und Regierenden Bürgermeisterin zählt.

Umgekehrt bedeutet das: Wenn Giffey den Weg Richtung CDU einschlagen sollte oder die SPD am Ende doch in die Opposition gehen müsste, wäre es mit der Ruhe schlagartig vorbei. Konflikte, die jetzt mühsam unter dem Teppich gehalten werden, würden offen ausbrechen. Die Linken in der SPD würden dann gegen die Parteirechte Giffey aufbegehren.

Giffeys ungewisse Zukunft

Giffey selbst hat sich bislang nicht dazu geäußert, was sie machen würde, wenn sie nicht weiter als Regierende Bürgermeisterin arbeiten könnte. "Ach wissen Sie, damit beschäftige ich mich nicht", hat sie im Wahlkampf stets gesagt.

Das ist typisch Giffey: Optimistisch bleiben und das Ziel "Rotes Rathaus" fest im Blick behalten. Kommt es aber doch anders, würden etwa die Grünen an der SPD vorbei ein Bündnis mit der CDU schmieden, dürften auch Giffeys Tage als Landesvorsitzende der Berliner SPD gezählt sein.

Jan Menzel, RBB, 28.02.2023 05:41 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Februar 2023 um 18:00 Uhr.