Eine Sirene in einem Dorf.

Bundesweiter Warntag "Es wird laut"

Stand: 14.09.2023 08:39 Uhr

Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal hatte es 2021 nicht geklappt, alle Menschen rechtzeitig zu warnen. Deshalb testen die Behörden nun die neu aufgebauten Warnsysteme. Dabei kommt es auch auf den Warnmittel-Mix an.

Von Oliver Neuroth, ARD Berlin

Warnen vor einer Katastrophe: Wie wichtig das sein kann, zeigte sich im Sommer 2021 in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Beim Jahrhundert-Hochwasser kamen allein im Ahrtal mindestens 135 Menschen ums Leben. Viele wurden nicht rechtzeitig über die drohende Gefahr, den rasant steigenden Flusspegel, informiert. Sie hatten schlicht keine Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen.

Nach der Flutkatastrophe kam eine Debatte in Gang, wie die Warnsysteme in Deutschland verbessert werden können. Vertreter von Bund und Ländern erkannten schnell, dass es ein Fehler war, ab Mitte der 90er-Jahre Sirenen großflächig abgebaut zu haben. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte man die Anlagen in vielen Orten für überflüssig gehalten.

Weitere 47 Millionen Euro für Sirenen

Also nahmen Bund und Länder Geld in die Hand: 86 Millionen Euro, die noch aus Corona-Hilfstöpfen stammen, kamen dem Wiederaufbau von Sirenen zugute. Für das laufende und das kommende Jahr stehen weitere 47 Millionen Euro zur Verfügung.

"Sirenen sind, wenn es um den Weck-Effekt geht, unschlagbar", sagt Ralph Tiesler. Für den Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK) braucht Deutschland wieder ein dichtes Sirenennetz. "Viele von uns verbinden mit dem Sirenenton Alarm: 'Ich muss mich informieren. Da ist etwas, das mich betrifft!'"

Heute um 11 Uhr löst Tieslers Behörde etliche der Sirenen im Bundesgebiet aus. "Es wird laut", sagt der BBK-Chef im Interview mit dem SWR. Allerdings können nur moderne Sirenen zentral angesteuert werden. Bei älteren Modellen müssen die Verantwortlichen vor Ort einen Schalter umlegen. Insgesamt verfügt Deutschland zurzeit über rund 38.000 funktionsfähige Sirenen.

Smartphones sollen schrillen

Doch die Sirenen sind nur ein Baustein dieses bundesweiten Warntages. Die meisten Menschen werden wohl aufschrecken, wenn am Vormittag ihr Handy schrille Töne von sich gibt. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nutzt das sogenannte Cell Broadcast System: Dafür muss sich niemand anmelden oder eine bestimmte App auf das Smartphone herunterladen. Es soll schon genügen, wenn das Gerät eingeschaltet ist und Mobilfunk-Empfang hat.

Das Handy gibt dann nicht nur den Warnton ab, sondern zeigt auch eine Textnachricht mit der offiziellen Warnung an. Wer eine Warn-App wie Nina oder Katwarn installiert hat, soll darüber zusätzlich über den Probealarm informiert werden. Schließlich warnt das BBK über Radio, Fernsehen und digitale Anzeigetafeln in Städten - außerdem auf Bahnhöfen und in Zügen.

Behördenchef Tiesler spricht von einem Stresstest für das Gesamtsystem. Es werde auf Herz und Nieren geprüft, weil man alle Kanäle zeitgleich auslöse. Die verschiedenen Warnmittel haben unterschiedliche Funktionen: Sirenen und Handy-Warntöne können darauf hinweisen, dass überhaupt eine Gefahr besteht. Worum es konkret geht, erfahren die Menschen zum Beispiel über die Medien oder Warn-Apps.

Auf den Warnmittel-Mix kommt es an

Der Warnmittel-Mix müsse funktionieren, sagt Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Mit nur einem Warnmittel könne man nie die ganze Bandbreite der Bevölkerung ansprechen: jung und alt, Stadt und Land. Je mehr Warnkanäle man nutze, umso größer sei die Wahrscheinlichkeit, möglichst viele Menschen zu erreichen.

Die Bevölkerung sei sensibler geworden für das Thema, erklärt Seibert. Die Menschen wollten informiert werden. Als Grund dafür nennt sie die Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Beim ersten bundesweiten Warntag 2020 war vieles schiefgegangen. Der damalige BBK-Chef Christoph Unger musste deshalb seinen Posten räumen. Beim zweiten Probealarm im Dezember 2022 lief es besser: Neun von zehn Menschen bekamen die Warnmeldung über mindestens einen Kanal mit, wie spätere Umfragen zeigten.

"Damit sind wir schon sehr zufrieden", meint BBK-Präsident Tiesler. Aber er sagt auch: "Es geht noch mehr." Sein Bundesamt will die Erkenntnisse aus den Warntagen nutzen, um die Warnsysteme weiter auszubauen.

Oliver Neuroth, ARD Berlin, tagesschau, 14.09.2023 08:19 Uhr