Feuerwehrleute und Einwohner errichten einen Sandsackwall als Hochwasserschutz entlang des Flusses Helme.

Überschwemmungen Warum es beim Hochwasserschutz so langsam vorangeht

Stand: 02.01.2024 12:49 Uhr

Dauerregen und Deichrisse: Die Hochwasserlage in Deutschland bleibt angespannt. Dabei sollte nach der Donau- und Elbe-Flut 2013 mit dem "Nationalen Hochwasserschutzprogramm" vieles verbessert werden. Wurde zu wenig getan?

Von Sarah Beham, ARD Berlin

Überschwemmte Orte in Bayern 2013, die Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 - und auch jetzt reißen die Nachrichten über Hochwasser in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Nordrhein-Westfalen nicht ab. Dabei haben Bund und Länder bereits 2013 das sogenannte "Nationale Hochwasserschutzprogramm" als Reaktion auf die Fluten auf den Weg gebracht.

Erstmals gab und gibt es damit bundesweit eine Liste mit überregionalen Projekten für den Hochwasserschutz, die dem Wasser kontrolliert mehr Raum geben sollten. Dazu gehören beispielsweise Deichrückverlegungen und sogenannte Flutpolder, also natürliche Rückhalteräume, die meistens von einem Deich umgeben sind und in die bei großen Hochwasserereignissen gezielt und kontrolliert Wasser eingeleitet werden kann.

Leer: Blick auf den Entlastungspolder vor dem Leda-Sperrwerk

Viele der bestehenden Polder in Niedersachen sind derzeit an der Belastungsgrenze.

"Kommunen haben sich ins Zeug gelegt"

Für Uwe Brandl, CSU-Politiker und Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, steht im Interview mit tagesschau.de fest: "Es ist wirklich viel passiert. Die Kommunen haben sich seit 2013 unglaublich ins Zeug gelegt, um das Thema Hochwasserschutz und Schutz vor Starkregenereignissen professionell abzuarbeiten." Brandl sagt aber auch, Hochwasserschutz sei eine Daueraufgabe.

Hinzu kommt, dass der Klimawandel offenbar schneller voranschreitet, als Maßnahmen gegen Hochwasser umgesetzt werden. Zwar bestätigt eine langjährige Studie der Bundesanstalt für Gewässerkunde aus dem Jahr 2021, dass die geplanten Projekte des Nationalen Hochwasserschutzprogramms wirksam sind und die Pegelstände damit reduziert werden können.

Nur 15 Projekte in der Bauphase

Das Problem: Lediglich 15 Prozent der Projekte sind in der Bauphase, wie es auf tagesschau.de-Anfrage vom Bundesumweltministerium heißt: "Somit befindet sich ein Großteil der Maßnahmen noch in der Konzeptions-, Planungs- oder Genehmigungsphase." Der CSU-Politiker Brandl sagt deshalb, es brauche schnellere Verfahren und viele Gemeinden bräuchten finanzielle Unterstützung.  

Die Finanzierung des Nationalen Hochwasserschutzprogrammes sei langfristig gesichert, wie das Bundesumweltministerium auf Nachfrage mitteilt. Nach dem Hochwasser 2013 sind über 500 Millionen Euro in den überregionalen Hochwasserschutz investiert worden und "somit die Verringerung von verheerenden Schäden infolge solcher Ereignisse". Die bisherige Inanspruchnahme der Gelder verdeutliche die Bedeutung des Programms. Bis 2023 wurden jährlich 100 Millionen Euro für das Nationale Hochwasserschutzprogramm bereitgestellt, für 2024 sind 50 Millionen Euro geplant.

Streitpunkt Flächen

Geld ist das eine - Fachkräftemangel in Baufirmen und Lieferengpässe von Material das andere, um Projekte für den Hochwasserschutz umzusetzen. Dem Bundesumweltministerium zufolge ist der größte Knackpunkt aber, dass die Maßnahmen für die Umsetzung große Flächen erfordern. Es geht um Eigentumsfragen, Grunderwerb und Entschädigungen, um entsprechende Flächen zu erhalten, die beispielsweise als Flutpolder und Überschwemmungsgebiete in Frage kommen.

Doch Flächen sind nicht nur hart umkämpft - mit ihnen verbinden Menschen Emotionen, Sorgen und Ängste. Mit potenziellen Flutpoldern entflammen Debatten. Während es einerseits Polder-Befürworter gibt, wehren sich andere dagegen. Sie fürchten, dass die Trinkwasserversorgung im eigenen Ort im Fall eines Hochwassers zusammenbricht.

Neues "Naturgefahrenportal"

Projekte für einen verbesserten Hochwasserschutz dauern - doch der Klimawandel mit Extremwetter wartet nicht darauf. Schneller als Deichrückverlegungen oder Flutpolder sollen jetzt Informationen zu Naturgefahren kommen: ab Sommer 2024 mit dem sogenannten "Naturgefahrenportal" des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Das hat das Bundeskabinett im Dezember auf den Weg gebracht.

"Bei Starkregen finden Bürgerinnen und Bürger dann nicht nur die Information zu Regenmengen, sondern auch zu Folgen an ihrem Wohnort, beispielsweise Hochwasser oder Überschwemmungen", sagt DWD-Sprecherin Teresa Grimm im tagesschau.de-Interview. Das Portal ist eine Reaktion auf die Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 02. Januar 2024 um 06:35 Uhr.